Zurückweichen. (Malerei) Es geschieht oft, dass in einem Gemälde die entfernten Gegenstände sich nicht hinlänglich entfernen oder nicht genug zurückweichen, ob gleich der Maler in Zeichnung und Farben der entfernten Gegenstände alles getan zu haben glaubt, was die Regeln hierüber fordern.1 Der Fehler liegt allgemein in den Farben und in Licht und Schatten der nächsten Gegenstände oder des Vorgrundes, und dessen, was darauf steht. In diesem Falle muss das Zurückweichen der entfernten Gegenstände durch nähere Bearbeitung der vorliegenden erhalten werden. Denn, wenn man machen kann, dass das vordere dem Auge näher zu kommen scheint, so wird auch das hintere bloß dadurch zurückweichen . Dieses Hervortreten oder Herannäheren der vordersten Gegenstände, wodurch das Zurückweichen der hinteren erhalten wird, muss durch dreierlei Mittel bewirkt werden, durch ausführlichere Zeichnung, durch bestimtere Farben und durch stärkeres Licht und Schatten. Dann je näher uns ein Gegenstand ist, je genauer unterscheiden wir jede Kleinigkeit in seiner Zeichnung, je lebhafter und bestimmter unterscheiden wir die Farbe jeder Stelle und jeden Wiederschein und eben so viel heller scheint jedes Licht und dunkler jeder Schatten.
Diese drei Mittel muss der Maler versuchen, um das Zurückweichen der entfernten Gegenstände zu erhalten. Findet er aber, dass die genaueste Befolgung der Regeln in Absicht auf diese Punkte die gesuchte Wirkung noch nicht hervorbringen; so kann er daraus abnehmen, dass der Fehler in den eigentümlichen Farben der nähern Gegenstände liege. Es gibt Farben, die ohne Rücksicht auf ihre Stärke und Schwäche, von anderen daneben liegenden, weit mehr abstechen als andere. Da-Vinci hat sehr richtig angemerkt, dass zwei hintereinander liegende Gegenstände, deren eigentümliche Farben von einerlei Art sind, sich weit weniger von einander entfernen als wenn ihre Farben verschiedenem Ton haben. So ist es z. B weit schwerer, wo grün gegen grün steht, das Zurückweichen zu erhalten als wo die Farben verschiedener Art sind, wie wenn rot gegen gelb gesetzt wird.
Darum muss der Maler sich befleißigen, die Wirkung der Farben besonders in Absicht auf das zurückweichen, genau zu beobachten. Alles andre, was zur Haltung gehört, kann durch Theorie gelernt werden; aber dieser Punkt hängt allein von der Erfahrung ab. Man kann dem Künstler hierüber nichts nützlicheres sagen als dass man ihm ein fleißiges und überlegtes Lesen der vortreflichen Beobachtungen empfiehlt, die da Vinci nach sich gelassen hat. Dadurch wird er nicht nur überhaupt von dem Nutzen, den dergleichen Beobachtungen haben, überzeugt werden, sondern zugleich lernen, sein Auge unaufhörlich darin zu üben, dass ihm von allem, was die Erfahrung in Beobachtung der Natur an die Hand geben kann, nichts entgehe.
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1 S. Haltung.