Berrettini, Pietro, genannt Pietro da Cortona, Maler und Baumeister, geb. 1S86 zu Cortona, gest. 1669 zu Rom, erhielt den ersten Unterricht in der Kunst durch seinen Oheim Filippo Berrettini, bildete sich aber im Kolorit nach Andrea Comodi, der längere Zeit in Cortona beschäftigt war, und ging mit diesem nach Florenz und von da mit seinem Oheim nach Rom, wo er die Werke Raphael's, Michelangelo's, Polidoro's, die Antiken und besonders die Reliefs der Trajans-Säule fleißig studierte und in vertrauter Freundschaft mit Biagio Carpi lebte, der Viel zur Vollendung seiner Kunstbildung beitrug. Die ersten größeren Gemälde, welche er in Rom gefertigt, verschafften ihm in der Person des Kardinals Sacchetti einen Gönner, der ihm die Ausführung eines Teils der Fresken in der Kirche S. Bibiana, durch die Berrettini über einen der gefeiertsten Maler damaliger Zeit, Agostino Ciampelli, den Sieg davon trug, verschaffte, und ihn dem Papst Urteil VIII. empfahl, der ihm die Deckengemälde eines großen Saales im Palazzo Barberia übertrug, die an plastischem Hervortreten, Kraft und Zartheit der Tinten mit jedem Ölgemälde wetteifern und für das Hauptwerk seines Lebens gelten. Nachdem er hierauf mehrere andere Fresken und Ölgemälde, worunter eine Kreuzabnahme, einen Raub der Sabinerinnen, eine Alexandersschlacht, auch die Kartons zu den Mosaiken der Kuppel der Peterskirche vollendet, ging er nach Florenz, wo er für den Grossherzog Ferdinand H. im Palazzo Pitti nach den Anleitungen des gelehrten Michelangelo Buonarotti des Jüngern fünf Säle mit Fresken allegorischen, mythologischen und geschichtlichen Inhalts schmückte, aber, erzürnt über eine ihm zugefügte Beleidigung, rasch nach Rom zurückkehrte, ohne den sechsten, ihm übertragenen Saal gemalt zu haben. In Rom entfaltete er nun, sowohl in Beziehung auf die große Menge von Öl- und Freskomalereien, die er ausführte, und von denen wir nur die Deckengemälde in der Chiesa nuova zu Rom, die Galerie im Palazzo Pamfili auf Piazza Navona mit Szenen aus der Änäide nennen wollen, als auf die große Schule, die er bildete, und die Schüler, die sich um ihn schaarten, eine glänzende Wirksamkeit, durch welche jene manieristische Verflachung in der Kunst der Malerei eingeführt wurde, die es auf ein möglichst rasches und wohlfeiles Ausfüllen großer Räume absah, daher alles tiefere Eingehen auf die innere Bedeutung der Aufgaben bei Seite setzte, sich dafür mit blendenden und gefälligen Wirkungen auf den äußeren Sinn begnügte und fast das ganze 18. Jahrhundert hindurch dauerte. Berrettini besaß eine schöpferische Produktionskraft und ein sehr bedeutendes Talent, allein ohne allen Ernst und alle Tiefe des Geistes, wie er war, fehlt seinen Werken auch jede tiefere gedankenvolle Auffassung des Gegenstandes. Sein ganzes Streben ging darauf aus, durch den Reichtum der Komposition, durch große Mannigfaltigkeit der Stellungen und Gruppen, durch wirksame Massenkontraste, in der Anordnung, wie in der Haltung, durch eine gewählte Beleuchtung und blühendes Kolorit einen reizenden Gesamteffekt hervorzubringen. Für diese Wirkungen gab er willig alle sonstigen, an ein tüchtiges Kunstwerk zu stellenden wesentlichen Erfordernisse preis. Seine Kompositionen sind meistens ohne tiefen Inhalt und dem konventionellen Effekt des Ganzen setzt er alle Wahrheit hintan. Um ja recht reich zu erscheinen, überladet er seine Gemälde mit einer großen Anzahl gut gruppierter, aber meist müssiger Figuren und um der Gegensätze willen müssen oft die Personen der ruhigsten Handlang darauf sich wie bei gesteigerter Erregtheit der Affekte geberden. Seine Charaktere sind höchst einförmig, wie wenn er für jedes Geschlecht und Alter nur eine Figur und Gesichtsbildung gehabt hätte, die sich in verschiedenen Ansichten und Stellungen wiederholt; seinen Köpfen fehlt es im Allgemeinen