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II. [Der Verzicht auf die nicht-geldmäßigen Verwendungen der Geldsubstanz]

 

Es handelt sich hier. um die äußerst wichtige Erscheinung des Objekts mit mehreren Funktionsmöglichkeiten, von denen nur die eine, unter Ausschluß der anderen, verwirklicht werden kann, und um die Frage, wie eben diese verwirklichte in ihrer Bedeutung und ihrem Werte durch das Zurücktreten der übrigen modifiziert wird. Um der gesuchten Einsicht willen, die auf das Nebeneinander verschiedener Möglichkeiten geht, darf man wohl hervorheben, wie das Nacheinander mannigfaltiger Funktionen auf die schließlich die anderen überlebende wirkt. Wenn der reuige Sünder einen höheren Wert für die sittliche Weltordnung haben soll als der Gerechte, der niemals gestrauchelt ist, so zieht die sittliche Höhe jenes solche Bewertung doch nicht aus dem Momente, in dem sie nun wirklich vorhanden ist - denn der ethische Inhalt eben dieses Momentes ist ja vorausgesetztermaßen von der Verfassung des von vornherein Gerechten nicht unterschieden - sondern aus den vorangegangenen, sittlich anders gerichteten, und der Tatsache, daß diese jetzt nicht mehr bestehen. Oder wenn nach starken Hemmungen unserer Tätigkeit, äußerlicher Erzwungenheit ihrer Richtung wieder Freiheit und Selbstbestimmung eintritt, so knüpft sich nun an unser Tun ein spezifisches Wohl- und Wertgefühl, das gar nicht aus den einzelnen Inhalten desselben oder ihrem Erfolge quillt, sondern ausschließlich daraus, daß die Form der Abhängigkeit beseitigt ist: genau dasselbe Tun würde, an eine ununterbrochene Reihe unabhängiger Handlungen sich anschließend, eben dieses Reizes entbehren, der aus dem bloßen Vorbeisein jener früheren Lebensform quillt. Solcher Erfolg des Nichtseienden für das Seiende erscheint etwas modifiziert und unserer speziellen Frage - bei aller inhaltlichen Fremdheit - näher liegend in der Bedeutung, die das unmittelbare Gefühlsleben für das lyrische oder musikalische Kunstwerk besitzt. Denn so sehr Lyrik und Musik auf der Stärke der subjektiven inneren Bewegungen aufgebaut sind, so verlangt ihr Charakter als Kunst doch, daß deren Unmittelbarkeit überwunden werde. Der Rohstoff des Gefühls mit seiner Impulsivität, seiner personalen Beschränktheit, seiner unausgeglichenen Zufälligkeit bildet zwar die Voraussetzung des Kunstwerkes, aber die Reinheit desselben verlangt eine Distanz gegen jenen, eine Erlöstheit von ihm. Das ist ja der ganze Sinn der Kunst, für den Schaffenden wie für den Genießenden, daß sie uns über die Unmittelbarkeit des Verhältnisses zu uns selbst und zur Welt hinaushebe, und ihr Wert hängt daran, daß wir dies hinter uns gelassen haben, daß es als etwas wirkt, was nicht mehr da ist. Und wenn man sagt, es sei doch eben das Nachhallen jenes autochthonen Gefühles, jener ursprünglichsten Erregtheit der Seele, von dem der Reiz des Kunstwerkes lebe, so wird damit gerade zugegeben, daß das Spezifische desselben nicht in demjenigen liegt, was der unmittelbaren und der ästhetischen Form des Gefühlsinhalts gemeinsam ist, sondern in dem neuen Ton, den die letztere insoweit erhält, als die erstere verklungen ist. Und endlich der entschiedenste und allgemeinste Fall dieses Typus, der wegen seiner tiefen Eingebettetheit in unsere fundamentalen Wertungen wenig beachtet wird. Es scheint mir nämlich, als ob eine ungeheure Anzahl von Lebensinhalten, deren Reiz wir genießen, die Höhe desselben dem Umstande verdankt, daß wir um ihretwillen unzählige Chancen anderen Genießens und Uns-Bewährens unausgeschöpft lassen. Nicht nur in dem Aneinander-Vorübergehen der Menschen, ihrem Auseinandergehen nach kurzer Berührung, ja in der völligen Fremdheit gegen unzählige, denen wir und die uns ein Höchstes zu geben hätten - nicht nur an und für sich liegt darin eine königliche Verschwendung, eine lässige Großartigkeit des Daseins, sondern jenseits dieses Eigenwertes des Nichtgenießens strahlt von ihm auch auf das, was wir nun wirklich besitzen, ein neuer, erhöhender, konzentrierender Reiz hinüber. Daß von den unzähligen Möglichkeiten des Lebens gerade diese zur Wirklichkeit geworden ist, verleiht ihr einen sieghaften Ton, die Schatten der unerlösten, ungenossenen Fülle des Lebens bilden ihr Triumphgeleit. Auch das, was man den Menschen gibt, zieht oft seinen Wert für sie aus dem, was man zurückbehält, ja ihnen mit Entschiedenheit vorenthält. Das freundliche Sich-Hingeben insbesondere an etwas Tieferstehende verliert für diese seinen Wert, wenn es allzu weitgehend ist, wenn man allzuwenig reserviert ist. Je mehr der Beschenkte empfindet, daß man noch etwas für sich ist, was man ihm nicht gibt - um so bedeutsamer ist es für ihn, daß man sich, einen Teil von sich, ihm überhaupt gibt. Und so endlich in der Bedeutung unseres Handelns und Schaffens für uns selbst. Plötzliche, zwingende Anforderungen belehren uns oft, daß wir Begabungen und Kräfte für bisher fernliegendste Aufgaben besitzen, Energien, die für immer latent geblieben wären, wenn nicht irgendeine zufällige Not sie herausgelockt hätte. Das weist darauf hin, daß in jedem Menschen außer den Kräften, die er bewährt, noch eine unbestimmte Menge anderer Potenzen schlummern. daß schließlich aus jedem vieles andere hätte werden können, als tatsächlich geworden ist. Wenn nun das Leben von diesen vielen Möglichkeiten nur eine sehr begrenzte Anzahl zur Bewährung zuläßt, so erscheinen diese um so bedeutsamer und kostbarer, je deutlicher wir empfinden, aus wie vielen sie die Auswahl darstellen, wie viele Betätigungsformen unentwickelt bleiben und ihr Kraftquantum jenen überlassen müssen, damit sie zur Entfaltung gelangen. Indem so eine Fülle an sich möglicher Bewährungen geopfert wird, damit es zu einer bestimmten komme, stellt diese gleichsam den Extrakt eines sehr viel weiteren Umfangs von Lebensenergien dar und zieht aus der Versagtheit der Entwicklung dieser eine Bedeutung und Pointiertheit, einen Ton von Erlesenheit und gesammelter Kraft, die sie, über die von ihr direkt erfüllte Provinz unseres Wesens hinaus, zum Brennpunkt und Vertreter seines Gesamtumfanges macht. 

