Allegri, Antonio, genannt Correggio, nimmt unter den großen Meistern der höchsten Blütezeit der Malerei des 16. Jahrhunderts in Italien eine der ersten Stellen ein; denn seine Werke, die Erzeugnisse einer neuen und ganz eigentümlichen Kunstweise, bilden einen wesentlichen Bestandteil jener, die großartigsten und mannigfachsten Richtungen in sich vereinigenden Kunstepoche. Während aber die Tätigkeit seiner mitlebenden großen Kunstgenossen eines Leonardo da Vinci, Raphael, Michelangelo, Titian, sich in ausgedehnteren und glänzenderen Bahnen entfaltete, im Verkehr mit hervorragenden Zeitgenossen zur allgemeinen Geltung und gleichzeitigen Würdignag der Welt gelangte, bewegte sich das reiche Talent Correggio's, ohne jede äußere angesehene Stellung, und, den großen Interessen des öffentlichen Lebens fremd, in den stilleren heimlichen Kreisen enger, zum Teil beschränkter Verhältnisse. Gerade aber diese enger gezogene Sphäre seiner Wirksamkeit scheint zur Begründung und Ausbildung seines künstlerischen Charakters, zu jener stillen Heiterkeit und kindlichen Freude am Schönen, jener hinreissenden Innigkeit und Naivität mitgewirkt zu haben, und je weniger seine unerschöpfliche Berufsfreudigkeit durch äußere glänzende Lebensverhältnisse abgezogen wurde, um so entschiedener und herrlicher konnte die originelle Kraft seines Geistes sein Talent in seiner vollen Eigentümlichkeit herausbilden.
Anfangs in seiner Auffassung noch dem kirchlichen Ernst und der hohen religiösen Begeisterung der Meister des 15. Jahrhunderts folgend, bildete er sich rasch in einer Frühreife der Entwicklung, in der er selbst Raphael übertrifft, eine seiner Subjektivität angemessenere, sie vollständig aussprechende Kunstweise aus. Diese beruhte auf einer außerordentlichen Lebendigkeit der Empfindung, auf einer gesteigerten Erregtheit der Affekte, auf einer sinnlichgeistigen Gefühlsschwelgerei, welche in ihrer schwärmerischen Fröhlichkeit die Welt nur von ihrer heitern Seite auffasst und wo der Schmerz sich ihrer bemächtigt, zugleich den Sieg über denselben feiert. Es spricht sich darin ein ebenbürtig zur Reife gelangter Geist sinnlichen Entzückens, ein überquellendes Gefühl des Lebens und des Genussglücks aus. In allen seinen lebendigstbewegten Darstellungen gehören sie der christlichen oder der Profangeschichte an, schildert er überall das feurig pulsierende, in allen Fibern aufgeregte Leben, das Glück des Daseins mit allen seinen Episoden von Humor und Scherz, die vollsten Entzückungen der Menschenbrust, die Wonne und süße Lust der irdischen, die beseligendste Inbrunst der himmlischen Liebe; er stellt die von Leidenschaften durchwühlte Seele dar, aber der Triumph göttlicher Heiterkeit und Schönheit schwebt als eine selige Beruhigung darüber, und besänftigt die Wogen der Empörung des tiefverwundeten Herzens.
Aus dieser Verschmelzung von Sinnenlust und geistiger Weihe, von lebhaftester Erregtheit der Affekte und Gefühlsseligkeit, gehen auch alle Eigentümlichkeiten seiner Werke in Wahl und Behandlung des Stoffs, in Anordnung, Charakteristik, Ausdruck, Zeichnung, Beleuchtung und Kolorit hervor. Da sein Geist, losgelöst von allem Hergebrachten, typisch Überlieferten, sich nur in dem vollen Reiz des Glücks schönmenschlicher Existenz gefiel, und daher das Erhabene im Angenehmen, höhere Schönheit und Würde in der Anmut suchte, so war er mit seinem feinen. Gefühl für die schönen Gemütsbewegungen und den Ausdruck lebensfrischer, heiterer Sinnlichkeit vorzugsweise auf die Darstellung des Graziösen angewiesen, das er selbst im tiefsten Ernst und größten Schmerz festhält. Eine einheitliche Grosse in der Anordnung entwickelt er selten und die dramatische Einheit in seinen Bildern besteht meistens nur im Zusammenklingen aller Empfindungen in einen Ton der Wonne oder des Schmerzes. In der Charakteristik geht er statt auf Grosse und Tiefe, auf Sanftheit und Milde, und im Ausdruck erscheint er oft bewundernswert naiv, zuweilen, namentlich in seinen Darstellungen der Liebe in Freude oder Wehmut, wunderbar lieblich und hinreissend reizend. Eine Entfaltung