Wirkung der Maschinerie

 

Wenn wir jetzt auf die einzelnen wichtigeren Zweige des englischen Industrieproletariats näher eingehen sollen, so werden wir, dem oben (S. 253) aufgestellten Prinzip zufolge, mit den Fabrikarbeitern, d.h. denen, die unter dem Fabrikakt stehen, anzufangen haben. Dies Gesetz reguliert die Arbeitszeit der Fabriken, in denen Wolle, Seide, Baumwolle und Flachs mit Hülfe von Wasser- oder Dampfkraft gesponnen oder gewoben wird, und erstreckt sich deshalb auf die bedeutendsten Zweige der englischen Industrie. Die von ihnen lebende Klasse ist die zahlreichste, älteste, intelligenteste und energischste, daher aber auch die unruhigste und der Bourgeoisie am meisten verhaßte von allen englischen Arbeitern; sie steht, und speziell die Baumwollfabrikarbeiter stehen an der Spitze der Arbeiterbewegung, wie ihre Brotherren, die Fabrikanten, namentlich von Lancashire, an der Spitze der Bourgeoisie-Agitation.

Wir sahen schon in der Einleitung, wie die in den genannten Artikeln arbeitende Bevölkerung auch zuerst durch neue Maschinen aus ihren bisherigen Verhältnissen gerissen wurde. Es darf uns daher nicht wundern, wenn der Fortschritt der mechanischen Erfindung auch in späteren Jahren gerade sie am meisten und anhaltendsten berührte. Die Geschichte der Baumwollenfabrikation, wie wir sie bei Ure,1) Baines 2) u.a. lesen, weiß auf jeder Seite von neuen Verbesserungen zu erzählen, und in den übrigen der genannten Industriezweige sind die meisten derselben ebenfalls eingebürgert worden. Fast überall ist die Handarbeit durch Maschinenarbeit ersetzt, fast alle Manipulationen werden durch die Kraft des Wassers oder Dampfs getan, und noch jedes Jahr bringt neue Verbesserungen.

