Goldrute
Goldrute, Heiden-Goldrute (Solidago virga aurea). Der berühmte sei. Dr. Heim in Berlin lobt den Tee von dieser Pflanze gegen den Nierenstein. Peter Frank (Epitom. L. VI. 1811 p. 538) führt den Aufguss der Heiden-Goldrute schon als ein Mittel der donischen Kosacken gegen Steinplage auf. Osiander (l. c. p. 208—219) teilt gegen Harnverhaltung, Gries und Stein 50 Hausmittel in seiner Schrift mit. Mehrere derselben sind als solche berühmt, die den Stein auflösen, abtreiben und die Neigung zu neuer Steinbildung verhüten, daher sie wohl auch von Ärzten mehr Beachtung verdienten; andere sind nur Palliative zur Linderung der periodisch eintretenden heftigen Schmerzen und solcher Harnverhaltung. Wir führen hier folgende spezieller an: 1) Manche Steinkranke können ihren Urin nicht im Liegen lassen. Sie müssen sich dann vorwärts gebückt auf die Knie legen oder sich auf den Nachtstuhl, auf den Abtritt setzen, und der Urin wird augenblicklich fließen. 2) Ein abführendes Klistier aus Kamillentee, Öl und Salz befördert den Harnabgang, indem es konsentuell den Blasenhals erschlafft. 3) Bei der Harnverhaltung der Wöchnerinnen rät Osiander warme Bähungen der Geschlechtsteile an, indem man eine in warmes Wasser getauchte Serviette auflegt. Ich kann zu gleichem Zweck warmen Flieder- und Kamillentee empfehlen. 4) Männer können den Harnfluss durch Eintauchen des Penis in kaltes Wasser bei zurückgezogener Vorhaut oft befördern. Rührt die Harnverhaltung vom Genuss frischen Biers her, so empfiehlt P. Frank, mit nacktem Hintern auf einen kalten Stein sich zu setzen. Leiden alte Männer am Schwerharnen, so hilft oft das Waschen des Kopfs, vorzüglich des Hinterkopfs, mit kaltem Wasser. — Ebenso bewirkten, nach Osiander, kalte Umschläge auf die Fußsohlen hei einem, am Schenkelbruch danieder liegenden Manne endlich die Harnausleerung, nachdem gegen die furchtbare Harnverhaltung Aderlass, innerlich und äußerlich krampfstillende Mittel etc. vergebens angewendet worden waren. Der Kranke konnte auch in gesunden Tagen, im Bette liegend, sein Wasser nicht lassen. 5) Ein Mann litt an Nierenschmerzen mit vollkommener Harnverhaltung, wogegen Aderlass, Blutegel, Schröpfen, Bäder etc. vergebens angewendet worden waren. Es trat Erbrechen und Schluchzen ein. Nun versuchte man den Katheter zu applizieren, aber umsonst. Da riet Jemand dem Kranken, aufzustehen, nackt, mit bloßen Füßen, im Zimmer, dessen Estrich mit kaltem Wasser begossen war, umherzugehen, und die Nierengegend und Lenden mit in Brunnenwasser getauchten Tüchern peitschen zu lassen. Eine halbe Stunde, nachdem diese einfachen Mittel in Anwendung gebracht waren, kam Drang zum Harnen und kopiöser Urinabgang, wonach der Kranke sich vollkommen erholte. 6) Ein bengalisches Volksmittel ist gegen Blasenschmerzen sehr wirksam; es besteht darin, dass der Kranke einige Esslöffel voll Öl mit Wasser verschluckt. In Deutschland und Frankreich gibt man statt dessen Mandelöl oder eine Emulsion von Mandeln oder weißem Mohnsamen. 7) Kleine Kinder im ersten Lebensjahre bekommen nach Erkältung oft Harnverhaltung, wogegen ich als ein sehr wirksames Hausmittel einen Teelöffel voll gestoßenem Hanfsamen (Semen Cannabis) mit einer halben Obertasse kochenden Wassers übergossen, von einer hiesigen alten Dame habe kennen lernen. Man lässt den Tee warm, mit Zucker versetzt, trinken. Osiander (a. a. O. S. 211) fand in solchen Fällen eine Tasse warmen Mohnkopftee nützlich. 8) In Fällen, wo wegen Strikturen der Katheter bei Männern nicht anzubringen ist, oder kein solches Instrument zur Hand wäre, hat man den Rat gegeben: durch Saugen (Luftverdünnung) den Abfluss des Urins zu befördern. Man soll das Glied mit nasser Leinwand umwickeln, darüber ein Arzneiglas mit durchbrochenem Boden stecken, und an der Mündung des Glases saugen lassen. — (Hennemann in Hufeland’s Journal 1823. Mai.) 9) Heister rät zur Beförderung der Harnausleerung eine noch heiße Zwiebel auf die Schossgegend zn legen, Fr. Hoffmann einen Trank aus Brennnesselsamen (Semen Urticae urentis) und blauen Kornblumen (Centaureu Cyanus); hier in Rostock lobt man als Hausmittel den Immortellentee (Flores Stoechados citrini, von Gnaphalium arenarium L.) gegen jedes Harnbrennen oder Schwerharnen, es mag Erkältung oder eine andere Ursache zum Grunde liegen. 10) Die Lappländer trinken dagegen geschmolzenes Seehundsfett. Um aber Gries und kleine Blasensteine auszuführen, ist nichts besser, als kaltes Wasser in Menge getrunken, auch Wildunger Sauerwasser, daneben warme Bäder und erweichende Klistiere. (Osiander.) 11) Das Mineralwasser von Recoara in der Lombardei und die alkalischen Quellen zu Vichy in Frankreich sind neuester Zeit in besondern Ruf gekommen, Kranke, wenn sie eine Zeit lang dieselben getrunken, vom Stein zu befreien. Das harte, eine außerordentliche Menge Pfannenstein beim Kochen absetzende Trinkwasser von Göttingen, wurde schon in älteren Zeiten als Schutzmittel gegen den Blasenstein angesehen. In der Tat ist diese Krankheit sowohl in der Stadt, als in der Umgegend von Göttingen beinahe unerhört. (Osiander.)
