II. [Die unvollendbare Entwicklung des Geldes von seiner substanziellen zur relativistischen Bedeutung als Fall eines allgemeinen Verhaltens; die Wirklichkeit als gegenseitige Einschränkung reiner Begriffe]
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Noch näher aber an unser Ziel reichen die Überlegungen heran, die sich an die sachliche Seite jener Theorie knüpfen: daß die Verdoppelung jedes Geldbesitzes deshalb alles ungeändert ließe, weil damit sogleich auch für alle Warenpreise gleichmäßige Verdoppelung eintreten würde. Allein diese Begründung ist irrig und übersieht eine eigentümliche, tief einschneidende Bestimmtheit des Geldes, die man seinen relativen Elastizitätsmangel nennen könnte: sie besteht darin, daß ein neues, innerhalb eines Wirtschaftskreises verteiltes Geldquantum die Preise nicht nach ihren bisher bestehenden Proportionen erhöht, sondern neue Preisverhältnisse zwischen ihnen schafft, und zwar auch ohne daß die Macht individueller Interessenten diese Verschiebung bewirkt. Sie beruht vielmehr auf den Folgen der Tatsache, daß der Geldpreis einer Ware, trotz seiner Relativität und seiner inneren Zusammenhangslosigkeit mit der Ware, dennoch bei längerem Bestehen eine gewisse Festigkeit annimmt und daraufhin als das sachlich angemessene Äquivalent erscheint. Wenn der Preis eines Gegenstandes lange Zeit hindurch sich auf einem bestimmten Durchschnittsniveau innerhalb bestimmter Schwankungsgrenzen gehalten hat, so pflegt er diese Höhe auf Grund einer Änderung des Geldwertes nicht zu verlassen, ohne irgendeinen Widerstand zu leisten. Die Assoziation - nach Begriffen wie nach Interessen - zwischen dem Gegenstand und seinem Preise ist psychologisch so fest geworden, daß weder der Verkäufer dessen Sinken, noch der Käufer dessen Steigen mit jener Leichtigkeit zugeben, die selbstverständlich sein müßte, wenn der Ausgleich zwischen Geldwert und Warenwert wirklich durch denselben hemmungslosen Mechanismus erfolgte, durch den das Thermometer je nach der Lufttemperatur steigt oder sinkt, ohne die Genauigkeit der Proportion zwischen Ursache und Wirkung durch eine Verschiedenheit des Widerstandes zu stören, den es der einen Bewegung mehr als der anderen entgegensetze. Auch wenn man plötzlich noch einmal so viel Geld in der Tasche hat als kurz vorher, ist man doch nicht geneigt, nun ebenso plötzlich für jede Ware das Doppelte wie vorher aufzuwenden; man wird allerdings vielleicht, im Übermut des neuen Besitzes, dessen Bedeutung man unvermeidlich nicht nach dem neuen, sondern nach dem von früher gewohnten Maßstab schätzt, nach dem Preise überhaupt nicht fragen. Allein das Überschreiten des jetzt Angemessenen zeigt nicht weniger als das Dahinter-Zurückbleiben, daß von einer proportionalen Regulierung der Preise wenigstens in der ersten Zeit der Geldplethora nicht die Rede sein kann, daß in diese Regulierung vielmehr die fest gewordene Assoziation zwischen der Ware und dem gewohnten Preis Spielraum immerzu ablenkend eingreift. Ferner wird sich die Nachfrage nach den Waren bei einer, wenn auch alle Wirtschaftenden gleichmäßig treffenden Herab- oder Heraufsetzung ihres Geldbesitzes sehr verschieben. Im ersteren Falle werden z.B. bisher ziemlich gleichmäßig verkäufliche Objekte bis zu einem gewissen Maß des Umfanges oder der Überflüssigkeit noch für die Hälfte des Preises abzusetzen sein, jenseits jener Grenze aber überhaupt keinen Abnehmer mehr finden. Andrerseits, im Falle allseitiger Geldvermehrung, wird eine stürmische Nachfrage nach Gütern entstehen, die für die breiten Massen das bisherige Ziel ihrer Wünsche waren, also denjenigen, die unmittelbar oberhalb des Niveaus ihrer bisherigen Lebenshaltung liegen; weder für die primitivsten Bedürfnisse - deren Verbrauchsmenge physiologisch begrenzt ist - noch für die feinsten und höchsten - die immer nur für kleine, sehr langsam vergrößerbare Kreise von Bedeutung sind - würde sich die Nachfrage erheblich steigern. Die Preiserhöhung würde also jene mittleren Güter in extremer Weise treffen, auf Kosten der anderen, in ihren Preisen relativ verharrenden; von einer proportionalen Verteilung des Geldzuflusses auf alle Preise könnte nicht die Rede sein. Prinzipiell ausgedrückt: die Lehre von der Gleichgültigkeit des absoluten Quantums vorhandenen Geldes, die sich auf die Relativität der Preise stützt, ist deshalb unrichtig, weil diese Relativität in der praktischen Preisbildung nicht vollständig besteht, sondern von einer psychologischen Verfestigung und Verabsolutierung der Preise in Hinsicht bestimmter Waren fortwährend durchbrochen wird.
Nun wird man vielleicht diesen Bedenken gegen die Harmlosigkeit der durch keine äußere Schranke begrenzten Geldvermehrung entgegenhalten, daß sie doch nur die Übergangszeiten zwischen je zwei Anpassungen des Preisniveaus beträfen. Ihre Voraussetzung ist ja gerade, daß der ganze Prozeß von einer nach den Quantitätsverhältnissen von Waren und Geld bestimmten Proportionalität der Preise ausgeht. Eben diese muß doch aber auch auf einem anderen Niveau herstellbar sein, und so gut wie die Schwankungen, die jener früheren vorausgingen, einmal beseitigt worden sind, können es auch die später entstehenden. Jene Bedenken gelten nur der Veränderung des Zustandes, aber nicht dem veränderten Zustand, den man nicht für die Unausgeglichenheiten, Erschütterungen und Schwierigkeiten des Überganges zu ihm verantwortlich machen dürfe. Es läßt sich allerdings kein Quantum von Umlaufsmitteln denken, an das nicht schließlich eine vollkommene Anpassung stattfinden, d.h. bei dem nicht der Geldpreis einer Ware die Proportion zwischen ihrem Werte und dem des in Frage kommenden Gesamtwarenquantums gerecht ausdrücken könnte; so daß die beliebige Vermehrung des Geldes diese Proportion nicht dauernd zu stören vermöchte. - Dies ist ganz richtig. Allein es beweist dennoch nicht, daß die Entfernung jeder inneren Schranke der Geldvermehrung innerhalb der Unzulänglichkeit menschlicher Verhältnisse möglich wäre. Denn sie würde ja gerade jenen Übergangszustand, dessen Schwankungen und Schwierigkeiten zugegeben sind, in Permanenz erklären und würde es zu der Angepaßtheit, die prinzipiell freilich für jedes Quantum von Geld erreichbar ist, niemals kommen lassen.
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