§ 9. Ständisch-patrimoniale Herrschaft
§ 9. Die patrimoniale und insbesondere die ständisch-patrimoniale Herrschaft behandelt, im Fall des reinen Typus, alle Herrengewalten und ökonomischen Herrenrechte nach Art privater appropriierter ökonomischer Chancen. Das schließt nicht aus, daß sie sie qualitativ unterscheidet. Insbesondere indem sie einzelne von ihnen als präeminent in besonders regulierter Form appropriiert. Namentlich aber, indem sie die Appropriation von gerichts- oder militärherrlichen Gewalten als Rechtsgrund ständisch bevorzugter Stellung des Appropriierten gegenüber der Appropriation rein ökonomischer (domanialer oder steuerlicher oder Sportel-) Chancen behandelt und innerhalb der letzteren wieder die primär patrimonialen von den primär extrapatrimonialen (fiskalischen) in der Art der Appropriation scheidet. Für unsere Terminologie soll die Tatsache der prinzipiellen Behandlung von Herrenrechten und der mit ihnen verknüpften Chancen jeden Inhalts nach Art privater Chancen maßgebend sein.
Durchaus mit Recht betont z.B. v. Below (Der deutsche Staat des Mittelalters) scharf, daß namentlich die Appropriation der Gerichtsherrlichkeit gesondert behandelt wurde und Quelle ständischer Sonderstellungen war, daß überhaupt ein rein patrimonialer oder rein feudaler Charakter des mittelalterlichen politischen Verbandes sich nicht feststellen lasse. Indessen: soweit die Gerichtsherrlichkeit und andere Rechte rein politischen Ursprungs nach Art privater Berechtigungen behandelt wurden, scheint es für unsere Zwecke terminologisch richtig, von »patrimonialer« Herrschaft zu sprechen. Der Begriff selbst stammt bekanntlich (in konsequenter Fassung) aus Haller's Restauration der Staatswissenschaft. Einen absolut idealtypisch reinen »Patrimonial«staat hat es historisch nicht gegeben.
4. Ständische Gewaltenteilung soll der Zustand heißen, bei dem Verbände von ständisch, durch appropriierte Herrengewalten Privilegierten durch Kompromiß mit dem Herrn von Fall zu Fall politische oder Verwaltungssatzungen (oder: beides) oder konkrete Verwaltungsanordnungen oder Verwaltungskontrollmaßregeln schaffen und eventuell selbst, zuweilen durch eigene Verwaltungsstäbe mit, unter Umständen, eigenen Befehlsgewalten, ausüben.
1. Daß auch nicht ständisch privilegierte Schichten (Bauern) unter Umständen zugezogen werden, soll am Begriff nichts ändern. Denn das Eigenrecht der Privilegierten ist das typisch Entscheidende. Das Fehlen aller ständisch privilegierten Schichten würde ja offensichtlich sofort einen anderen Typus ergeben.
2. Der Typus ist voll nur im Okzident entwikkelt. Über seine nähere Eigenart und den Grund seiner Entstehung dort ist später gesondert zu sprechen.
3. Eigener ständischer Verwaltungsstab war nicht die Regel, vollends mit eigener Befehlsgewalt die Ausnahme.