schöner Formen tritt in seinen Werken im Ganzen nur wenig hervor, die ungestüme Hast in der Beweglichkeit seiner Figuren steht damit im entschiedensten Widerspruch; nur in seinen jugendlichen oder Kinderköpfen, überhaupt in seinen Gesichtern erreicht er meistens eine entzückende Schönheit. Dagegen herrscht in seinen Werken ein anderes Element vor, das m vollster Übereinstimmung mit den von seiner Subjektivität diktierten, und nach, derselben darzustellenden Gegenständen stand, ja daraus hervorging, und das er mit vollster Freiheit zu unerreichter Vollkommenheit ausbildete. Correggio wusste nämlich Licht und Schatten in die kleinsten und feinsten Grade abzumessen, so dass er jenes bis zum Sonnenglanz steigern konnte, ohne zu blenden, diesen ohne farblos zu werden, zu gänzlicher farbiger Finsternis, zum tiefsten Dunkel zu potenzieren beide aber im wechselvollen Spiele, unter weiser Benützung der Reflexe, zu jener geheimnissvollen tiefpoetischen Dämmerung des Helldunkels zu vermitteln im Stande war, welches jene wunderbare harmonische Ruhe über alle seine Werke ausgießt. Mit gleicher Meisterschaft behandelte er die Farben, indem er ihre Verhaltnisse unter einander und ihre Abstufungen so fein abwog und benützte, dass alle nebeneinander dem Auge ganz, kräftig und harmonisch erscheinen, während jede, für sich gebrochen und gemildert ist. Er malte wie Giorgione mit pastosem Pinsel in großen Zügen, verstand aber damit alle Zauber der feinsten Verschmelzung zu verbinden. Durch ein sehr lichtes Untermalen und öfteres Darübergehen, wusste er seine Färbung zu jener leuchtenden Kraft hinanzustimmen und ihr doch die hellste Klarheit zu bewahren. Daher ist er auch an Zartheit des Schmelzes, Heiterkeit, Schönheit und namentlich an magischer Harmonie des Kolorits unübertroffen. In seinen Gemälden, hei deren Herstellung er weder Fleiß noch Material sparte, zeigt er überall die äußerste Vollendung, die Wahl der ausgezeichnetsten Stoffe, Kupfer, kostbare Tafeln, Leinwand, der feinsten Farben u.s.w., und eine ausgezeichnet sorgfältige Behandlung, worin er eigene technische Geheimnisse, die unter Anderem in einer Verschmelzung der Farben vermittelst der Sonnenwärme oder des Feuers bestanden, besessen haben soll. In seiner Zeichnung vermisst man den Adel und die Schönheit eines großen Stils; er vermied darin die geraden Linien, Winkel und Ecken, weshalb sich überall ein Durcheinanderwogen von konvexen und konkaven Linien bemerkbar macht. Sein Bestreben, seinen Formen eine reizende, überraschende Ansicht abzugewinnen, trieb ihn zu den Verkürzungen, die in der Regel entstellen, bei ihm aber den beabsichtigten Ausdruck verstärken; denn es ist nicht zu verkennen, dass er dadurch die wunderbarsten Wirkungen erzielte, die sich namentlich in seinen Deckengemälden aussprechen. In der Gewandung war er der erste, der sie in die Idee der Komposition aufnahm; er sah dabei nicht sowohl auf die Wahrheit und Schönheit der Formen, denn er vermied auch hier eckige Brüche und spitzige Winkel, als auf ihre Wirkung durch die Gegensätze und die Reize harmonischer Zusammenstimmung.
So sind festliche Heiterkeit und exstatische Freude, daraus entspringende fröhliche Grazie und die Verklärung des irdischen Glücks, wie Schmerzes, die Poesie des Lichts und die Magie des Helldunkels, die Hauptprinzipien, auf denen die von Correggio eingeschlagene Kunstrichtung beruht, und er erreichte darin auch eine Vollendung, die einen der bedeutendsten Höhepunkte der neuern Malerei bezeichnet. In dieser großen Eigentümlichkeit ist er jedoch nicht frei geblichen von einseitiger Übertreibung, zu der sie ihn verführt hat; nicht nur hat er sich gar manchen Fehler gegen die Form zu Schulden kommen lassen, sondern sein Affekt ist nicht immer frei Ton Affektation, sein Ausdruck von süßlicher Manier, und seine Grazie, statt ihrer unbewusst zu bleiben, sucht sich zum Öfteren als solche anzukündigen, und, statt das Gemüt zu bezaubern, die Begierde des Besitzes zu erregen und schalkhaft damit zu kokettieren.
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