1 [56]
Warum gieng das Drama der Griechen nicht aus von der dargestellten Epik?
Wichtigst. Die Handlung kam in die Tragödie erst mit dem Dialog. Dies zeigt, wie es in dieser Kunstart von vornherein gar nicht abgesehn war auf das dran: sondern auf das paJoV. Es war zunächst nichts als objektive Lyrik, d. h. ein Lied aus dem Zustande bestimmter mythologischer Wesen heraus, daher auch im Kostüm derselben. Zuerst gaben sie selbst den Grund ihrer lyrischen Stimmungen an: später trat eine Person heraus: hierdurch konnte man einen Kyklus von Chorliedern in eine stoffliche Einheit bringen. Die heraustretende Person erzählte die Hauptaktionen: bei jedem wichtigen erzählten Ereigniß erfolgte der lyrische Ausbruch. Diese Person wurde nun ebenfalls kostümirt: und als Herr des Chors gedacht, als Gott, der seine Thaten erzählt. Also
Liedercyklen für Chor, mit verbindender Erzählung: dies der Ursprung des griechischen Drama’s.
Der kunstgerecht componirte Zug, das prosodion: hat dies nicht einen Einfluß auf das Drama? Nur daß der Zuschauer kein begleitender, sondern ein sitzender ist? Vielleicht ist die Komödie daraus entstanden, vielleicht auch die Tragödie: der Sinn ist: immer neue Gruppen mit neuen Liedern, das Ganze aber doch eine Einheit, eine Geschichte darstellend. Man vergleiche die Darstellungen auf Basreliefs.
Vorausgesetzt für solche maskirte Züge die Allgemeinverständlichkeit der Grundlage, des mythischen Stoffs.
1 [57]
Zum Satyrspiel. Nachspiele, ein- oder zweiaktig, sind bei den Franzosen gebräuchlich. So auch die kleinen Farcen des Garrick. Hamlet, sagt Rapp, ist beinahe eine Parodie des antiken Dramas (Orestie).
1 [58]
Als Grundmangel des Griechenthums charakterisirt Shakespeare in Troilus und Cressida die noch nicht erstarkten sittlichen Gewalten.
1 [59]
Die Zeit des Euripides ist die der Götterdämmerung. er hat ein Gefühl davon.
Er wendet sich energisch gegen das delphische Orakel und die Wahrhaftigkeit des Apollo.
Die Bacchen an der Hofbühne des Archelaus aufgeführt.
1 [60]
Die Römer sahen lange Zeit den Schauspielen stehend zu: das Sitzen galt als Verweichlichung.
1 [61]
Das Grab des Euripides wurde vom Blitz getroffen, d. h. das Darinliegende ist ein Liebling der Götter, die Stätte heilig.
1 [62]
„Die Kunst nicht für den privaten Genuß, nach antiker Auffassung: sie hat ihre Stelle in den Agonen und ist zur Ergötzung von vielen da. Das richtende Publikum zieht den Künstler herab.” Euripides ist der ungewöhnliche Versuch, gegen den Strom zu schwimmen und seinen Lauf umzuändern. Der Philosoph konnte seine Werke der Zeit widmen: der Dichter des Musikdrama’s mußte auf die Gegenwart rechnen.
1 [63]
trilogia zeigt eine ältere Stufe: eine Verbindung des epischen Rhapsodenthums und der Lyrik. Dreimal trat der Rhapsode auf: und erzählte eine große Vergangenheit. Er alternirte mit dem Chor, der die lyrischen Momente feierte. Wichtig ist, daß der Rhapsode des Epos im Kostüm auftrat: später auch auf dem Theater.
1 [64]
Passende Schlußworte für Euripides (Plat. Phaedr. 245, Schleiermacher): „die dritte Eingeistung und Wahnsinnigkeit von den Musen ergreift eine zarte und heilig geschonte Seele aufregend und befeuernd, und in festlichen Gesängen und andern Werken der Dichtkunst tausend Thaten der Vorfahren ausschminkend bildet sie die Nachkommen. Wer aber ohne diesen Wahnsinn der Musen in den Vorhallen der Dichtkunst sich einfindet, meinend er könne durch Kunst allein genug ein Dichter werden, ein solcher ist selbst ungeweiht, und auch seine, des Verständigen, Dichtung wird von der des Wahnsinnigen verdunkelt.”
1 [65]
Nach Aristoteles hat die Wissenschaft nichts mit dem Enthusiasmus zu thun, da man sich auf diese ungewöhnliche Kraft nicht verlassen kann: das Kunstwerk ist Erzeugniß der Kunsteinsicht bei gehöriger Künstlernatur. Spießbürgerei!