3. Zweck der Kunst
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Da fragt es sich nun, welches das Interesse, der Zweck sei, den sich der Mensch bei Produktion solchen Inhalts in Form von Kunstwerken vorsetzt. Dies war der dritte Gesichtspunkt, den wir in Rücksicht auf das Kunstwerk aufstellten und dessen nähere Erörterung uns endlich zu dem wahren Begriff der Kunst selbst hinüberführen wird.
Werfen wir in dieser Beziehung einen Blick auf das gewöhnliche Bewußtsein, so ist seine geläufigste Vorstellung, die uns einfallen kann,
a) das Prinzip von der Nachahmung der Natur. Dieser Ansicht nach soll die Nachahmung als die Geschicklichkeit, Naturgestalten, wie sie vorhanden sind, auf eine ganz entsprechende Weise nachzubilden, den wesentlichen Zweck der Kunst ausmachen, und das Gelingen dieser der Natur entsprechenden Darstellung soll die volle Befriedigung geben.
α) In dieser Bestimmung liegt zunächst nur der ganz formelle Zweck, daß, was sonst schon in der Außenwelt und wie es da ist, nun auch vom Menschen danach, so gut er es mit seinen Mitteln vermag, zum zweiten Male gemacht werde. Dies Wiederholen kann aber sogleich als eine αα) überflüssige Bemühung angesehen werden, da wir, was Gemälde, Theateraufführungen usf. nachahmend darstellen, Tiere, Naturszenen, menschliche Begebenheiten, sonst schon in unseren Gärten oder im eigenen Hause oder in Fällen aus dem engeren und weiteren Bekanntenkreise vor uns haben. Und näher kann dies überflüssige Bemühen sogar als ein übermütiges Spiel angesehen werden, das ββ) hinter der Natur zurückbleibt. Denn die Kunst ist beschränkt in ihren Darstellungsmitteln und kann nur einseitige Täuschungen, z. B. nur für einen Sinn den Schein der Wirklichkeit hervorbringen und gibt in der Tat, wenn sie bei dem formellen Zweck bloßer Nachahmung stehenbleibt, statt wirklicher Lebendigkeit überhaupt nur die Heuchelei des Lebens. Wie denn auch die Türken als Mohammedaner bekanntlich keine Gemälde, Nachbildungen von Menschen usf. dulden und James Bruce7) auf seiner Reise nach Abessinien, als er einem Türken gemalte Fische vorzeigte, ihn zunächst zwar in Erstaunen setzte, doch bald genug die Antwort erhielt: „Wenn dieser Fisch am Jüngsten Tage gegen dich aufstehen und sagen wird, du hast mir wohl einen Leib gemacht, aber keine lebendige Seele, wie wirst du dich dann gegen diese Anklage rechtfertigen?“ Auch der Prophet, wie es in der Sunna8) heißt, sagte schon zu den beiden Frauen Ommi Habiba und Ommi Selma, die ihm von Bildern in äthiopischen Kirchen erzählten: „Diese Bilder werden ihre Urheber verklagen am Tage des Gerichts.“ — Zwar gibt es ebenso Beispiele vollendet täuschender Nachbildung. Die gemalten Weintrauben des Zeuxis sind von alters her für den Triumph der Kunst und zugleich für den Triumph des Prinzips von der Nachahmung der Natur ausgegeben worden, weil lebende Tauben dieselben sollen angepickt haben. Zu diesem alten Beispiele könnte man das neuere von Büttners9) Affen hinzufügen, der einen gemalten Maikäfer aus Rösels10) Insektenbelustigungen [1741 ff.] zernagte und von seinem Herrn, dem er doch auf diese Weise das schönste Exemplar des kostbaren Werkes verdarb, zugleich um dieses Beweises von der Trefflichkeit der Abbildungen willen Verzeihung erhielt. Aber bei solchen und anderen Beispielen muß uns wenigstens sogleich beifallen, daß, statt Kunstwerke zu loben, weil sie sogar Tauben und Affen getäuscht, gerade nur die zu tadeln sind, welche das Kunstwerk zu erheben gedenken, wenn sie nur eine so niedrige Wirkung von demselben als das Letzte und Höchste zu prädizieren wissen. Im ganzen ist aber überhaupt zu sagen, daß bei bloßer Nachahmung die Kunst im Wettstreit mit der Natur nicht wird bestehen können und das Ansehen eines Wurms erhält, der es unternimmt, einem Elefanten nachzukriechen. — γγ) Bei solchem stets relativen Mißlingen des Nachbildens, dem Vorbilde der Natur gegenüber, bleibt als Zweck nichts als das Vergnügen an dem Kunststück übrig, etwas der Natur Ähnliches hervorzubringen. Und allerdings kann der Mensch sich freuen, was sonst schon vorhanden ist, nun auch durch seine eigene Arbeit, Geschicklichkeit und Emsigkeit zu produzieren. Aber auch diese Freude und Bewunderung wird für sich, gerade je ähnlicher das Nachbild dem natürlichen Vorbild ist, desto eher frostig und kalt oder verkehrt sich in Überdruß und Widerwillen. Es gibt Porträts, welche, wie geistreich ist gesagt worden, bis zur Ekelhaftigkeit ähnlich sind, und Kant führt in bezug auf dieses Gefallen am Nachgeahmten als solchem ein anderes Beispiel an, daß wir nämlich einen Menschen, der den Schlag der Nachtigall vollkommen nachzuahmen wisse — und es gibt deren —, bald satt haben und, sobald es sich entdeckt, daß ein Mensch der Urheber ist, sogleich solchen Gesanges überdrüssig sind. Wir erkennen darin dann nichts als ein Kunststück, weder die freie Produktion der Natur noch ein Kunstwerk, denn von der freien Produktionskraft des Menschen erwarten wir noch ganz anderes als eine solche Musik, die uns nur interessiert, wenn sie, wie beim Schlage der Nachtigall, absichtslos, dem Ton menschlicher Empfindung ähnlich, aus eigentümlicher Lebendigkeit hervorbricht. Überhaupt kann diese Freude über die Geschicklichkeit im Nachahmen nur immer beschränkt sein, und es steht dem Menschen besser an, Freude an dem zu haben, was er aus sich selber hervorbringt. In diesem Sinne hat die Erfindung jedes unbedeutenden technischen Werkes höheren Wert, und der Mensch kann stolzer darauf sein, den Hammer, den Nagel usf. erfunden zu haben, als Kunststücke der Nachahmung zu fertigen. Denn dieser abstrakt nachbildende Wetteifer ist dem Kunststück jenes gleichzuachten, der sich, ohne zu fehlen, Linsen durch eine kleine Öffnung zu werfen eingelernt hatte. Er ließ sich vor Alexander mit dieser Geschicklichkeit sehen, Alexander aber beschenkte ihn zum Lohn für diese Kunst ohne Nutzen und Gehalt mit einem Scheffel Linsen.
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