VI. Die Induktion
Deduktion und Induktion
Die Kritik der Sprache führt über die herrschenden Denkformen und aus den herrschenden Denkformen hinaus; die Kritik der Sprache lehrt, dass Logik nie und nimmer zu einer Bereicherung der Erkenntnis führen könne. Unsere Anschauung unterscheidet sich aber darin von der geltenden, die durch Mill theoretisch gelehrt und besonders von englischen Naturforschern bewundert worden ist, dass diese Forscher mehr oder weniger klar höchstens die deduktive Logik, die alte Schullogik, preisgegeben haben, um an ihre Stelle die induktive Logik als ein ebenso unfehlbares Werkzeug der Erkenntnis zu setzen. Wir aber sehen ein, dass die Deduktion wertlos war, weil sie von den Worten hinweg entweder zu den Sinneseindrücken zurück oder völlig ins Leere führte, dass jedoch die Induktion ebenso wertlos ist, weil sie von den Sinneseindrücken hinweg nicht zu Erkenntnissen, sondern nur zu Erinnerungen oder Worten führt. Ich will zur drastischen Darstellung des Sachverhalts ein geistreiches Bild von Whewell benützen und verändern. Die Deduktion gleicht einer Person, welche einen gemalten Nagel an der Wand sieht und ein Bild in wirklichem Rahmen an diesen Nagel hängen möchte; es geht nicht, weil sich an einem gemalten Nagel nur ein gemalter Rahmen befestigen läßt. Die Induktion jedoch gleicht einer Person, welche ein Bild in einem gemalten Rahmen an der Wand sieht und deren Vorstellung sich nicht eher beruhigt, als bis den gemalten Rahmen ein dazu gemalter Nagel festzuhalten scheint. Die Induktion ist psychologisch feiner; doch auch ihre Beruhigung ist ebenso wie die der deduktiven Erkenntnistheorie schließlich nur eine Illusion.
Der gemeinsame Fehler der deduktiven wie der induktiven Logik besteht darin, dass beide in dem untilgbaren Ruhebedürfnis des Menschengeistes sich bei bloßen Worten beruhigen; die Induktion ist insoferne nur zugleich klüger, bescheidener und ärmer, als sie sich früher beruhigt. Das Wort der Menschensprache, das Wort als Merkzeichen für Sinneswahrnehmungen, ist nur der Durchgangspunkt von der Induktion zur Deduktion. Echte und zuverlässige Induktion endet im Worte da, wo das Wort ohne Theorie nur eine Erinnerung sein will; die Deduktion beginnt da, wo die Erinnerung aufhört, wo die Tatsachen vom Worte verlassen werden. Das war so in alter Zeit und ist heute noch so.