Correggio
- San Giovanni zu Parma: Kuppel
Im Jahre 1520 verehelichte sich Correggio mit seiner 15jährigen Mitbürgerin, der Signora Girolama Merlini. Gleich darnach malte er die unter dem Namen la Zingarella (die Zigeunerin, von dem Bund, den sie auf dem Kopf trägt, so benannt), bekannte, auf der Flucht rastende Maria mit dem Kinde, in welcher die Züge seiner Frau erkennbar sein sollen. Das schönste Exemplar dieses oft wiederholten* und kopierten Bildes (eine Kopie davon im Städel'schen Institut zu Frankfurt a. M.), von außerordentlicher Schönheit in der Anordnung von Licht und Schatten, von feinstem und innigstem Ausdruck befindet sich in den Studj zu Neapel (gest. von Ravenet), Ein anderes Bild, mit dem er sich um diese Zeit beschäftigte, war die unter dem Namen „Vierge au panier" bekannte heil. Familie, welche aus der Kartause von Pavia in die königl. Sammlung von Madrid und von da nach England kam, wo sie von der Nationalgallerie um die Summe von 3800 Pfund Sterling erworben wurde. Maria sitzt in einer Landschaft, das lebhaft bewegte Christkind, das sie anzuziehen im Begriff steht, auf ihrem Schosse, im Hintergrund der mit Zimmermannsarbeit beschäftigte Joseph, ein kleines, überaus liebliches und wunderbar zart ausgeführtes Gemälde mit dem Ausdruck der seligsten, unschuldigsten Lust in dem äußerst schönen Köpfchen des Kindes und der höchsten Freud« an dessen frischen ausgelassenen Lebensäusserungen im Gesichte der Maria. (Eine Kopie davon in der Bridgewatergalerie zu London.) Im Sommer desselben Jahrs ging Allegri in Begleitung seiner Frau nach Parma und malte dasselbst mehrere Bilder. Zuerst in der Kirche S. Annunziata eine Verkündigung als Fresco, von der noch Reste vorhanden sind, welche die herrliche Komposition bewundern lassen. Es erscheint darin der beide Hände erhebende Engel in Wolken gehüllt, in denen reizende Kinderengel schweben, deren einer die Lilie hält, während Maria, hingegossen kniend, mit einem fast magdalenhaften Ausdruck die Linke auf die Brust drückt. Das ganze Bild wird durch die Glorie des auf die heil. Jungfrau niederfliessenden heil. Geistes beleuchtet. Ferner ein anderes Freskobild, eine Madonna mit dem Kinde, das den Arm um ihren Hals schlingt und zum Beschauer herausblickt, in einem Zimmer der Porta Romana, an das im J. 1554 aus Rücksicht für das bedeutende Kunstwerk die kleine Kirche della Scala angebaut wurde, woher das Bild den Namen Madonna della Scala erhielt. Im J. 1812 wurde das Kirchlein zerstört und das Bild, das die glücklichste Mischling von Majestät und milder Anmut, Erhabenheit und Zartheit atmet, in die Akademie der Künste daselbst gebracht, wo es sich noch befindet. Endlich führte er für den Marchese Prati einen Ecce Homo aus (gestochen von Agost. Carracci im J. 1587), Dieses Bild, von einem Erben des ersten Bestellers, Marcello Prati, im J. 1680 verkauft, dann lange im Besitz des Hauses Colonna zu Rom, hierauf in den des; Königs Murat übergegangen, und von dessen Witwe an den Marquis von Londonderry veräussert, befindet sich jetzt in der Nationalgalerie zu London, die auch eine Kopie desselben von Lodovico Carracci besitzt. Es stellt den dornengekrönten und dem Volke zur Schau ausgestellten göttlichen Erlöser in lebensgrossen halben Figuren dar, und versetzt den Beschauer durch den darin mit aller Macht des Ausdrucks und der Schönheit der Formen dargestellten Sieg der Seele über den höchsten Schmerz in eine zugleich Erquickung und Trost gewährende Gemütsbewegung. Auch die Komposition ist hier auf der Höhe des Gegenstandes gehalten. Christus hat etwas überaus Grandioses in Antlitz und Haltung; die Zeichnung selbst ist strenger und edler als in den meisten Bildern des Meisters, die Ausführung