XVI.1. Vasken, Galen und Kymren
Von allen den zahlreichen Völkerschaften, die einst die spanische Halbinsel bewohnten, sind aus der ältesten Zeit allein die Vasken übrig, die, um das pyrenäische Gebirge in Spanien und Frankreich noch jetzo wohnhaft, ihre alte Sprache, eine der ältesten der Welt, erhalten haben. Wahrscheinlich erstreckte sich dieselbe einst über den größesten Teil von Spanien, wie es noch, aller Veränderungen ungeachtet, viele Namen der Städte und Flüsse dieses Landes zeigen.243) Selbst unser Name Silber soll aus ihr sein, der Name des Metalles, das, nebst dem Eisen, in Europa und aller Welt die meisten Revolutionen in Gang gebracht hat; denn der Sage nach war Spanien das erste europäische Land, das seine Bergwerke baute, da es den frühesten Handelsnationen dieser Weltgegend, den Phöniciern und Karthaginensern, nahe und bequem lag: es war ihnen das erste Peru. Die Völker selbst, die unter dem Namen der Vasken und Kantabrer sehr bekannt sind, haben sich in der alten Geschichte als ein schnelles, leichtes, tapfres, freiheitliebendes Volk gezeigt. Sie begleiteten den Hannibal nach Italien und sind in den römischen Dichtern ein furchtbarer Name: sie, nebst den spanischen Kelten, waren es, die den Römern die Unterjochung dieses Landes am schwersten machten, also daß Augustus über sie zuerst, und vielleicht auch nur dem Scheine nach, triumphierte; denn was nicht dienen wollte, zog sich in die Gebirge. Als die Wandalen, Alanen, Sveven. Goten und andere teutonische Völker ihren wilden Durchzug durch die Pyrenäen nahmen und einige derselben in ihrer Nachbarschaft Reiche stifteten, waren sie noch das tapfre, unruhige Volk, das unter den Römern seinen Mut nicht verloren hatte; und als Karl der Große auf seinem Rückzuge vom Siege über die spanischen Sarazenen durch ihr Land zog, waren eben noch sie es, die durch einen listigen Angriff jene in den alten Romanen so berühmte Niederlage bei Ronceval veranlaßten, in welcher der große Roland blieb. Späterhin machten in Spanien und Aquitanien sie den Franken zu schaffen, wie sie es den Sveven und Goten getan hatten; auch bei Wiedereroberung des Landes aus den Händen der Sarazenen blieben sie nicht müßig, ja sie erhielten selbst in den Jahrhunderten der tiefsten barbarischen Mönchsunterdrückung ihren Charakter. Als nach der langen Nacht eine Morgenröte der Wissenschaft für Europa aufging, brach sie durch die fröhliche Dichtkunst der Provenzalen in ihrer Nachbarschaft, zum Teil in denen von ihnen bewohnten Ländern, hervor, die auch in spätem Zeiten Frankreich viele fröhliche und aufgeklärte Geister gegeben haben. Zu wünschen wäre es, daß wir die Sprache, die Sitten und die Geschichte dieses raschen und frohen Volks mehr kennten und daß, wie Macpherson unter den Galen, ein zweiter Larramendi unter ihnen etwa auch nach Resten ihres alten vaskischen Nationalgeistes forschte.244 Vielleicht hat sich die Sage jener berühmten Rolandsschlacht, die durch den fabelhaften Erzbischof Turpin in einer Mönchsepopee zu so vielen Romanen und Heldengedichten des Mittelalters Anlaß gegeben, auch unter ihnen erhalten; wo nicht, so war doch ihr Land wenigstens die Pforte vor Troja, die mit Abenteuern, die daselbst geschehen sein sollten, lange Zeit die Phantasie der europäischen Völker füllte.
Die Galen, die unter dem Namen der Gallier und Kelten ein bekannteres und berühmteres Volk sind, als die Vasken waren, hatten am Ende mit ihnen einerlei Schicksal. In Spanien besaßen sie einen weiten und schönen Erdstrich, auf welchem sie den Römern mit Ruhm widerstanden; in Gallien, welches von ihnen den Namen hat, haben sie dem Cäsar eine zehnjährige und in Britannien seinen Nachfolgern eine noch längere, zuletzt nutzlose Mühe gekostet, da die Römer endlich diese Insel selbst aufgeben mußten. Außerdem war Helvetien, der obere Teil von Italien, der untere Teil von Deutschland längs der Donau bis nach Pannonien und Illyrikum zu, wenn auch nicht allenthalben in dichten Reihen, mit Stämmen und Kolonien aus ihrem Schöße besetzt, und in den altem Zeiten waren unter allen Nationen sie der Römer furchtbarste Feinde. Ihr Brennus legte Rom in die Asche und machte der künftigen Weltbeherrscherin beinah ein völliges Ende. Ein Zug von ihnen drang bis in Thracien, Griechenland und Kleinasien ein, wo sie unter dem Namen der Galater mehr als einmal furchtbar geworden. Wo sie indessen ihren Stamm am dauerhaftesten, und gewiß nicht ganz ohne Kultur, angebaut haben, war in Gallien und den britannischen Inseln. Hier hatten sie ihre merkwürdige Druidenreligion und in Britannien ihren Oberdruiden; hier hatten sie jene merkwürdige Verfassung eingerichtet, von welcher in Britannien, Irland und auf den Inseln noch so viele, zum Teil ungeheure Steingebäude und Steinhaufen zeugen: Denkmale, die, wie die Pyramiden, wahrscheinlich noch Jahrtausende überdauern und vielleicht immer ein Rätsel bleiben werden. Eine Art Staats- und Kriegseinrichtung war ihnen eigen, die zuletzt den Römern erlag, weil die Uneinigkeit ihrer gallischen Fürsten sie selbst ins Verderben stürzte; auch waren sie nicht ohne Naturkenntnisse und Künste, so viele derselben ihrem Zustande gemäß schienen; am wenigsten endlich ohne das, was bei allen Barbaren die Seele des Volks ist, ohne Gesänge und Lieder. Im Munde ihrer Barden waren diese vorzüglich der Tapferkeit geweiht und sangen die Taten ihrer Väter.245 Gegen einen Cäsar und sein mit aller römischen Kriegskunst ausgerüstetes Heer erscheinen sie freilich als halbe Wilde; mit andern nordischen Völkern, auch mit mehreren deutschen Stämmen verglichen, erscheinen sie nicht also, da sie diese offenbar an Gewandtheit und Leichtigkeit des Charakters, wohl auch an Kunstfleiß, Kultur und politischer Einrichtung übertrafen; denn wie der deutsche Charakter noch jetzt in manchen Grundzügen dem ähnlich ist, den Tacitus schildert, so ist auch schon im alten Gallier, trotz alles dessen, was die Zeiten verändert haben, der jüngere Gallier kenntlich. Notwendig aber waren die so weit verbreiteten verschiedenen Nationen dieses Volksstammes nach Ländern, Zeiten, Umständen und wechselnden Stufen der Bildung sehr verschieden, so daß der Gale an der Küste des Hochoder Irlands mit einem gallischen oder keltiberischen Volk, das die Nachbarschaft gebildeter Nationen oder Städte lange genossen hatte, wohl wenig gemein haben konnte.