Trugschluß
Trugschluß (gr. sophisma) heißt ein formal unrichtiger Schluß, der mit der Absicht, einen anderen zu täuschen, gemacht wird, während Fehlschluß (Paralogismus) einen falschen Schluß bezeichnet, bei dem wir uns wider Willen selbst täuschen. Beide beruhen auf Fehlern in der Begriffsvergleichung (Vgl. Schluß) oder auf Mehrdeutigkeit ein und desselben Begriffs, besonders des Mittelbegriffs. Zu jenen gehören: der Schluß mit negativem Untersatz in der ersten Figur, mit affirmativen Prämissen in der zweiten, mit allgemeinem Schlußsätze in der dritten Figur und der Schluß vom Folgesatz auf den vorhergehenden bei kategorischer und hypothetischer Schlußform. Die Fehler der zweiten Art teilte schon Aristoteles. ein in solche secundum dictionem (para tên lexin) und extra. dictionem (exô tês lexeôs). Zu jenen rechnet man die, welche beruhen a) auf Homonymie (Verwechslung verschiedener Bedeutungen desselben Wortes), b) auf Prosodie (Verwechslung ähnlich klingender, aber anders akzentuierter Worte), c) auf Amphibolie (Mißdeutung doppelsinniger syntaktischer Formen), d) auf Verwechslung verschiedener Flexionsformen und Redeteile. Beispiele sind: zu a) Ein Arzt erklärt, einen Erschlagenen habe der Schlag getroffen, b) Ein Weib nur zu besitzen ist seiner Leidenschaft Ziel. c) 5 ist 2 und 3, also zugleich gerade und ungerade, d) In Platons „Gorgias“ steht: „Hast du einen Hund? – Ja. Hat er Junge? Ja. – Ist er der Vater der Jungen? Ja. Also dein Hund ein Vater und dein Vater ein Hund!“ Außerdem zählt Aristoteles noch. sieben Arten von Begriffsverwechslungen (extra dictionem) auf: 1. Fallacia ex accidente (para to symbebêkos), Verwechslung des Merkmals, z.B.: Nicht wahr, Phädon ist nicht Sokrates? Nein. – Aber Phädon ist doch ein Mensch? Ja. – Und Sokrates doch auch? Ja. – So ist also Phädon doch Sokrates. 2. Fallacia a dicto secundum quid ad dictum. simpliciter (to hapolôs ê mê haplôs), wenn Nebenbestimmungen übersehen oder verwechselt werden. Vgl. z.B. den „Verhüllten“ des Eubulides und den Sorites. 3. Ignoratio elenchi (hê tou elenchou agnoia), d.h. die Nichtbeachtung des Widerspruches. 4. Fallacia consequentis (para to epomenon), der bejahende Schluß von der Folge auf den Grund. 5. Petitio principii (para to en archê lambanein), bei welcher der Schlußsatz schon in den Prämissen vorausgesetzt wird. 6. Fallacia de non causa ut causa (to mê aition hôs aition tithenai), d.h. Annahme eines falschen Erklärungsgrundes, wie bei falschen Hypothesen. 7. Fallacia plurium interrogationum (to ta pleiô erôtêmata hen poiein), die verfängliche Verbindung mehrerer Fragen, z.B. : Sind die Planeten näher an der Erde oder weiter von ihr als die Sonne? Alle Trugschlüsse der zweiten Art enthalten eine mehr oder minder versteckte Quaternio terminorum (Vierzahl von Hauptbegriffen) oder einen Sprung im Schließen (saltus in concludendo). Merkwürdigerweise sind manche Sophismen dieser Art von den Alten für unauflöslich gehalten worden, z.B. der Krokodilschluß und der Lügner, über den der Stoiker Chrysippos sechs verschiedene Bücher geschrieben und Philetas sich zu Tode studiert haben soll. Dieses Sophisma des Eubulides lautet: Wenn jemand sagt, er lüge eben jetzt, lügt ein solcher, oder sagt er die Wahrheit? Oder: Alle Kreter sind Lügner. Du, der du das sagst, bist aber selbst ein Kreter, also hast du gelogen, also sind nicht alle Kreter Lügner usw. Ähnlich ist der Satz: Keine Regel ohne Ausnahme – dieser ist selbst eine Regel, folglich hat auch er Ausnahmen, folglich gibt es eine Regel ohne Ausnahme. – Vgl. Aristoteles’ Schrift peri tôn sophistikôn elenchôn. . Cajus, Antibarbarus Logicus. 1851.