höchst gediegen und die Färbung von seltener Kraft, Tiefe und Sättigung. — Am 6. Juli des Jahres 1520 schloss Correggio mit den Benediktinermönchen des Klosters S. Giovanni zu Parma einen Vertrag über die ihm übertragene Ausmalung der Kuppel der Kirche S. Giovanni ab, hatte auch nach vollendeten Vorarbeiten schon mit den Malereien begonnen, als ein Krieg in Parma ausbrach, der ihn wieder zurück nach Correggio trieb. Mittlerweile entstanden hier zwei seiner herrlichsten Bilder aus der antiken Mythologie. Das eine ist Jupiter und Antiope (ursprünglich wahrscheinlich für Friedrich Gonzagall, nachherigen Herzog von Mantua, gemalt, und mit der ganzen mantuanischen Sammlung in den Besitz Carl I. von England und von da in das Kabinet des Königs Ludwig XIV. von Frankreich gekommen, gegenwärtig im Louvre zu Paris). Jupiter, in der Gestalt eines jugendlichen Fauns, belauscht, indem er ihr das Gewand empor hebt, die in verführerischer Lage hingestreckte schlafende Antiope, zu deren Füßen Amor auf der Löwenhaut schläft, ein Bild, das zwar in der Komposition nicht besonders gelungen ist, auch in Beziehung auf Zeichnung zu volle und derbe Formen zeigt, aber an weichem Schmelz der Färbung und an Feinheit der Abstufungen des Helldunkels vielleicht das Vollkommenste ist, was Correggio geroalt. Das andere stellt die Erziehung des Amor durch Venus und Merkur**, die Figuren in zweidritttel Lebensgröße, dar. (Dieses Bild, wahrscheinlich ebenfalls für Gonzaga gemalt, kam mit der mantuanischen Sammlung in die Galerie Karl I. von England, wanderte aber bei der Versteigerung der letzteren nach Spanien und zierte dort die Sammlung der Herzoge von Alba, bis es aus dieser in die Hände des Friedensfürsten gelangte, denen es Murat während der französischen Invasion zu entreißen wusste. Nach dem Tode des Letzteren verkaufte es dessen "Witwe an den Marquis von Londonderry, aus dessen Besitz es in die Nationalgalerie nach London überging, woselbst es sich noch befindet.) Venus steht aufrecht auf einen Baumstamm gestützt und deutet, den schalkhaften Blick gegen den Beschauer gerichtet, auf den kleinen Amor, der in kindlicher Naivität bemüht ist, ein Blatt zu lesen, das ihm der am Boden sitzende Merkur vorhält. Man bewundert in diesem herrlichen Gemälde, namentlich in der Gestalt der Venus, das feinste Ebenmaß der Glieder, die graziösesten Schwingungen der Linien und eine in blühendster und klarster Färbung vollendete Abrundung. Im Jahre 1521 wurde Correggio durch die Geburt eines Sohnes beglückt, und im Jahre 1522 finden wir ihn wieder in Parma beschäftigt, die Kuppel von S. Giovanni Evangelista und die Malereien der Altartribüne zu vollenden. In jener stellte er die Himmelfahrt Christi inmitten der zwölf Apostel dar, die auf Wolken sitzend, und mit einem Gefolge von Engeln, ihm, in Erstaunen und Anbetung versunken, nachblicken. In den vier Pendentifs die vier Evangelisten mit den vier Kirchenvätern.*** In diesem Werke (prachtvoll gestochen v. Toschi) entfaltete Correggio eine außerordentliche Grossartigkeit in der Anordnung des Ganzen wie im Einzelnen, und eine erstaunliche Kunst in den hier von ihm zuerst im größeren Maassstabe angewandten Verkürzungen der Gestalten; über das Ganze aber ist eine entzückende, sinnlich festliche Heiterkeit ausgegossen. Zur Meisterschaft in der Behandlung dieser Verkürzungen soll er, angeregt durch ein ähnliches Verfahren auf ebenen Flächen des Melozzo di Forli in der alten Apostelkirche zu Rom, — wodurch zugleich die Streitfrage, ob Correggio Rom gesehen, bejahend entschieden wäre — dadurch gelangt sein, dass er sich alle Figuren in ihrer Zusammenstellung im architektonischen Rahmen vorher habe modellieren lassen, durch deren gründliches