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Hotelunwesen

Wenn es nach der Zahl der Kongresse ginge, dann müßten die deutschen Hotels in der Welt voran sein. Sie werden in der letzten Zeit auch sehr von den Zeitungen ermuntert, die, dem Inserat nicht abhold, manches für die Zivilisation auf Reisen getan haben. (Daß man besonders der ungastlichen und in dieser Beziehung recht scheußlichen Mark Brandenburg einmal auf den Leib rückt, ist gradezu ein Verdienst.) Aber die Zeitung kann nicht immer, wie sie will – denn was so ein Syndikus von »Interessenverbänden« sich alles ausdenkt, um seine Existenznotwendigkeit zu beweisen, das wissen die Betroffenen und scheuen das Feuer. Nun wollen wir mal.

Zwei dicke Beschwerden sind gegen die Hotels vorzubringen – und ich frage mich, ob denn Hoteliers nie reisen, ob sie das nicht sehen – wo denn die »Fachmannschaft« bleibt, ohne die hierzulande kein Vogel vom Dach lacht (l wie Max).

Erster Punkt:

Wer ein Hotel baut, muß es solider bauen als ein gewöhnliches Mietshaus, weil mehr Menschen darin wohnen, umhergehen, sprechen, Feste feiern, Koffer rücken. Wer ein altes Hotel zu eigen hat, soll wenigstens das Allernötigste tun, um den Lärm zu dämpfen. Fast alle Hotels sind zu laut.

Warum muß man sich eigentlich mit dem Mann erheben oder aufwachen, der am frühesten aufsteht? Wozu hat jedes Zimmer zwei, meist nicht gepolsterte Verbindungstüren? Warum sind die Decken dünn, die Fußböden ohne guten Belag, warum das alles, wenn doch in den bessern Häusern recht erhebliche Preise gefordert werden? Doppeltüren allein machen es nicht, wenn die Wände aus hauchdünnem und lärmdurchlässigem Rabitz bestehen. Man schläft nicht nur im Hotel – man wohnt auch da. Und möchte Ruhe haben, die mit »Rücksichtnahme« nicht zu erzielen ist. Menschen sind keine Filzkaninchen.

Der Lärm im Korridor, der Lärm des Aufzugs – das ist noch nicht so peinigend wie der Lärm des Nebenmannes, der sich den Rachen gurgelt, und vor allem wie der Lärm der Musik, ohne die kein größeres Hotel mehr auszukommen meint. Dieser ruhestörende Lärm, der andeutet, dass da »etwas los ist«, und der gleichzeitig den Alkoholkonsum hebt, an dem der Wirt am meisten verdient –: dieser Lärm sollte wenigstens für die Gäste auf den Zimmern nicht zu hören sein. Bei Irving Berlin! was muß man da alles hören! Das ist nicht schön.

Zweiter Punkt:

Es gilt als ganz besonders fein, »Zimmer mit Bad« zu haben – aber wer das nicht bezahlen kann, findet zunächst einmal, auch in den feinsten Hotels, so gut wie nichts, worin er sich die müden Füße waschen kann. Ich weiß schon: im Bidet. Ganz abgesehen davon, dass wir doch feine Herren sind – manchmal ist jedoch dieser sehr sympathische Einrichtungsgegenstand schon übervölkert – und dann? Im Zahnwasserglas? In der Blumenvase? Reisen Hoteliers nicht? An eine andre Möglichkeit mag ich gar nicht denken.

Wenn schon aber keine Fußbadewanne und kein Bad: da habe ich hier in Dänemark etwas Vorzügliches gesehn, das mir neu war. Es gibt dort Zimmer mit Brausebad: das ist ein kleiner Raum mit Ablauföffnung und Steinfußboden, wo man sich brausen kann. Das Hotel hat also die durch Multiplikation gewiß nicht billige Wanneneinrichtung gespart. Das erscheint mir nachahmenswert. Besonders im Sommer ist der Reisende reichlich zufrieden, wenn er sich warm, lau und kalt bebrausen kann. Das habe ich noch in keinem deutschen Hotel gesehen.

Weil das Leben zu gut acht Zehnteln aus Äußerlichkeiten besteht, dünkt es mir erlaubt, auch über diese zu sprechen. Würden die Deutschen nicht von allen Faktoren des öffentlichen Daseins systematisch ob ihrer Größe, ihrer Tüchtigkeit, ihrem Organisationstalent besoffen gemacht – sie machten die Augen auf und lernten. Denn an fremdem Wesen ist Deutschland schon oft genesen.

Peter Panter
Die Weltbühne, 16.08.1927, Nr. 33, S. 269.