Denkgesetze Tautologien
Ist mir im vorigen Abschnitt der Nachweis gelungen, dass der Satz vom zureichenden Grunde, das heißt der Begriff der Notwendigkeit nur in der Wirklichkeitswelt gilt oder doch von uns in sie hineingelegt werden muß, dass es aber in unserem Denken ein Folgen aus Gründen, eine logische Notwendigkeit, gar nicht gibt, so ist es fast überflüssig, im einzelnen nachzuweisen, dass die viel genannten Denkgesetze nur ebenso viele Tautologien sind, die unteren Gesetze des Schließens ebenso wie die obersten Denkgesetze. Will man aber bei der Zerstörung eines alten Baues etwas Tüchtiges lernen, so wird es sich immer empfehlen, ihn Stein für Stein abzutragen.
Über Fassung und Anordnung der obersten Denkgesetze herrscht in der Schullogik eine unerfreuliche Verwirrung. Nach dem Herkommen zählt man ihrer vier auf, darunter aber auch ganz unlogisch den Satz vom Grunde selbst, der doch die anderen als generaloberstes Denkgesetz umfassen muß. Mit dem Satz vom Grunde aber sind wir hoffentlich eben fertig geworden; wir wollen seine Unterarten, die übrig gebliebenen drei verhältnismäßig obersten Denkgesetze, vorurteilslos, aber in der "Erwartung" betrachten, dass sie sich in wohlklingende Tautologien auflösen werden.
Vorher aber noch eine Bemerkung: der Satz vom Grunde soll, nach der üblichen Lehre, die Notwendigkeit aussagen, mit der ein Urteil aus irgendwelchen anderen Denkelementen folge. Wir wissen nun, dass diese Notwendigkeit nur ein anderer Ausdruck sei für die ärmliche Tatsache, dass ein bestimmter Begriff eben nur die Erinnerung an bestimmte Sinneseindrücke bezeichne, also unmöglich, das heißt nach Sprachgebrauch unmöglich, andere Erinnerungen bezeichnen könne. Die obersten Denkgesetze nun sind womöglich noch armseliger. An sie ist nicht einmal der sprachliche Zwang geknüpft, sondern sie ziehen nur die äußerste Grenze, bis zu der ein Satz überhaupt möglich, das heißt denkbar ist. Da aber "denkbar" hier nur so viel ist wie "aussprechbar", "sagbar", so könnten wir die obersten Denkgesetze recht gut auch die obersten Sprachgesetze nennen, solche Gesetze nämlich, welche sich auf ihrer luftigen Höhe zur Sprache verhalten wie das "Sein" zu der Wirklichkeit, wie Nichts zu Etwas. Man hat freilich zwischen Denkbarkeit und Sagbarkeit, also zwischen Logik und Grammatik, immer einen Unterschied finden wollen; aber was für den Grammatiker richtig ist, ist auch für den Logiker richtig, solange man nicht nach der Wahrheit fragt, das ist: nach der Übereinstimmung mit den Sinnesempfindungen.
Die drei obersten Denkgesetze aber heißen heute noch genau so wie im Mittelalter: 1. der Satz der Identität, 2. der Satz des Widerspruchs, 3. der Satz des ausgeschlossenen Dritten. Wir wollen jeden einzeln beim Worte nehmen, um zum Schlüsse zu erkennen, dass zwischen ihnen nur ein Unterschied der Sprachform besteht.