Studium, im von unten angenommenen Augenpunkte, er dann die Täuschung so vollkommen zu Stand gebracht. Die Altartribüne schmückte er mit dem Bilde einer Krönung der Maria nebst verschiedenen Heiligen und Engeln. Im Jahre 1584 musste die Letztere jedoch, wegen notwendiger Erweiterung des Raumes, eingerissen werden man rettete aber das Hauptstück des Wandbildes, indem man die Gestalten des Christus und der Maria von der Mauer sägte und über einer Tür der k. Bibliothek zu Parma, wo das Gemälde sich noch jetzt befindet, anbrachte. In dieser bewundernswürdigen Gruppe findet man die ganze Zartheit und Tiefe von Correggio's Empfindungsweise. Es waltet in derselben ein hinreißendes Gefühl zärtlicher und inniger Liebe, zugleich mit einer wunderbaren Anmut ausgedrückt. Auch noch mehrere Engelsköpfe, die in den Besitz der Familie Rondani kamen, wurden gerettet; überdies ist uns der wesentlichste Teil des Ganzen in Kopien von der Hand des Annib. Carracci (gegenwärtig im Museum zu Neapel) erhalten. Die.jetzt noch an der Chorwand befindlichen Malereien sind Kopien nach Correggio von Aretusi. Für diese sämtlichen Arbeiten, die im J. 1524 beendigt waren, erhielt Correggio, wie aus den Klosterbüchern hervorgeht, im Ganzen 272 Dukaten in Gold und 56 Lire Nachzahlung für einige nachher noch gefertigte Malereien an einer Brüstungsmauer im Chor.
Nach Vollendung der Malereien in S. Giovanni malte er in einer Lunette über dem Kapitel al fresco die höchst anmutige Gestalt des Evangelisten Johannes (gest. v. Rosaspina) und für die von Don Placido del Bono gegründete Kapelle derselben Kirche zwei große Ölbilder: die Kreuzabnahme (gest. v. Vanni) — den Leichnam Christi, von den drei Frauen und Johannes beklagt — und das Martyrium der h. h. Placidus und Flavia (gest. v. Rosaspina), beide nunmehr in der Galerie zu Parma. Den Inhalt des ersteren Gemäldes bildet die Schilderung der heftigsten Seelenschmerzen, aber in ihrer poetischen Verklärung durch die Schönheit der Darstellung, durch die Grazie des Ausdrucks der in ein Gefühl konzentrierten Empfindungen, wodurch es zugleich so tief ergreifend und wiederum so wunderbar beruhigend wirkt. Das zweite Bild, ein Gegenstück des ersteren, zeigt eine schöne, einfache Anordnung und ausdrucksvolle Gestalten. Im Jahre 1525 malte Correggio für die Brüderschaft von S. Sebastiano zu Modena den sogenannten heil. Sebastian — Maria mit dem Kinde auf Wolken thronend und von einem Kranze von Kinderengeln umgeben, unten die h. h. Sebastian, Geminianus und Rochus (gest. v. Kilian, v. Lefèbre). Dieses Bild (in der Dresdner Galerie) gehört in Beziehung auf die selige Heiterkeit der Konzeption, auf Anmut, besonders im den Engeln, und Schönheit, namentlich in der Gestalt des h. Sebastian, auf wunderbaren Effekt der Beleuchtung und Glanz und Tiefe der Farbe unter die herrlichsten Bilder des Meisters. Von den Gemälden, die er im J. 1526 ausführte, ist die für die Kirche S. Sepolcro in Parma, unter dem Namen Madonna della Scodella bekannte heilige Familie (kopiert von Agost. Carracci und anderen, gestochen v. Fr. Brizio, später von Ravenet, Toschi u. .a.), jetzt in der Galerie zu Parma, eines der gerühmtesten. Diese Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, die den Namen von der Schale führt, welche Maria in der Hand hält, während Joseph Datteln vom Baume pflückt und dem göttlichen Kinde reicht, hat in der Komposition etwas Verwandtes mit der bereits erwähnten in der Tribüne der Uffizien zu Florenz, ist aber in der Darstellung bedeutend durchgebildeter, vollendeter und schöner.
* Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. der Kunstgesch. Taf. 75, Fig. 6.
** Ebendaselbst. Taf. 75, Fig. 7.
** Ebendaselbst. Taf. 75, Fig. 4.