10. Der Sophist als ein Händler mit Kenntnissen


Fremder: [223b] Nach dieser jetzigen Rede also, o Theaitetos, wäre die von der nachstellend bezwingenden aneignenden Kunst, und zwar von der Tiernachstellung zu Lande auf Menschen, nämlich der nicht öffentlichen Überredungskunst lohnforderndem, für Geld sich verkaufendem, scheinbar belehrendem Teil auf reiche angesehene Jünglinge angestellte Jagd, wie diese Rede uns ausgegangen ist, die sophistische Kunst zu nennen.

Theaitetos: So ist es allerdings.

Fremder: [c] Auch so laß uns aber noch zusehen: Denn nicht einer geringen Kunst ist teilhaftig, was wir jetzt suchen, sondern einer gar mannigfaltigen. Denn auch aus dem Vorhergesagten ergibt sich ein Schein, als sei es nicht das, was wir jetzt sagen, sondern noch eine andere Gattung.

Theaitetos: Wieso doch?

Fremder: Von der erwerbenden Kunst gab es doch zwei Arten: indem sie sowohl einen nachstellenden Teil hat als einen umsetzenden.

Theaitetos: So war es.

Fremder: Dem Umsatz wollen wir nun wieder zwei Arten geben: die eine das Schenken, die andere das Kaufen oder den Handel.

Theaitetos: Das soll gelten.

Fremder: Weiter wollen wir sagen, dass auch der Handel in zwei Teile zerfalle.

Theaitetos: Wie? [d]

Fremder: Absondernd den Eigenhandel der Selbstverfertiger von dem Zwischenhandel derer, welche fremde Arbeit umtauschen.

Theaitetos: Sehr wohl.

Fremder: Wie aber? Was von dem Zwischenhandel städtischer Verkauf ist, gewiß fast die Hälfte desselben, nennt man das nicht Kleinhandel?

Theaitetos: Ja.

Fremder: Den Handel aber, welcher von einer Stadt zur andern durch Kaufund Verkauf getrieben wird, nennt man den nicht Großhandel?

Theaitetos: Freilich.

Fremder: [e] Und haben wir etwa nicht bemerkt, dass dieses Großhandels einer Teil das, wovon der Leib sich nährt und Gebrauch macht, der andere das, wovon die Seele sich nährt und Gebrauch macht, im Verkauf gegen Geld umsetzt?

Theaitetos: Wie meinst du dies?

Fremder: So ist uns wohl das unbekannt von der Seele, denn das andre verstehen wir doch.

Theaitetos: Ja.

Fremder: [224a] Die gesamte Musenkunst, wollen wir also sagen, indem sie von einer Stadt zur andern, hier eingekauft und dort hingeführt und verkauft wird, und die Malerei und die Taschenspielerei und vieles andere der Seele Angehörige, was teils der Ergötzung, teils auch ernstlicher Beschäftigung wegen eingeführt und verkauft wird, verschafft denen, die es einführen und verkaufen, mit nicht minderem Recht den Namen eines Kaufmannes als der Handel mit Getreide oder Wein.

Theaitetos: Du hast ganz recht.

Fremder: [b] Willst du also nicht auch den, welcher Kenntnisse zusammenkauft und sie von einer Stadt zur andern wieder umsetzt gegen Geld, mit demselben Namen benennen?

Theaitetos: Ganz stark.


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