1. Die Kantische Philosophie
Es ist schon die Kantische Philosophie, welche diesen Vereinigungspunkt nicht nur seinem Bedürfnisse nach gefühlt, sondern denselben auch bestimmt erkannt und vor die Vorstellung gebracht hat. Überhaupt machte Kant, für die Intelligenz wie für den Willen, die sich auf sich beziehende Vernünftigkeit, die Freiheit, das sich in sich als unendlich findende und wissende Selbstbewußtsein zur Grundlage; und diese Erkenntnis der Absolutheit der Vernunft in sich selbst, welche den Wendepunkt der Philosophie in der neueren Zeit herbeigeführt hat, dieser absolute Ausgangspunkt, mag man auch die Kantische Philosophie für ungenügend erklären, ist anzuerkennen und an ihr nicht zu widerlegen. Indem aber Kant in den festen Gegensatz von subjektivem Denken und objektiven Gegenständen, von abstrakter Allgemeinheit und sinnlicher Einzelheit des Willens wieder zurückfiel, ward er es vornehmlich, welcher den vorhin berührten Gegensatz der Moralität als das Höchste hervortrieb, da er außerdem die praktische Seite des Geistes über die theoretische hinaushob. Bei dieser durch das verständige Denken erkannten Festigkeit des Gegensatzes war für ihn deshalb nichts übrig, als die Einheit nur in Form subjektiver Ideen der Vernunft auszusprechen, für welche eine adäquate Wirklichkeit nicht könnte nachgewiesen werden, sowie als Postulate, welche aus der praktischen Vernunft zwar zu deduzieren seien, deren wesentliches Ansich aber für ihn durch das Denken nicht erkennbar und deren praktische Erfüllung ein bloßes, stets in die Unendlichkeit hinausgeschobenes Sollen blieb. Und so hat denn Kant den versöhnten Widerspruch wohl in die Vorstellung gebracht, doch dessen wahrhaftes Wesen weder wissenschaftlich entwickeln noch als das wahrhaft und allein Wirkliche dartun können. Weiter drang freilich Kant noch vorwärts, insoweit er die geforderte Einheit in dem wiederfand, was er den intuitiven Verstand nannte; aber auch hier bleibt er wieder beim Gegensatz des Subjektiven und der Objektivität stehen, so daß er wohl die abstrakte Auflösung des Gegensatzes von Begriff und Realität, Allgemeinheit und Besonderheit, Verstand und Sinnlichkeit und somit die Idee angibt, aber diese Auflösung und Versöhnung selber wiederum zu einer nur subjektiven macht, nicht zu einer an und für sich wahren und wirklichen. In dieser Beziehung ist seine Kritik der Urteilskraft, in welcher er die ästhetische und die teleologische Urteilskraft betrachtet, belehrend und merkwürdig. Die schönen Gegenstände der Natur und Kunst, die zweckmäßigen Naturprodukte, durch welche Kant näher auf den Begriff des Organischen und Lebendigen kommt, betrachtet er nur von seiten der subjektiv sie beurteilenden Reflexion. Und zwar definiert Kant die Urteilskraft überhaupt als »das Vermögen, das Besondere als enthalten unter dem Allgemeinen zu denken«, und nennt die Urteilskraft reflektierend, »wenn ihr nur das Besondere gegeben ist, wozu sie das Allgemeine finden soll«12). Dazu bedarf sie eines Gesetzes, eines Prinzipes, das sie sich selbst zu geben hat, und als dieses Gesetz stellt Kant die Zweckmäßigkeit auf. Beim Freiheitsbegriff der praktischen Vernunft bleibt die Erfüllung des Zwecks im bloßen Sollen stehen; im teleologischen Urteil nun aber über das Lebendige kommt Kant darauf, den lebendigen Organismus so zu betrachten, daß der Begriff, das Allgemeine, hier noch das Besondere enthalte und als Zweck das Besondere und Äußere, die Beschaffenheit der Glieder, nicht von außen her, sondern von innen heraus und in der Weise bestimme, daß das Besondere von selbst dem Zweck entspreche. Doch soll mit solchem Urteil wieder nicht die objektive Natur des Gegenstandes erkannt, sondern nur eine subjektive Reflexionsweise ausgesprochen werden. Ähnlich faßt Kant das ästhetische Urteil so auf, daß es weder hervorgehe aus dem Verstande als solchem, als dem Vermögen der Begriffe, noch aus der sinnlichen Anschauung und deren bunter Mannigfaltigkeit als solcher, sondern aus dem freien Spiele des Verstandes und der Einbildungskraft. In dieser Einhelligkeit der Erkenntnisvermögen wird der Gegenstand auf das Subjekt und dessen Gefühl der Lust und des Wohlgefallens bezogen.
a) Dies Wohlgefallen nun aber soll erstens ohne alles Interesse, d. h. ohne Beziehung auf unser Begehrungsvermögen sein. Wenn wir ein Interesse der Neugier z. B. oder ein sinnliches für unser sinnliches Bedürfnis, eine Begierde des Besitzes und Gebrauchs haben, so sind uns die Gegenstände wichtig nicht um ihrer selbst, sondern um unseres Bedürfnisses willen. Dann hat das Daseiende einen Wert nur in Rücksicht auf solch eine Bedürftigkeit, und das Verhältnis ist von der Art, daß auf der einen Seite der Gegenstand, auf der anderen eine Bestimmung steht, die von ihm verschieden ist, worauf wir ihn aber beziehen. Wenn ich den Gegenstand z. B., um mich davon zu ernähren, verzehre, so liegt dieses Interesse nur in mir und bleibt dem Objekte selber fremd. Das Verhältnis zum Schönen nun, behauptet Kant, sei nicht von dieser Art. Das ästhetische Urteil läßt das äußerlich Vorhandene frei für sich bestehen und geht aus einer Lust hervor, der das Objekt seiner selbst wegen zusagt, indem sie dem Gegenstande seinen Zweck in sich selber zu haben vergönnt. Dies ist, wie wir bereits oben sahen, eine wichtige Betrachtung.