Eine Entdeckung
»Ein Zufall hat uns ein Bändchen von Gedichten zugeführt, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Ja, es scheinen sogar alle Spuren verwischt worden zu sein, die auf den Verfasser hindeuten könnten, denn nicht nur sein Name, sondern auch der Verlag bleibt ungenannt. »Kling-Klang aus verschiedenen Zeiten. Meinen geliebten Eltern zugeeignet von Eugenie. Weihnachten 1911«, das ist alles, was die Titelinschrift sagt.
Trotzdem ist es der Neuen Freien Presse gelungen.
Ein Teil der Gedichte trägt tatsächlich einen familären Charakter und ist den Eltern und sonstigen Verwandten gewidmet. Andere Gedichte entspringen den Natureindrücken, die auf verschiedenen Reisen gewonnen wurden, bei denen der Weg nach Karersee, Sistiana, in die Dauphiné, nach Paris, nach St. Moritz, in die Berniner Alpen, in die Dolomiten und nach Schloß Pichl führte. Trotz des verborgenen Ursprungs dürfte es für weitere Kreise von Interesse sein, den Namen der Verfasserin zu erfahren. Die Dichterin ist Baronin Eugenie Banhans, geborene Leon- Wernburg, die Gattin des Sektionschefs Baron Banhans.
Sehr schön, aber was haben wir davon, wenn man uns lange Zähne macht, wir stürmen zum Sortimenter und »Nichts da«, sagt er, »das ist nur für den Baron Banhans!«
Das Bändchen tritt in anspruchslosem Gewande auf, wie es dem vornehm bescheidenen Charakter der Autorin entspricht, die ihre Lebensaufgabe darin erblickt, in stiller Zurückgezogenheit Gutes zu stiften und durch ihr tiefes, edles Gemüt ihre Familie zu beglücken. In den Gedichten kommen diese Anlagen voll zum Ausdruck. Das Büchlein repräsentiert ein Stück echter Lyrik in schöner formenreicher Sprache. Die Verfasserin hat damit ihren Eltern und ihrem Gatten, dem zwei tiefempfundene Gedichte gewidmet sind, eine Weihnachtsgabe von dauerndem Werte gegeben …«
Ja aber um Gottes willen, man bekommt doch nicht ohneweiters eine Einladung zu Banhans, wenn man überhaupt nicht verkehrt, und noch dazu zu Weihnachten! Was sind das also für Sachen? Ein schlechter Kerl wie ich bin, hab’ ich jetzt wirklich Gusto bekommen und bin imstande und beschaff’ mir ein Exemplar. Wenn das aber mit der »Lyrik« dann nicht stimmt, so werde ich die Neue Freie Presse zwingen, dieses Wort aus ihrem Maul wieder herauszugeben und zuzusehen, wie sie anders ihren Jourverpflichtungen gerecht wird.
Januar, 1912.