Naiv (»naïf« von nativus, durch GELLERT aus dem Französischen ins Deutsche eingeführt): angeboren-natürlich, harmlos-unbefangen, kindlich-vertrauensvoll, unbewußt-unschuldsvoll; unreflektiert, »naives Bewußtsein« (»naiver Realismus«). Nach KANT ist die Naivität »der Ausbruch der der Menschheit ursprünglich natürlichen Aufrichtigkeit wider die zur andern Natur gewordene Verstellungskunst« (Krit. d. Urt. I, § 54). SCHILLER definiert: »Das Naive ist eine Kindlichkeit, wo sie nicht mehr erwartet wird.« Das »Naive der Denkart« verbindet »die kindliche Einfalt mit der kindischen«. Das »Naive der Gesinnung« wird auch poetisch auf die Natur übertragen. Naivität gehört zu jedem wahren Genie. Es gibt eine naive und eine sentimentalische Dichtung; erstere ist mehr objektiv, aus der Natur heraus geschaffen, »klassisch«, letztere mehr Subjektiv, »romantisch« (Üb. naive u. sentimental. Dicht. WW. XII, 115 ff., 121 ff.). - Naiv ist nach KÜLPE, wer »triebartig, d.h. in der Form des unmittelbaren Erlebens, handelt, denkt und empfindet« (Philos. Stud. VII, 394).