Der letztere Autor bemerkt auch, dass in China und Japan Steinkrankheit und Gicht äußerst selten vorkommen, was man dem beständigen Genuss des Tees zuschreibt. Es scheint auch — sagt er (a. a. O. S. 213), dass in Europa allgemein die Steinkrankheit in neuerer Zeit seltener geworden ist; ein glückliches Ereignis, welches man höchst wahrscheinlich, sowohl der größeren Mäßigkeit im Weintrinken, als vorzüglich den oft und schwerbeschuldigten Getränken des Tees und Kaffees, zuzuschreiben hat. — Bekanntlich ist der Genuss eines jungen, sauren Weines und Mostes viel Schuld an der Erzeugung des Steins; daher das häufige Vorkommen in den Rheingegenden, in Frankreich etc. Aber auch in Norddeutschland erregt der junge Graveswein, so wie der Teneriffa, leicht Steinbeschwerden, zumal wenn man daneben viel holländischen Käse isst. Zwei Kranke der Art habe ich gekannt, welche sich allein dadurch heilten, dass sie dem Wein- und Käsegenuss gänzlich entsagten, und dagegen viel Rostocker Bier tranken. Osiander erteilt dem Radolfshäuser Bier, welches in Göttingen einst viel getrunken wurde, dasselbe Lob. 12) Das Seeleben scheint als Mittel gegen Gries und Stein angesehen werden zu können. Nach Osiander kömmt bei der englischen Marine fast kein Fall der Art vor. Dagegen ist der Aufenthalt in der Nähe der Seeküsten schädlich, insofern der schnelle Wetterwechsel hier öfters Gelegenheit zu Erkältungen und Rheumatismus, häufig also auch Gelegenheit zu Ursachen der Steinbildung abgibt. Die besten diätetischen Schutz- und Heilmittel bleiben: tägliche Bewegung in freier Luft, Massigkeit im Essen und Trinken (halbe Portionen, kein Frühstück, keine warme Abendmahlzeiten), — im Frühlinge häufiger Genuss von Erdbeeren, Kirschen und anderen Sommerfrüchten, auch eine Molkenkur, daneben der tägliche Genuss von Honig. — Ein Göttinger Volksmittel gegen Gries und daher rührende Urinverhaltung ist: der Hagebuttensame, mit Wasser abgekocht, getrunken. Osiander sind zwei Fälle bekannt, wo dieser Trank alten, an Gicht- und Harnbeschwerden leidenden Männern gute Dienste leistete. Auch ein Tee von trocknen Pfirsichblättern, von den Blättern des Mandelbaumes, von Wacholderbeeren, Karottensamen und Equisetum, von den Blättern der sogenannten Alpenrose (Rhododendrum ferrugineum), eine Abkochung des Juncus pilosus L., der Wurzel des Wiesenschilfs (Arundo phragmites), von Heidelbeerblättern (Vaccinium Myrtillus), so wie der Absud der Aridrosace lactea sind bekannte Volksmittel gegen Steinplage; doch müssen sie Wochen lang täglich gebraucht werden. Hier in Mecklenburg rühmt man besonders eine Abkochung des sogenannten Hasengeils oder Hasenbrans (Spartium Seoparium L.), der an und in den Gräben der Kornfelder allenthalben wild wächst und gelbe Blumen hat. 13) Der Arzt Friedrich Hoffmann (Hufeland’s Journal 1821, Januar) rät gegen Anlage zum Stein an, des Morgens drei bis vier Stück bittere Mandeln zu essen. Sie führen — sagt er — den Gries aus. — Um die Schmerzen beim Herabsteigen der Nierensteine zur Blase zu lindern, fand ein Kranker nichts dienlicher, als das Belegen des Rückens und Kreuzes mit brennend heißen Tüchern. Sobald er einen Anfall von Nierenkolik fühlte, machten ihm die Seinigen über der Glutpfanne eigens dazu vorrätige Tücher heiß, womit sie ihm den untern Teil des Rückens belegten (s. Osiander l. c. p. 217). Leidet nur eine Niere an der Steinkrankheit, was am häufigsten vorkommt, so findet man, dass der Kranke über heftige Schmerzen klagt, während sein Urin sehr klar ist, er sich aber erleichtert fühlt, wenn viel Schleim mit dem Urin abgeht. Im ersten Fall ist der Harnleiter der leidenden Seite gänzlich durch den Stein verstopft und der klare Harn kommt von der gesunden Niere. Hieraus entsteht für den Kranken keine Gefahr, wohl aber, wenn auch der andere Harnleiter durch einen Stein verstopft worden. Hier folgt gewöhnlich nach sechs bis acht Tagen unvermeidlich der Tod. (Crosse.)