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Chlorwasser

Chlorwasser (Aqua oxymuriatica, Aqua chlori). Das flüssige Chlor ist eine Verbindung von Chlorgas und Wasser. Es wirkt dem im Wasser aufgelösten Chlorkalk ähnlich, doch gelinder. — Unsere Damen kennen dasselbe als Mittel gegen Sonnenbrand, Sommersprossen und Leberflecke, wenn man es als Waschwasser jeden Abend vor dem Schlafengehen benutzt. Es ist auch unter dem Namen Bleichwasser auf den Apotheken zu bekommen, und ist ein bekanntes Mittel zur Vertilgung verschiedenartiger Flecke aus der Wäsche. Doch greift es letztere, eben so wie die Chlorkalkauflösung — wenn sie nicht sehr schwach ist, — und wie Tennant’s Bleichpulver (der Mann erfand zu diesem technischen Zweck im Jahre 1798 den Chlorkalk), bedeutend an, und solche Leinewand hält nur kurze Zeit. — In hitzigen, bösartigen Ausschlagsfiebern: Scharlach, Masern, Blattern, Hospitalfiebern, Abdominaltyphus, wo die Kranken brennende, trockne Hitze, Angst, Raserei oder auch stete Schlummersucht, Ohnmachten, kalte klebrige Schweiße, rußigen braunschwarzen Zungen-, Zähne- und Lippenbeleg haben, sind Waschungen mit Chlorwasser und frischem, kalten Brunnen- oder Flusswasser zu gleichen Teilen oft allein noch das Leben rettend. Eine gute Krankenwärterin ist hier aber durchaus nötig. Das Gesicht (die Augen ausgenommen), der Hals, die Brust, so wie die Ober- und Unterarme werden alle halbe zu halbe Stunden mittelst eines großen Schwamms, der in das Chlorwasser getunkt worden, gut angefeuchtet, ohne die Teile abzutrocknen. Ist die trockne Hitze sehr stark, die Hauttemperatur, wie im Scharlach, sehr gesteigert, so wasche man den Kranken alle fünf Minuten damit, bis Ruhe und sanfter Schlaf folgen. — Am wirksamsten sind diese Waschungen, wenn man sie jedesmal frisch bereitet, anwendet. Man verschafft sich aus der Apotheke eine Flasche Chlorwasser, in einer dunkeln Flasche befindlich, gut zugekorkt und vor den Einflüssen des Lichts und der Luft wohl geschützt. Man nimmt nun eine Obertasse voll frischgeschöpftes, kaltes Wasser, gießt eben so viel Chorwasser hinzu und beginnt sogleich das Waschen. In schlimmen Fällen von Scharlach, Faul- und Fleckfieber etc. kann man auch mit unverdünntem Chlorwasser waschen lassen. Letzteres leistet als äußerliches Mittel auch gegen chronische Nesselsucht, Flechten, Kopfgrind, gegen alte Reste von sekundärer oder tertiärer Syphilis, die sich als Knötchan, Papeln und Pusteln auf der Haut zeigen und nach der Heilung alle vier bis acht Wochen aufs Neue sich einstellen und schmutzig graue, kupferfarbige Flecke hinterlassen, — selbst gegen Leberstockungen gute Dienste.

Ein wohlgenährter vollsaftiger Knabe von ein ein halb Jahren litt sehr am Zähnausbruch. Er bekam fürchterliche Krämpfe (Eclampsia, Zahnkrämpfe, Scheuerchen, Gichten etc. in verschiedenen Gegenden Deutschlands so genannt). Blutegel an den Hals, Klistiere, ableitende Mittel, gelinde purgierende, auf den Darmkanal wirkende Mittel etc. wurden vergeblich angewandt, — die Krampfanfälle kehrten alle sechs bis zehn Minuten zurück und drohten dem zarten Leben des Kindes ein Ende zu machen. Da worden die Chlorwaschungen (flüssiges Chlor und kaltes Wasser) verordnet, von der betrübten Mutter alle fünf Minuten pünktlich angewandt; — das entkleidete Kind lag in der Wiege nur leicht zugedeckt, um die Waschungen an der Vorderseite des ganzen Körpers, also auch an den Armen und Beinen, ohne das schädliche An- und Auskleiden nötig zu haben, rasch verrichten zu können. — Nach Verlauf von anderthalb Stunden wurde das Kind ruhiger, die Krämpfe hatten nachgelassen, zeigten sich nicht wieder, — es trat ruhiger Schlaf mit wohltätigem Schweiß ein, — die Waschungen wurden eingestellt, und das Kind erwachte munter und wohl, bekam nun die Augenzähne leicht und ohne jene schlimmen Zufälle und ist jetzt zu einem muntern, kräftigen Knaben herangewachsen.