Einteilung

 

 Wie nun Form und Inhalt sich zur Idealität erheben, indem sie die symbolische Architektur und das klassische Ideal der Skulptur verlassen, so entnehmen diese Künste ihren Typus von der romantischen Kunstform, deren Gestaltungsweise sie am angemessensten auszuprägen geschickt sind. Eine Totalität von Künsten aber sind sie, weil das Romantische selbst die in sich konkreteste Form ist.

Die innere Gliederung dieser dritten Sphäre der einzelnen Künste ist folgendermaßen festzustellen.

a) Die erste Kunst, der Skulptur zunächst stehend, ist die Malerei.Sie gebraucht zum Material für ihren Inhalt und dessen Gestaltung die Sichtbarkeit als solche, insofern sich dieselbe zugleich an ihr selbst partikularisiert, d. h. sich zur Farbe fortbestimmt. Das Material der Architektur und Skulptur ist zwar gleichfalls sichtbar und gefärbt, aber es ist nicht wie in der Malerei das Sichtbarmachen als solches, wie das in sich einfache Licht, das an seinem Gegensatz, dem Dunkeln, sich spezifizierend und in Verein mit demselben zur Farbe wird. Diese so in sich subjektivierte und ideellgesetzte Sichtbarkeit bedarf weder des abstrakt mechanischen Massenunterschiedes der schweren Materialität wie in der Architektur noch der Totalität sinnlicher Räumlichkeit, wie die Skulptur dieselbe — wenn auch konzentriert und in organischen Formen — beibehält; sondern die Sichtbarkeit und das Sichtbarmachen der Malerei hat ihre Unterschiede als ideellere, als die Besonderheit der Farben, und befreit die Kunst von der sinnlich-räumlichen Vollständigkeit des Materiellen, indem sie sich auf die Dimension der Fläche beschränkt.

 Auf der anderen Seite gewinnt auch der Inhalt die weiteste Partikularisation. Was in der Menschenbrust als Empfindung, Vorstellung, Zweck Raum gewinnen mag, was sie zur Tat herauszugestalten befähigt ist, all dieses Vielfache kann den bunten Inhalt der Malerei ausmachen. Das ganze Reich der Besonderheit, vom höchsten Gehalt des Geistes bis herunter zum vereinzeltesten Naturgegenstande, erhält seine Stelle. Denn auch die endliche Natur in ihren besonderen Szenen und Erscheinungen kann hier auftreten, wenn nur irgendeine Anspielung auf ein Element des Geistes sie dem Gedanken und der Empfindung näher verschwistert.

 b) Die zweite Kunst, durch welche das Romantische sich verwirklicht, ist der Malerei gegenüber die Musik. Ihr Material, obschon noch sinnlich, geht zu noch tieferer Subjektivität und Besonderung fort. Das Ideellsetzen des Sinnlichen durch die Musik ist nämlich darin zu suchen, daß sie das gleichgültige Auseinander des Raumes, dessen totalen Schein die Malerei noch bestehen läßt und absichtlich erheuchelt, nun gleichfalls aufhebt und in das individuelle Eins des Punktes idealisiert. Als diese Negativität aber ist der Punkt in sich konkret und tätiges Aufheben innerhalb der Materialität, als Bewegung und Erzittern des materiellen Körpers in sich selber in seinem Verhältnis zu sich selbst. Solche beginnende Idealität der Materie, die nicht mehr als räumlich, sondern als zeitliche Idealität erscheint, ist der Ton, das negativ gesetzte Sinnliche, dessen abstrakte Sichtbarkeit sich zur Hörbarkeit umgewandelt hat, indem der Ton das Ideelle gleichsam aus seiner Befangenheit im Materiellen loslöst. Diese erste Innigkeit und Beseelung der Materie gibt das Material für die selbst noch unbestimmte Innigkeit und Seele des Geistes ab und läßt in ihren Klängen das Gemüt mit der ganzen Skala seiner Empfindungen und Leidenschaften klingen und verklingen. In solcher Weise bildet die Musik, wie die Skulptur als das Zentrum zwischen Architektur und den Künsten der romantischen Subjektivität dasteht, den Mittelpunkt wiederum der romantischen Künste und macht den Durchgangspunkt zwischen der abstrakten räumlichen Sinnlichkeit der Malerei und der abstrakten Geistigkeit der Poesie. In sich selbst hat die Musik als Gegensatz der Empfindung und Innerlichkeit, gleich der Architektur, ein verständiges Verhältnis der Quantität sowie die Grundlage einer festen Gesetzmäßigkeit der Töne und deren Zusammenstellung zur Folge.

