Chinarinde
Chinarinde (Cortex Chinae, Cortex peruvianus). Von dieser köstlichen, in frühem Zeiten mit Golde aufgewogenen Rinde findet man in den Apotheken in der Regel drei verschiedene Arten: 1) die China fusca s. officinalis, 2) die China rubra, und 3) die China regia seu flava. Diese letztere gelbe oder Königsrinde ist die billigste und dennoch, namentlich gegen Wechselfieber sehr wirksam; denn sie ist reich an Alkaloiden, an Chinin und Cinchonin, ihren kräftigsten Bestandteilen. Im Allgemeinen wirkt die Chinarinde erregend, den ganzen Körper stärkend, das Nervenleben, wie das Blutleben betätigend und somit auch fäulniswidrig, der fauligen Zersetzung in bösartigen Sumpffiebern kräftig entgegen. Sie ist auch in allen sogenannten Nervenleiden, welche periodisch auftreten: gegen solches nervöses Kopfweh, solchen Gesichts- und Lendenschmerz, selbst gegen Epilepsie, Veitstanz etc. ein bedeutendes Mittel, dessen richtige Anwendung von Seiten des Arztes viel Scharfsinn, praktischen Takt und feines Nuancieren erfordert, soll anders das Resultat glücklich sein. Es ist daher zu tadeln, wenn Nichtärzte, wie dieses häufig zur Zeit, als in Deutschland die Wechselfieber herrschten, der Fall war, sich selbst oder Andere in kranken Tagen ohne Genehmigung eines Arztes die Chinarinde oder deren Präparate verordnen. Auch ist’s gar nicht gleichgültig oder einerlei, ob in konkreten Fällen die China in Substanz, in Pulverform, oder ob sie als Infusum, Dekokt, Extrakt, Tinktur, Alkaloid gereicht wird.
Die China passt vorzugsweise bei wahrer Schwäche in Folge überstandener schwerer Krankheiten, bei Nerven- und Faulfiebern im zweiten Stadium, bei danieder liegender Lebenskraft, wo schwächende Schweiße, solche Blutungen, stinkender Urin und Stuhlgang, braunschwarzer rußiger Zungen-, Zähne- und Lippenbeleg etc. sichtbar sind, — ferner bei allen Zehrfiebern in Folge großen Säfteverlustes, starker Eiterungen, heftiger und anhaltender Blutungen, krankhafter Pollutionen, der Schleimschwindsucht mit bedeutendem Auswurf; — endlich ist sie das Hauptmittel, die Rückfälle des Wechselfiebers zu verhüten, so wie dagegen das schwefelsaure Chinin (Chininum sulphuricum) das Hauptmittel ist, das Fieber selbst zu vertreiben. Das eine kann das andere hier nicht entbehrlich machen oder vollkommen ersetzen; denn im Chinin sind nicht alle wirksamen Bestandteile der China enthalten.
Unzweckmäßig und nachteilig ist der Gebrauch der China bei Unreinigkeiten des Magens und der Gedärme, wo die Zunge sehr belegt, der Geschmack fade und bitter, der Appetit gering, Ekel vor Speisen, zumal Fleischkost, Druck in der Herzgrube, Leibschmerz etc. vorhanden ist. Hier muss dem Wechselfieberkranken vor dem Gebrauch der China ein Brechmittel verordnet werden. Auch jungen vollblütigen Leuten, Männern mit Unterleibsbeschwerden, Stockungen in Leber, Milz, im Pfortadersysteme, Hypochonder, Personen mit habitueller Leibesverstopfung, mit Anlage zum Schlagfluss, mit organischen Fehlern des Herzens und der großen Gefäße, in hitzigen Fiebern, echten Entzündungen, aktiven Blutungen, so wie bei echter Vollblütigkeit passt die China nicht. Auch ist dieses der Fall, wenn sie Magendrücken, Übelkeit, Leibweh, Erbrechen, Durchfall oder Leibesverstopfung, Kopfweh, Schwindel, Angst, Herzklopfen etc. verursacht.
Unter den Präparaten der China wird von den Ärzten am meisten gegen Wechselfieber das schwefelsaure Chinin verordnet. Eben so wirksam ist aber das Chinoidin, welches Serturner entdeckte, das besonders wegen seiner Wohlfeilheit bei Armen zu empfehlen ist, z. B.:
Nr. 57. Nimm: Chinoidin, zwölf Gran, Alkohol, ein Lot. Dosis: In der fieberfreien Zeit alle 1—2 Stunden 20—30 Tropfen mit Wein.
Ein köstliches Magenmittel und kräftiges Roborans und Stimulans, was unmittelbar ante et post coitum genommen, die Potenz hebt, ist die Tinctura Chinae compositum auch Elixir roborans Rob. Whyttii genannt. Sie besteht aus folgenden Teilen:
Nr. 58. Nimm: braune Chinarinde, sechs Lot, Enzianwurzel und Pomeranzenschalen, von jedem zwei Lot, guten Spiritus Vini zwei ein halb Pfund, einfaches Zimtwasser, zwölf Lot. Das Ganze digeriert man zwei Tage in der Wärme und koliert das Flüssige. Man nimmt zwei- bis dreimal täglich 30—60 Tropfen mit Wein. Bei sehr reizbaren Personen macht das Mittel oft Blutwallung und Herzklopfen. Hier bekommt die einfache Chinatinktur (Tinctura Chinae simplex) d. i. China fusca, fünf Unzen, Spiritus Vini, zwei Pfund, besser. Der Gebrauch und die Dosis ist dieselbe, wie bei der zusammengesetzten Chinatinktur. — Ein sehr schöner Trank für schwache Personen, Wiedergenesene etc. ist der sogenannte Chinawein, wovon täglich zwei- bis dreimal ein halbes Weinglas voll getrunken wird. Man bereitet ihn so, dass auf vier Lot Königschina eine Flasche guter alter Wein genommen und 24 Stunden in der Wärme digeriert wird.