In einem geordneten sozialen Zustande wären solche Verbesserungen nur erfreulich; im Zustande des Kriegs Aller gegen Alle reißen einzelne den Vorteil an sich und bringen dadurch die meisten um die Mittel der Existenz. Jede Verbesserung der Maschinerie wirft Arbeiter außer Brot, und je bedeutender die Verbesserung, desto zahlreicher die arbeitslos gewordene Klasse; jede bringt demnach auf eine Anzahl Arbeiter die Wirkung einer Handelskrisis hervor, erzeugt Not, Elend und Verbrechen. Nehmen wir einige Beispiele. Da gleich die erste Erfindung, die Jenny (siehe oben), von einem Arbeiter getrieben, wenigstens das Sechsfache von dem lieferte, was das Spinnrad in gleicher Zeit machen konnte, so wurden durch jede neue Jenny fünf Spinner brotlos. Die Throstle, die wiederum bedeutend mehr lieferte, als die Jenny und ebenfalls nur einen Arbeiter brauchte, machte noch mehr brotlos. Die Mule, die wieder weniger Arbeiter im Verhältnis zum Produkt hatte, hatte dieselbe Wirkung, und jede Verbesserung der Mule, d.h. jede Vermehrung der Spindelzahl an der Mule, verminderte wiederum die Zahl der benötigten Arbeiter. Diese Vermehrung der Spindelzahl an der Mule ist aber so bedeutend, daß dadurch ganze Scharen von Arbeitern brotlos geworden sind; denn wenn früher ein "Spinner" mit ein paar Kindern (piecers) 600 Spindeln in Bewegung setzte, so konnte er nun 1 400 bis 2 000 Spindeln auf zwei Mules beaufsichtigen - zwei erwachsene Spinner und ein Teil der von ihnen beschäftigten Piecer wurden dadurch brotlos. Und seitdem bei einem sehr bedeutenden Teile der Mulespinnereien die self-actors eingeführt sind, fällt die Rolle des Spinners ganz weg und wird von der Maschine getan. Mir liegt ein Buch vor,3) das von dem anerkannten Führer der Chartisten in Manchester, James Leach, herrührt. Der Mann hat in verschiedenen Industriezweigen, in Fabriken und Kohlenbergwerken jahrelang gearbeitet und ist mir persönlich als brav, zuverlässig und tüchtig bekannt. Ihm standen, seiner Parteistellung zufolge, die ausgedehntesten Details über die verschiedenen Fabriken, die von den Arbeitern selbst gesammelt wurden, zu Gebote, und er gibt nun Tabellen, aus denen hervorgeht, daß 1829 in 35 Fabriken 1 083 Mulespinner mehr angestellt waren als 1841, obwohl die Anzahl der Spindeln in diesen 35 Fabriken sich um 99 429 vermehrt hat. Er führt 5 Fabriken auf, in denen gar keine Spinner mehr sind, da diese Fabriken nur self-actors besitzen. Während die Zahl der Spindeln sich um 10 Prozent vermehrte, nahm die der Spinner um mehr als 60 Prozent ab. Und, fügt Leach hinzu, seit 1841 sind soviele Verbesserungen durch Verdopplung der Spindelreihen (double decking) und sonst eingeführt worden, daß in einigen der genannten Fabriken seit 1841 wieder die Hälfte der Spinner entlassen worden sind; in einer Fabrik allein, wo vor kurzem 80 Spinner waren, sind noch 20, die übrigen sind weggeschickt oder müssen Kinderarbeit für Kinderlohn tun. Gleiches berichtet Leach aus Stockport, wo 1835 800 Spinner und 1843 nur 140 Spinner beschäftigt gewesen seien, obwohl die Industrie Stockports in den letzten 8 bis 9 Jahren bedeutend zugenommen hat. In der Kardiermaschinerie sind jetzt ähnliche Verbesserungen gemacht, wodurch die Hälfte der Arbeiter brotlos wird. In einer Fabrik sind verbesserte Doublierstühle aufgesetzt, die von acht Mädchen vier brotlos machten - außerdem setzte der Fabrikant den Lohn der übrigen vier von 8 auf 7 sh. herab. Ähnlich ist es mit der Weberei gegangen. Der mechanische Webstuhl hat einen Zweig der Handweberei nach dem andern in Beschlag genommen, und da er viel mehr produziert als der Handwebstuhl und ein Arbeiter zwei mechanische Stühle beaufsichtigen kann, so sind eine Menge Arbeiter auch hier brotlos geworden. Und in allen Arten der Fabrikation, in der Flachs- und Wollenspinnerei, beim Tramieren der Seide ist es ebenso; selbst der mechanische Webstuhl fängt an, einzelne Zweige der Wollen- und Leinenweberei an sich zu reißen; in Rochdale allein sind mehr mechanische als Handwebstühle bei der Flanell- und sonstigen Wollenweberei beschäftigt. Die Bourgeoisie pflegt hierauf zu antworten, daß Verbesserungen in den Maschinen, indem sie die Produktionskosten verringerten, die fertige Ware zu einem niedrigeren Preise liefern und daß durch diesen niedrigeren Preis eine solche Vermehrung der Konsumtion entsteht, daß die brotlos gewordenen Arbeiter bald wieder an den neuerstehenden Fabriken Beschäftigung vollauf fänden. Gewiß, die Bourgeoisie hat ganz recht darin, daß unter gewissen, für die allgemeine industrielle Entwicklung vorteilhaften Verhältnissen jede Preiserniedrigung einer solchen Ware, bei der das rohe Material wenig kostet, die Konsumtion sehr steigert und neue Fabriken hervorruft; aber sonst ist jedes Wort ihrer Behauptung eine Lüge. Sie schlägt es für nichts an, daß es jahrelang dauert, bis diese Folgen der Preiserniedrigung eingetreten, bis die neuen Fabriken gebaut sind; sie verschweigt uns, daß alle Verbesserungen der Maschinen die eigentliche, anstrengende Arbeit mehr und mehr auf die Maschine werfen und so die Arbeit erwachsener Männer in eine bloße Aufsicht verwandeln, die ein schwaches Weib oder gar ein Kind ebensogut tun kann und auch für halben oder Drittellohn tut; daß also die erwachsenen Männer immer mehr aus der Industrie verdrängt und durch die vermehrte Fabrikation nicht wieder beschäftigt werden; sie verschweigt uns, daß ganze Arbeitszweige dadurch wegfallen oder so verändert werden, daß sie neu gelernt werden müssen, und hütet sich wohl, hier das zu gestehen, worauf sie sonst pocht, wenn die Arbeit kleiner Kinder verboten werden soll - nämlich daß Fabrikarbeit in der frühesten Jugend und vor dem zehnten Jahre gelernt werden müsse, um sie ordentlich zu lernen (vgl. z.B. Factories Inq. Comm. Rept. an verschiedenen Stellen); sie sagt nicht dabei, daß der Prozeß der Maschinenverbesserung fortwährend vor sich geht und dem Arbeiter, sobald er sich, wenn es einmal wirklich der Fall wäre, in einem neuen Arbeitszweige eingebürgert hat, ihm auch dieser wieder genommen und dadurch der letzte Rest von Sicherheit der Lebensstellung entrissen wird, den er noch hatte. Aber die Bourgeoisie zieht den Vorteil von der Verbesserung der Maschinerie, sie hat während der ersten Jahre, wo noch viele alte Maschinen arbeiten und die Verbesserung noch nicht allgemein durchgeführt ist, die schönste Gelegenheit zum Geldanhäufen, und es wäre zuviel verlangt, wenn sie auch für die Nachteile der verbesserten Maschinen Augen haben sollte.

 


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