 c) Was endlich die dritte, geistigste Darstellung der romantischen Kunstform anbetrifft, so haben wir dieselbe in der Poesie zu suchen. Ihre charakteristische Eigentümlichkeit liegt in der Macht, mit welcher sie das sinnliche Element, von dem schon Musik und Malerei die Kunst zu befreien begannen, dem Geiste und seinen Vorstellungen unterwirft. Denn der Ton, das letzte äußere Material der Poesie, ist in ihr nicht mehr die tönende Empfindung selber, sondern ein für sich bedeutungsloses Zeichen, und zwar der in sich konkret gewordenen Vorstellung, nicht aber nur der unbestimmten Empfindung und ihrer Nuancen und Gradationen. Der Ton wird dadurch zum Wort als in sich artikuliertem Laute, dessen Sinn es ist, Vorstellungen und Gedanken zu bezeichnen, indem der in sich negative Punkt, zu welchem die Musik sich fortbewegte, jetzt als der vollendet konkrete Punkt, als Punkt des Geistes, als das selbstbewußte Individuum hervortritt, das aus sich selbst heraus den unendlichen Raum der Vorstellung mit der Zeit des Tons verbindet. Doch ist dies sinnliche Element, das in der Musik noch unmittelbar eins mit der Innerlichkeit war, hier von dem Inhalte des Bewußtseins losgetrennt, während der Geist diesen Inhalt sich für sich und in sich selbst zur Vorstellung bestimmt, zu deren Ausdruck er sich zwar des Tones, doch nur als eines für sich wert- und inhaltlosen Zeichens bedient. Der Ton kann demnach ebensogut auch bloßer Buchstabe sein, denn das Hörbare ist wie das Sichtbare zur bloßen Andeutung des Geistes herabgesunken. Dadurch ist das eigentliche Element poetischer Darstellung die poetische Vorstellung und geistige Veranschaulichung selber, und indem dies Element allen Kunstformen gemeinschaftlich ist, so zieht sich auch die Poesie durch alle hindurch und entwickelt sich selbständig in ihnen. Die Dichtkunst ist die allgemeine Kunst des in sich freigewordenen, nicht an das äußerlich-sinnliche Material zur Realisation gebundenen Geistes, der nur im inneren Raume und der inneren Zeit der Vorstellungen und Empfindungen sich ergeht. Doch gerade auf dieser höchsten Stufe steigt nun die Kunst auch über sich selbst hinaus, indem sie das Element versöhnter Versinnlichung des Geistes verläßt und aus der Poesie der Vorstellung in die Prosa des Denkens hinübertritt.

 

Dies wäre die gegliederte Totalität der besonderen Künste: die äußerliche Kunst der Architektur, die objektive der Skulptur und die subjektive Kunst der Malerei, Musik und Poesie. Man hat zwar noch vielfach andere Einteilungen versucht, denn das Kunstwerk bietet solch einen Reichtum von Seiten dar, daß man, wie es oft geschehen ist, bald diese, bald jene zum Einteilungsgrunde machen kann, — wie z. B. das sinnliche Material. Die Architektur ist dann die Kristallisation, die Skulptur die organische Figuration der Materie in ihrer sinnlich-räumlichen Totalität; die Malerei die gefärbte Fläche und Linie; während in der Musik der Raum überhaupt zu dem in sich erfüllten Punkt der Zeit übergeht; bis das äußere Material endlich in der Poesie ganz zur Wertlosigkeit herabgesetzt ist. Oder man hat diese Unterschiede auch nach ihrer ganz abstrakten Seite der Räumlichkeit und Zeitlichkeit gefaßt. Solche abstrakte Besonderheit aber des Kunstwerks wie das Material läßt sich zwar in seiner Eigentümlichkeit konsequent verfolgen, doch als das letztlich Begründende nicht durchführen, da solche Seite selber aus einem höheren Prinzipe ihren Ursprung herleitet und sich deshalb demselben zu unterwerfen hat.

 Als dies Höhere haben wir die Kunstformen des Symbolischen, Klassischen und Romantischen gesehen, welche die allgemeinen Momente der Idee der Schönheit selber sind.

 Ihr Verhältnis zu den einzelnen Künsten in seiner konkreten Gestalt ist von der Art, daß die Künste das reale Dasein der Kunstformen ausmachen. Denn die symbolische Kunst erlangt ihre gemäßeste Wirklichkeit und größte Anwendung in der Architektur, wo sie ihrem vollständigen Begriff nach waltet und noch nicht zur unorganischen Natur gleichsam einer anderen Kunst herabgesetzt ist; für die klassische Kunstform dagegen ist die Skulptur die unbedingte Realität, während sie die Architektur nur als Umschließendes aufnimmt und Malerei und Musik noch nicht als absolute Formen für ihren Inhalt auszubilden vermag; die romantische Kunstform endlich bemächtigt sich des malerischen und musikalischen Ausdrucks in selbständiger und unbedingter Weise sowie gleichmäßig der poetischen Darstellung; die Poesie aber ist allen Formen des Schönen gemäß und dehnt sich über alle aus, weil ihr eigentliches Element die schöne Phantasie ist und Phantasie für jede Produktion der Schönheit, welcher Form sie auch angehören mag, notwendig ist.

 Was nun also die besonderen Künste in vereinzelten Kunstwerken realisieren, sind dem Begriff nach nur die allgemeinen Formen der sich entfaltenden Idee der Schönheit, als deren äußere Verwirklichung das weite Pantheon der Kunst emporsteigt, dessen Bauherr und Werkmeister der sich selbst erfassende Geist des Schönen ist, das aber die Weltgeschichte erst in ihrer Entwicklung der Jahrtausende vollenden wird.

 


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