an Adel und die seiner Frauen haben einen affektierten, lächelnden Ausdruck, der sie reizend machen soll; seine Zeichnung ist oberflächlich und seine Gewandung hat einen von der Natur entfernten Faltenwurf von ebenfalls einförmigem Charakter. In seinem Vortrag aber offenbart er eine ungemeine Virtuosität, die indessen selbst wieder den Mangel an gründlicher Ausführung zu verdecken hat. Übrigens hat seine kühne und leichte Darstellungsweise etwas Imponierendes und Bestechendes, und es ist nicht zu verwundern, dass sie in jener Zeit der Abnahme der Kräfte in den italienischen Zuständen überhaupt, wenn auch nicht ganz in dem eigentümlichen Charakter des Meisters, so doch im Wesentlichen seiner Kunstrichtung, so außerordentlich schnell die entschiedene Oberherrschaft in ganz Italien bekam. Als seine besten Schüler werden genannt: Giro Ferri. Franc. Romanelli, Pietro Testa, Laca Giordano, Jacques Bourguignon u.s.w. Die vorzüglichsten Bilder dieses äußerst fruchtbaren Künstlers in europäischen Kabinetten sind: im Museum zu Berlin: Herkules von Liebesgöttern umgeben; in der Galerie zu Dresden: ein römischer Feldherr vor den Konsuln; Merkur mahnt den Äneas, seine Abfahrt von Karthago zu beschleunigen, und der Kopf eines alten Mannes; in England: in der Gemäldesammlung zu Devonshire: eine vortreffliche Landschaft; in der Gemäldesammlung zu Blenheim: der Raub der Sabinerinnen, eines der ausgezeichnetsten Bilder des Meisters; in der Grosvenorgalerie: Hagar in der Wüste; in der Bildersammlung zu Corshamhouse: Maria in der Herrlichkeit von mehreren Heiligen verehrt; zu Florenz im Palazzo Pitti: S, Maria Egiziaca; in der Pinakothek zu München: die Ehebrecherin mit gebundenen Händen an der Seite eines Wechters; im Louvre zu Paris: Faustulus übergibt der Laurentia Romulus und Remus; die h. Martina, in den Tempel geschleppt, um anzubeten, macht das Zeichen des Kreuzes, worauf ein Teil des Tempels einstürzt und die Götzendiener erschlägt; das auf dem Schosse der Maria sitzende Christuskind erhält von der heil. Martina Palme und Lilie; Jakob und Esau opfern zur Bestätigung ihrer Versöhnung ein Lamm; die Geburt der Maria; in der Eremitage zu St. Petersburg : die Rückkehr der Hagar; Maria mit dem Kinde und der heil. Martina (eine Wiederholung des Pariser-Bildes); im Museum der bildenden Künste zu Stuttgart: Jesus und die Samariterin am Brunnen (aus der ehemaligen Galerie Barbini-Breganze zu Venedig); in der Akademie zu Venedig: Daniel in der Löwengrube; in der Gemäldegalerie des Belvedere zu Wien: der bekehrte Saulus wird von Ananias wieder sehend gemacht; Hagar's Rückkehr in Abraham's Haus; Maria mit dem Kinde, dem die h. Katharina den Brautring ansteckt. — Eine namhafte Anzahl von Stechern hat nach den Gemälden dieses Meisters gestochen.
Berrettini war auch als Architekt tätig und zwar wie seine Zeitgenossen in jener dekorativen Weise des Barockstiles, der mit seiner schrankenlosen Willkür der architektonischen Formen so lange Zeit die Welt beherrschte. Von ihm rühren die Restauration und Fassade der Kirche S. Maria della Pace her, für deren gelungene Ausführung er vom Papst zum Cavalier ernannt wurde; ferner Fassade und Portikus von S. Maria in via Lata; als sein vorzüglichstes Werk aber scheint er selbst die Kirche S. Luca e Martina*) betrachtet zu haben, die er seine Tochter zu nennen pflegte und der er nach seinem Tode sein ganzes aus 100,000 Scudi bestehendes Vermögen hinterlassen hat. Außerdem entwarf er für Ludwig XIV. (in Konkurrenz mit Bernini und Rainaldi) Pläne zur Beendigung des Louvre, für die er von diesem Monarchen sein mit Diamanten besetztes Bild zum Geschenk erhielt; auch sind in Rom noch verschiedene andere kleinere Architekturen von ihm zu sehen.
*) Abgebildet in den Denkmälern der Kunst. Atlas zu Kuglers Handb. d. Kunstgesch. Taf. 91, Fig. 3.