Umkehrung aller Familienverhältnisse


In vielen Fällen wird die Familie durch das Arbeiten der Frau nicht ganz aufgelöst, sondern auf den Kopf gestellt. Die Frau ernährt die Familie, der Mann sitzt zu Hause, verwahrt die Kinder, kehrt die Stuben und kocht. Dieser Fall kommt sehr, sehr häufig vor; in Manchester allein ließe sich manches Hundert solcher Männer, die zu häuslichen Arbeiten verdammt sind, zusammenbringen. Man kann sich denken, welche gerechte Entrüstung diese tatsächliche Kastration bei den Arbeitern hervorruft und welche Umkehrung aller Verhältnisse der Familie, während doch die übrigen gesellschaftlichen Verhältnisse dieselben bleiben, dadurch entsteht. Mir liegt ein Brief eines englischen Arbeiters, Robert Pounder, Baron's Buildings, Woodhouse Moor-Side, in Leeds (die Bourgeoisie mag ihn da aufsuchen, um ihretwillen geb' ich die genaue Adresse), vor, den dieser an Oastler richtete, und dessen Naivität ich nur halb wiedergeben kann; die Orthographie läßt sich allenfalls, der Yorkshirer Dialekt aber gar nicht im Deutschen nachmachen. Er erzählt darin, wie ein anderer Arbeiter seiner Bekanntschaft einmal auf einer Wanderung, um Arbeit zu suchen, in St. Helens in Lancashire einen alten Freund getroffen habe.

"Nun, Herr, er fand ihn, und als er zu seiner Baracke kam, was war es, denkt Ihr, nun ein feuchter niedriger Keller, die Beschreibung, die er von den Möbeln gab, war wie folgt - zwei alte Stühle, ein runder 3Beiniger tisch eine Kiste Kein bett aber ein Hauffen Altes Stro in einem Eck mit ein paar schmuttzige bet Tücher oben drauf un 2 stücke Holtz an das Kamien Und als mein Arme freund herein ging da sas der Arme jack Am feuer auff das Holz und Was taht Er denckt Ir? Er sas und Stoppfte seiner frau Ire strümfe mit der Stopf Natel und sobalt Er Sein alten Freund an den Tür-Posten Sahe, Versugte Er es zu Verberrgen Aber Joe so Heist Mein bekanter Hatte es Dog geseeen und Sachte jack Zum Teuffel was Magst Du doch wo Ist deine frau waß ist Daß deine Arbeid der Arme jack Schämde sig Und Sagde nein Ig weis daß Ist nig Mein arbbeid abber mein arme FFrau Is in der fabrikk sie mus Um 1/2 6 ur gen Und Arbeid biß 8 ur Abentz und Sieh ist so Ab Das Sie Nigtz Duhn Can Wen sie nag Hauße Komd so Mus ig alLes Führ Ir Duhn Waß ich Can Den ig hab Kein arBeid und Kein Gehapd Zeid Meer alz 3 Jar Und Ig krich Mein leeben Kein meer, und Dan Weinette Er ein Dike trehne nein Joe Sagte er Es ist arbeid Gnucht vor weibsLeute Und kindern Hir Inn der Gegent Aber Kein vor mannsLeut du Kanst eer Hunderd Fundt Auff der strase Finden Altz arbeid aber Ig Hette nig Geglaubed Das du Oderr Sonst jemandt mir Geseeen Hette Das ig Meiner frau Ire strümffe Stopde, Den es ist Schlegte arbeid Aber Sieh Can beiNa nig Meer auff Ire füse Steeen ig Bin Bange Sie wirt Gans Kranck Und Dan weis Ig nig Was sol Auß unz Werden Den sieh Ist schoon lange Der man Im hauß Geweßen. Und ig Die frau es Ist Schlime Arbeid joe Und weinde Biterlig Und Sagte es Ist nigt Imer soo Gewessen Nein Jack Sagte Joe Und Wen du Hast Kein arbeid Gehabt al Die zeid Wie hast du dir Am leben Erhalden ig wil dir Sagen Joe So gud alz Es gink Aber Es gink schlegt Gnucht du Weist alz Ig Heiratete Da Hate ig arbeid Gnucht Und du Weist ig Wahr Nicht Faul nein Daß warest du Nigt. -.und Wihr Haten ein Gutes Meblirtes Hauß Und Mary Braugte nicht zu arbeidn ig Konte Vor untz beiden Arbeidn aber Jetzd ist Die verKehrte weld Mary Muß arbeidn Und ig Mus Hirbleibben Die kinder ferwaren Und Keren und Waaschen Baken Und fliken Den wen Die arme frau Nag hauße Komd am abent Dan Ist Sieh müde Und Kapput du Weist joe Daß Ist Hard vor einem Der Anders Gewond wahr joe Sagte. Ja junge Et is Hard Und Dan fienk Jack Wider ahn Zu weinen Und Er Wolde er Hete ni GeHeirad Und were Ni GeBoren aber Er hete nig Gedagd Altz er Die Mary Heiratten Das es Ihm So Ergeen werde. ig Hab offt Gnugt Drüber GeHeult Sagde Der jack nun herr Altz Joe Daß Hörete Sagde Er Mich Das Er Hätte Verflugd Und verDamd Die fabriken Und die Fabrikkandn und Die Regirung Mit allen flügen Die Er von jugent Auff in Der fabrikk Gelernd Hate."

