Bonifazio, Veneziano, aus Venedig, ein tüchtiger Meister der venezianischen Schule, muss von einem ändern Maler dieses Namens aus Verona, der, wie jener, in Venedig arbeitete und 1553 starb, von dessen Leben und Werken aber nichts Sicheres bekannt ist, unterschieden werden. Das früheste bekannte Gemälde des Obigen ist mit der Jahrszahl 1530, das späteste mit 1563 bezeichnet, sein künstlerisches Wirken fällt also in diese Zeit. Über seine Lebensumstände findet sich übrigens eben so wenig Zuverlässiges als über jenem. Einige halten ihn für einen Schüler des älteren Palmai, Andere glauben, dass er in Tizian's Schule gegangen; jedenfalls gibt er sich in seinen, in großer Anzahl hinterlassenen Werken als einen guten Nachahmer des letzteren kund, so dass von Bonifazio manches Gemälde herrühren dürfte, das in Galerien und im Handel für Tizian ausgegeben wird. So zahlreich aber seine Bilder Bonini — Bonnefond. 167 sind, so sehr sind sie beinahe auch an Wert verschieden. Man sieht ausgezeichnete und minder gute von ihm, ja nicht selten solche, die sich nicht über die Mittelmäßigkeit erheben. In seinen Darstellungen von Heiligen oder heiligen Familien erscheint er insgemein am Bedeutendsten. Man findet in ihnen ein tiefes religiöses Gefühl, Schönheit der Gesichtszüge, Milde des Ausdrucks, einfache und majestätische Würde der Haltung und eine Kraft, Durchsichtigkeit und Harmonie der Farben, die ungemein anziehen. In größeren Kompositionen dagegen fehlt ihm die durchgreifende Energie des Geistes und der Gesamttechnik, die Tizian in so hohem Grade besessen; allein auch in ihnen, namentlich in seinen Darstellungen aus der biblischen Geschichte erfreut er durch die naive Auffassung, durch eine Menge feiner, der Natur in ihrer Ruhe und in ihren Leidenschaften abgelauschten Züge und eine Fülle anmutiger Gestalten, wie durch die reizende weltlich-novellistische Behandlung. Venedig, der Hauptschauplatz seiner künstlerischen Tätigkeit, ist sehr reich an Bildern von ihm. So befindet sich u. A. in der Akadamie daselbst: das Gastmahl des reichen Mannes, ein höchst anziehendes Novellenbild; zwei prächtige Glutbilder: eine Anbetung der Könige in schöner Landschaft und eine Madonna mit beiden Kindern und vier Heiligen ; der Heiland auf dem Throne von Heiligen umgeben (mit der Jahrszahl 1530); die Heiligen Barnabas und Sylvester (mit der Jahrszahl 1562); die Ehebrecherin und mehrere andere Einzelfiguren von Heiligen; im Palast Manfrini: eine große Madonna mit Heiligen, und zwei Bilder, deren Inhalt die sog. Tafel des Cebes bildet, Allegorien; in S. Angelo Raffaele: ein Abendmahl; in S. M. Mater Domini: ein Abendmahl; in der Abbazia, Cap. hinter der Sakristei; zwei schöne Apostelfiguren; in S. Giovanni e Paolo: ein geharnischter Erzengel Michael; Christus an der Tafel des Pharisäers; die h. h. Paulus, Nikolaus und ein Märtyrer (mit der Jahrszahl 1563). — Außerhalb Venedigs sind bemerkenswert, im Museum zu Berlin: Christus und die Ehebrecherin (mit der Jahrszahl 1552); in England: eine heil. Familie in einer Landschaft (aus der besten Zeit des Meisters), in der Bildersammlung des Hrn. Beckford zu Bath; die Rückkehr des verlorenen Sohns, - im Schlosse zu Alton Tower (ein Hauptbild des Meisters); der heil. Hieronymus in der Wüste, in der Bildersammlung zu Lutonhouse; zu Florenz: Christus unter den Schriftgelehrten, im Palazzo Pitti; zu Genua: eine Anbetung der Könige, im Palazzo Brignole; in der Galerie zu Modena: die Gestalten von vier Tugenden; im Louvre zu Paris: Maria mit dem Kinde, dem kleinen Johannes und Heiligen; die Aufer-weckung des Lazarus; Maria mit dem Kinde und Heiligen; mehrere Bilder im Museum der bildenden Künste zu Stuttgart; in der k. k. Galerie zu Wien: die h. h. Hieronymus und Jacobus; die h. h. Hieronymus und Johannes; die h. h. Franziskus und Andreas; Maria, die himmlische Botschaft erwartend und die Verkündigung.