Kamillenblumen
Kamillenblumen (Flores Chamomillae). Es gibt wohl kein Haus- und Volksmittel, welches häufiger in Anwendung käme, als die Blumen der gemeinen Kamille oder des Kamillen-Mutterkrauts (Malricaria Chamomilla L). Innerlich dienen sie, als Tee warm getrunken, gegen die Anfälle von Hysterie, nervösem Magenkrampf, solcher Kolik, bei eintretendem Froste im Wechselfieber, — ja mancher arme Kranke hat durch starken Kamillentee, kalt den Tag über getrunken, ganz allein sich von letztgenannter Krankheit befreit. Auch gegen die Nachwehen bei Wöchnerinnen ist das Mittel im Ruf. Äußerlich gebraucht man die Kamillenblumen zu Injektionen, Augen- und Mundwassern, zu Klistieren (s. d.), zu Bähungen, Streupulvern und Umschlägen, vorzüglich gegen unreine, faulige, brandige Geschwüre, stinkende alte Fußgeschwüre, zu Kräutersäckchen bei Rose. — Das etwas teure Kamillenöl (Oleum Chamomillae aethereum seu simplex) kann man durch das eben so wirksame krampfstillende Oleum Chamomillae citratum, welches viel wohlfeiler ist, ersetzen. Man gibt gegen Krampf- und Blähungskolik, so wie gegen hysterische Anfälle sechs bis zehn Tropfen auf Zucker. Darneben dienen Einreibungen des Leibes mit den gekochten Ölen von Kamillen- und Bilsenkraut zu gleichen Teilen. Für Hysterische sind bei den Vorboten der Anfälle: Druck in der Herzgrube, Gefühl von Angst, Aufgetriebenheit des Leibes, Flatulenz etc. folgende Tropfen, welche viele solche Damen stets vorrätig halten, sehr zu empfehlen:
Nr. 94. Nimm: Destilliertes Kamillenöl, zehn Tropfen, Kümmel- und Fenchelöl, von jedem 20 Tropfen, Pfefferminzöl, fünf Tropfen, Hoffmanns-Liquor, ein Lot. Die Dosis ist 25—30 Tropfen alle Viertel- bis Halbestunde auf Zucker, und warmen Kamillentee nachgetrunken, bis sich die Beschwerden gelegt haben.
Ein sehr wirksames Mittel gegen krampfhafte Beschwerden der Harn- und Geschlechtsorgane, verbunden oft mit den heftigsten Schmerzen, Stuhlzwang etc. ist folgendes: Man nehme Kamillen- und Fliederblumen, von jedem eine Handvoll, brühe sie mit kochendem Wasser an und stelle das Gefäß mit ihnen in einen Nachtstuhl, so dass der Kranke, indem er sich darauf setzt, den warmen Dampf davon an die leidenden Teile ziehen lässt. —
Die römischen Kamillenblumen (Flores Chamomillae romanae, von Anthemis nobilis L.), sind nicht so bitter, aber flüchtiger, als die von der gemeinen Kamille. Eine Abkochung davon ist ein Volksmittel gegen Bauchwassersucht. Bei frischen katarrhalischen und rheumatischen Augenentzündungen, wo in der Regel alle Augenwasser, alle fettige und feuchte Mittel schaden, sind die römischen Kamillen den gemeinen Kamillenblumen (in Kräutersäckchen angewandt und mit gleichen Teilen Krausemünz- und Fliederblumen vermischt), vorzuziehen.