In diesen allgemeinen Typus der Wertbildung mag sich das Geld zunächst einreihen. Es ist sicher richtig, daß die sonstigen Werte des Geldstoffes außer Funktion treten müssen, damit dieser eben Geld werde; allein der Wert, den er als solches besitzt, und der ihn als solches funktionieren läßt, kann von denjenigen Verwertungsmöglichkeiten bestimmt werden, auf die er verzichten muß. Wie in allen eben behandelten Fällen setzt sich der empfundene Wert der verwirklichten Funktion aus ihrem positiven Inhalt und der mitwirkenden Verneintheit jeder anderen, über deren Opfer sie sich erhebt, zusammen. Nicht daß diese anderen Funktionen wirken, sondern daß sie nicht wirken, ist hier das Wirksame. Wenn dies den Wert eines Objektes bestimmt, daß um seinetwillen ein Opfer gebracht wird, so liegt der Wert der Geldsubstanz als solcher darin, daß ihre gesamten Verwendungsmöglichkeiten aufgeopfert werden müssen, damit sie Geld sei. Diese Wertungsart muß natürlich zweiseitig wirksam sein, d.h. der Geldstoff muß auch eine Werterhöhung seiner sonstigen Nutzbarkeiten durch den Verzicht auf seine Verwertung als Geld erfahren. Wenn der Wampum der Indianer aus Muschelschalen bestand, die als Geld dienten, aber auch als Gürtel zum Schmuck getragen wurden, so finden sich diese Funktionen offenbar in reiner Wechselwirkung: auch die Bedeutung der Muscheln als Schmuck hat ganz sicher einen besonderen Oberton von Vornehmheit dadurch erhalten, daß man um ihretwillen auf die unmittelbar mögliche Verwendung als Geld verzichtete. Man kann diesen ganzen Typus als einen Fall des Seltenheitswertes ansehen. Gewöhnlich wird derselbe nur so dargestellt, daß ein Objekt einem gewissen Bedürfnis entspricht, das an mehr Individuen oder in stärkerer Intensität vorhanden ist, als das gegebene Quantum des Objekts zu decken vermag. Wenn hier nun die verschiedenen Bedürfnisse, denen das gleiche Objekt dienen kann, um dasselbe konkurrieren - sei es innerhalb desselben Individuums, sei es zwischen mehreren Individuen - so gründet sich doch auch dieses natürlich auf die Beschränktheit des Vorrats, die nicht gestattet, daß jedes dieser Bedürfnisse sein Genüge finde. Wenn der Verkehrswert etwa des Getreides darauf zurückgeht, daß nicht genug Getreide da ist, um jeden Hunger ohne weiteres zu stillen, so der des Geldstoffes darauf, daß nicht genug davon vorhanden ist, um damit außer dem Bedürfnis nach Geld noch alle anderen auf ihn gerichteten zu befriedigen. So weit entfernt also, daß der Verzicht auf anderweitige Verwertung das Metall als Geld auf eine Wertstufe mit sonst völlig unverwertbaren Stoffen herabsetzte, sehen wir jetzt gerade, daß die möglichen, aber unverwirklichten Verwertungen zu dem Wert, den es als Geld hat, aufs erheblichste mitwirken.

 


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