Spezielle Folgen für die weibliche Konstitution


Die Wirkung der Fabrikarbeit auf den weiblichen Körper ist ebenfalls ganz eigner Art. Die Verbildungen, die die Folge langer Arbeitszeit sind, werden beim Weibe noch viel ernsthafter; Verbildungen des Beckens, teils durch unrichtige Lage und Entwicklung der Beckenknochen selbst, teils durch Verkrümmung des unteren Teils der Wirbelsäule werden häufig durch diese Ursache hervorgebracht.

"Obgleich", sagt Dr. Loudon in seinem Bericht, "kein Beispiel von einem verbildeten Becken und einigen andern Übeln mir vorkam, so sind doch diese Dinge derart, daß jeder Mediziner sie als wahrscheinliche Folge einer solchen Arbeitszeit bei Kindern hinstellen muß, und außerdem verbürgt von Männern von der höchsten medizinischen Glaubwürdigkeit."

Daß Fabrikarbeiterinnen schwerer gebären als andere Frauen, wird von mehreren Hebammen und Geburtshelfern bezeugt, ebenso, daß sie häufiger abortieren, z.B. Dr. Hawkins, evid. p. 11 et 13. Dazu kommt noch, daß die Weiber an der allen Fabrikarbeitern gemeinsamen allgemeinen Schwäche leiden und, wenn sie schwanger sind, bis zur Stunde der Entbindung in den Fabriken arbeiten - natürlich, wenn sie zu früh aufhören, so müssen sie fürchten, daß ihre Stellen besetzt und sie selbst entlassen werden - auch verlieren sie den Lohn. Es kommt sehr häufig vor, daß Frauen, die den Abend noch arbeiteten, den nächsten Morgen entbunden sind, ja es ist nicht allzu selten, daß sie in den Fabriken selbst, zwischen den Maschinen niederkommen. Und wenn auch die Herren Bourgeois darin nichts Besondres finden, so werden mir doch ihre Frauen vielleicht zugeben, daß es eine Grausamkeit, eine infame Barbarei ist, ein schwangeres Weib indirekt zu zwingen, bis zum Tage ihrer Niederkunft täglich zwölf bis dreizehn (früher noch mehr) Stunden arbeitend, in stehender Positur, bei häufigem Bücken, zuzubringen. Das ist aber noch nicht alles. Wenn die Frauen nach der Niederkunft vierzehn Tage nicht zu arbeiten brauchen, so sind sie froh und halten es für lange. Manche kommen schon nach acht, ja nach drei bis vier Tagen wieder in die Fabrik, um die volle Arbeitszeit durchzumachen - ich hörte einmal, wie ein Fabrikant einen Aufseher frug: Ist die und die noch nicht wieder hier? - Nein. - Wie lang ist sie entbunden? - Acht Tage. - Die hätte doch wahrhaftig längst wiederkommen können. Jene da pflegt nur drei Tage zu Hause zu bleiben. - Natürlich; die Furcht, entlassen zu werden, die Furcht vor der Brotlosigkeit treibt sie, trotz ihrer Schwäche, trotz ihrer Schmerzen in die Fabrik; das Interesse des Fabrikanten leidet es nicht, daß seine Arbeiter krankheitswegen zu Hause bleiben, sie dürfen nicht krank werden, sie dürfen sich nicht unterstehen, ins Wochenbett zu kommen - sonst müßte er ja seine Maschinen stillsetzen oder seinen allerhöchsten Kopf mit der Einrichtung einer temporären Abänderung plagen; und ehe er das tut, entläßt er seine Leute, wenn sie sich unterfangen, unwohl zu sein. Hört (Cowell, evid. p. 77):

"Ein Mädchen fühlt sich sehr krank, kann kaum ihre Arbeit tun. - Warum sie nicht um Erlaubnis frage, nach Hause zu gehen? - Ach, Herr, der "Herr" ist sehr eigen darin, wenn wir einen Vierteltag abwesend sind, so riskieren wir, weggeschickt zu werden."

Oder (Sir D. Barry, evid. p. 44): Thomas MacDurt, Arbeiter, hat gelindes Fieber,

"kann nicht zu Hause bleiben, wenigstens nicht länger als vier Tage, weil er sonst fürchten muß, seine Arbeit zu verlieren."

Und so geht es in fast allen Fabriken. Die Arbeit junger Mädchen bringt in der Entwicklungsperiode derselben noch eine Menge sonstiger Unregelmäßigkeiten hervor. Bei einigen, besonders den bessergenährten, treibt die Hitze der Fabriken die Entwicklung rascher voran als gewöhnlich, so daß einzelne Mädchen von 12 bis 14 Jahren vollkommen ausgebildet sind; Roberton, der schon erwähnte, wie der Fabrikbericht sagt, "eminente" Geburtshelfer in Manchester, erzählt im "North of England Medical and Surgical Journal", daß ihm ein elfjähriges Mädchen vorgekommen, die nicht nur ein vollkommen ausgebildetes Weib, sondern sogar schwanger gewesen sei und daß es gar nichts Seltnes in Manchester sei, wenn Frauenzimmer von 15 Jahren niederkämen. In solchen Fällen wirkt die Wärme der Fabriken gerade wie die Hitze tropischer Klimate, und wie in solchen Klimaten rächt sich die übermäßig frühe Entwicklung auch durch früh eintretendes Alter und Erschlaffung. Oft jedoch findet sich eine zurückgehaltene sexuale Entwicklung des weiblichen Körpers; die Brüste bilden sich spät oder gar nicht aus, wovon Cowell, p. 35, Beispiele gibt, die Menstruation tritt in vielen Fällen erst mit dem siebzehnten oder achtzehnten, zuweilen erst mit dem zwanzigsten Jahre ein und bleibt oft ganz aus (Dr. Hawkins, evid. p. 11, Dr. Loudon, p. 14 etc., Sir D. Barry, p. 5 etc.). Unregelmäßige Menstruation, mit vielen Schmerzen und Übeln verbunden, namentlich Bleichsucht ist sehr häufig, worüber die medizinischen Berichte einstimmig sind.

Die von solchen Frauen, besonders wenn sie während der Schwangerschaft arbeiten müssen, gebornen Kinder können nicht stark sein. Im Gegenteil, namentlich von Manchester aus werden sie im Bericht als sehr schwächlich geschildert, und nur Barry behauptet, daß sie gesund seien sagt aber auch, daß in Schottland, wo er inspizierte, fast gar keine verheirateten Frauen arbeiteten; dazu liegen die meisten Fabriken dort, mit Ausnahme von Glasgow, auf dem Lande, und das trägt sehr viel zur Stärkung der Kinder bei. Die Arbeiterkinder in der nächsten Umgebung von Manchester sind fast alle blühend und frisch, während sie in der Stadt bleich und skrofulös aussehen: aber mit dem neunten Jahre verliert sich die Farbe plötzlich, weil sie dann in die Fabrik geschickt werden, und bald kann man sie nicht mehr von Stadtkindern unterscheiden.


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