Kann man sich einen verrückteren, unsinnigeren Zustand denken, als den in diesem Brief geschilderten? Und doch ist dieser Zustand, der den Mann entmannt und dem Weibe seine Weiblichkeit nimmt, ohne imstande zu sein, dem Manne wirkliche Weiblichkeit und dem Weibe wirkliche Männlichkeit zu geben, dieser, beide Geschlechter und in ihnen die Menschheit aufs schändlichste entwürdigende Zustand die letzte Folge unserer hochgelobten Zivilisation, das letzte Resultat aller der Anstrengungen, die Hunderte von Generationen zur Verbesserung ihrer eignen Lage und der ihrer Nachkommen gemacht haben! Wir müssen entweder an der Menschheit und ihrem Wollen und Laufen geradezu verzweifeln, wenn wir alle unsre Mühe und Arbeit in den Resultaten selbst so zum Kinderspott gemacht sehen, oder wir müssen zugeben, daß die menschliche Gesellschaft ihr Glück bisher auf einem falschen Wege gesucht hat; wir müssen zugeben, daß eine so totale Umkehrung der Stellung der Geschlechter nur daher kommen kann, daß die Geschlechter von Anfang an falsch gegeneinandergestellt worden sind. Ist die Herrschaft der Frau über den Mann, wie sie durch das Fabriksystem notwendig hervorgerufen wird, unmenschlich, so muß auch die ursprüngliche Herrschaft des Mannes über die Frau unmenschlich sein. Kann jetzt die Frau, wie früher der Mann, seine Herrschaft darauf basieren, daß sie das meiste, ja alles in die Gütergemeinschaft der Familie legt, so folgt notwendig, daß diese Gütergemeinschaft keine wahre, vernünftige ist, weil ein Familienglied noch auf den größeren Betrag der Einlage pocht. Wird die Familie der jetzigen Gesellschaft aufgelöst, so zeigt sich eben in dieser Auflösung, daß im Grunde nicht die Familienliebe, sondern das in der verkehrten Gütergemeinschaft notwendig konservierte Privatinteresse das haltende Band der Familie war.8) Dasselbe Verhältnis findet auch wohl bei den Kindern statt, die ihre arbeitslosen Eltern unterhalten, wenn sie nicht, wie oben erwähnt, den Eltern Kostgeld geben. Dr. Hawkins bezeugt im Fabrikbericht, daß dies Verhältnis oft genug vorkommt, und es ist in Manchester überhaupt notorisch. Wie die Frau, so sind in diesem Fall die Kinder die Herren im Haus, wovon Lord Ashley in seiner Rede (Unterhaussitzung vom 15. März 1844) ein Beispiel gibt. Ein Mann schalt seine beiden Töchter aus, weil sie in einem Wirtshaus gewesen waren, und diese erklärten, sie seien das Regiertwerden leid: Damn you, we have you to keep, und wollten dann auch etwas von ihrer Arbeit haben; sie zogen aus dem elterlichen Hause und überließen Vater und Mutter ihrem Schicksal.

Die unverheirateten Frauenzimmer, die in Fabriken aufwachsen, sind nicht besser dran als die verheirateten. Es versteht sich ganz von selbst, daß ein Mädchen, das seit dem neunten Jahre in der Fabrik gearbeitet hat, nicht imstande war, sich mit häuslichen Arbeiten bekannt zu machen, und daher kommt es, daß alle Fabrikarbeiterinnen darin gänzlich unerfahren und durchaus nicht zu Hausfrauen geeignet sind. Sie können nicht nähen und stricken, kochen oder waschen, sie sind mit den gewöhnlichsten Verrichtungen einer Hausfrau unbekannt, und wie sie mit kleinen Kindern umzugehen haben, davon wissen sie vollends gar nichts. Der Bericht der Fact. Inq. Comm. gibt Dutzende von Beispielen für diese Tatsache, und Dr. Hawkins, der Kommissär für Lancashire, spricht seine Ansicht folgendermaßen aus (p. 4 des Berichts):

"Die Mädchen heiraten früh und unüberlegt, sie haben weder die Mittel noch die Zeit, noch die Gelegenheit, die gewöhnlichen Pflichten des häuslichen Lebens zu lernen, und wenn sie alles das hätten, so wurden sie in der Ehe keine Zeit zur Ausübung dieser Pflichten haben. Die Mutter ist von ihrem Kinde über zwölf Stunden täglich abwesend; das Kind wird von einem Mädchen oder einer alten Frau, der es vermietet wird, verwahrt; dazu ist nur zu oft die Wohnung der Fabrikleute kein heimatlich Haus (home), oft ein Keller, der kein Koch- oder Waschgerät, nichts zum Nähen und Ausbessern enthält, dem alles fehlt, was das Leben angenehm und zivilisiert und den heimischen Herd anziehend machen könnte. Ich kann nach diesen und andern Gründen, besonders um der größeren Lebenschancen für kleine Kinder willen, nur wünschen und hoffen, daß eine Zeit kommen möge, in der die verheirateten Frauen von den Fabriken ausgeschlossen sind."

Einzelne Beispiele und Aussagen vgl. Fact. Inq. Comm. Report, Cowell, evid. p. 37, 38, 39, 72, 77, 50. Tufnell, evid. p. 9, 15, 45, 54 etc.

 

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8) Wie zahlreich die in Fabriken arbeitenden verheirateten Frauen sind, geht aus einer von den Fabrikanten selbst gemachten Angabe hervor: In 412 Fabriken in Lancashire arbeiteten ihrer 10 721; von ihren Männern hatten nur 5 314 gleichfalls in Fabriken Arbeit, 3 927 waren sonst beschäftigt, 821 arbeitslos und über 659 fehlten die Notizen. Also auf jede Fabrik durchschnittlich zwei, wo nicht gar drei Männer, die von ihrer Frauen Arbeit leben.


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