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Metaphysik


Metaphysik. Unter der prôtê philosophia versteht Aristoteles die allgemeine Wissenschaft vom Seienden als solchen (to on hê on), von den Urgründen oder Prinzipien (tôn prôtôn archôn kai aitiôn) der Dinge. Während nach Platon das Wesen des Dinges, die »Idee«, getrennt von ihm existiert, hält Aristoteles solche gesonderte, nichts bewirkende Ideen nur für unnütze Verdoppelungen der Dinge. Das Wesen der Dinge, das Allgemeine, die Gattungseinheit besteht wohl an sich, objektiv, aber nur in den Dingen selbst. Das Allgemeine ist das, was einer Vielheit von Dingen naturgemäß zukommt (ho epi pleionôn pephyke katêgoreisthai). Selbständige Existenz hat freilich nur die Substanz (ousia) als Einzelding, während die Gattungen nur sekundäre »Substanzen« sind (deuterai ousiai). Aber die Substanz ist zugleich das Allgemeine, Gattungsmäßige an den Einzeldingen, das dem Begriff Entsprechende, das eigentliche Erkenntnisobjekt (wie bei Plato), wenn es auch nur am Einzelnen und durch Aufsteigen vom Einzelnen zum Allgemeinen erkannt wird, für uns also nicht das Frühere ist.

Die Prinzipien (archai) der Dinge sind: Form oder Wesen (eidos, morphê, ousia, to ti ên einai), Stoff (hylê, hypokeimenon, to ex hou), bewirkende Ursache (to hothen hê archê tês kinêseôs), Zweck (to hou heneka, agathon). Das einzelne Ding (tode ti) ist ein Ganzes (synolon) aus Stoff und Form. Die Form ist das, was dem Dinge sein Wesen verleiht, was den Stoff zu einem bestimmten Etwas (tode ti) macht. Sie ist das begriffliche Sein des Dinges (hê kata ton logon ousia). Form ist nicht nur die äußere Gestalt, sondern Jegliche Art der Gestaltung eines Dinges, die von innen aus erfolgt und durch ihre eigene Tätigkeit wirksam ist; sie ist zugleich ein aktives Prinzip, während der Stoff rein leidend ist. Die Formen sind ewig, unvergänglich, keinem Werden unterworfen, sondern selbst Prinzipien des Werdens. Der Stoff ist das Substrat der Dinge, das freilich nur begrifflich ohne Form existiert, während in Wirklichkeit jeder Stoff schon geformt ist und nur im Hinblick auf eine weitere Gestaltungsfähigkeit Stoff ist (z.B. Marmor-Statue). Der Stoff ist nicht (wie bei Platon) ein Nichtseiendes, aber auch kein volles Wirkliches, sondern das Unbestimmte (aoriston), eine Möglichkeit zu etwas, eine Potenz (dynamis), ein der Möglichkeit nach Seiendes (dynamei on), wie z.B. der Keim zu einer bestimmten Pflanze. Der Stoff ist die Grundlage aller Gestaltung, das »weibliche« Prinzip, träge, unbegrenzt, für sich allein nicht erkennbar. Es gibt sinnlich wahrnehmbaren und denkbaren Stoff. Allen Dingen wohnt ein und dieselbe Materie inne. Die Urmaterie (hylê prôtê) existiert nur in der Abstraktion. Ohne Materie ist nur Gott. Die Materie ist der Grund des Zufälligen, Akzidentiellen, Mechanischen. - Das Werden besteht in dem Übergänge des Stoffes zur Form, also in einer Entwicklung, Formung, in der Verwirklichung (energeia) und Vollendung (entelecheia) des Dinges. Das »Wirkliche« im engeren Sinne als Verwirklichtes und Wirksames ist also die Form (bezw. das geformte Ding). Form, Ursache und Zweck werden von Aristoteles als in Wirklichkeit zusammenfallend dem Stoffe gegenübergestellt. Das Geschehen ist (abgesehen von den Hemmungen, welche der Stoff bietet) ein zweckbestimmtes. Die Formen des Dinges sind zugleich deren immanente Zwecke (Ziele), die sie bewegen, indem die Dinge ihnen (als ihren Formen und Vollendungszuständen) zustreben (»Zielstrebigkeit«, wie dies später K. E. v. Baer genannt hat). Wohl ist auch das Mechanische und Zufällige (automaton, tychê) im Geschehen zu berücksichtigen, wesentlich herrscht aber in dem System des Aristoteles die Teleologie. deren eigentlicher Begründer er ist. Die Natur wirkt nie ohne Ziele (ouden matên). Oberstes Ziel alles Geschehens ist Gott. Er ist die erste und letzte Ursache aller Zweckmäßigkeit, der, nach dem alles strebt, so daß er die Dinge zu sich hinzieht wie das Geliebte (kinei hôs erômenon). Die Existenz eines Gottes wird durch den (später so genannten) kosmologischen Beweis dargetan. Alles Werden besteht in der Aktualisierung einer Potenz durch ein Wirkliches. Dies führt schließlich zu einem Wirklichen, das nicht Wirkung, nur Ursache, nicht Stoff, sondern reine Form, also immateriell ist, zu einem ersten Beweger (prôton kinoun). So ist Gott reine Energie (später »actus purus« genannt), leidlos, einfach, ewig, unbewegt, alles bewegend. Er ist Geist (nous), reines Denken, Denken seiner selbst (noêsis noêseôs), das seligste und beste Leben, weil er, als Denken des Besten, veränderungslose Tätigkeit ist (energeia akinêsias; Vgl. darüber F. C. S. Schiller, Humanism). Gottes Leben ist das Beste, weil er reiner Geist ist, denn das Schauen (die theôria) ist das Schönste und Beste (intellektualistisch gefärbter Monotheismus).


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Seite zuletzt aktualisiert: 18.10.2006