XX.5. Anstalten und Entdeckungen in Europa

 

3. Die Universitäten waren gelehrte Städte und Zünfte; sie wurden mit allen Rechten derselben, als Gemeinwesen, eingeführt und teilen die Verdienste mit ihnen. Nicht als Schulen, sondern als politische Körper schwächten sie den rohen Stolz des Adels, unterstützten die Sache der Regenten gegen die Anmaßungen des Papstes und öffneten statt des ausschließenden Klerus einem eignen gelehrten Stande zu Staatsverdiensten und Ritterehren den Weg. Nie sind vielleicht Gelehrte mehr geachtet worden als in den Zeiten, da die Dämmerung der Wissenschaften anbrach; man sähe den unentbehrlichen Wert eines Gutes, das man so lange verachtet hatte, und indem eine Partei das Licht scheute, nahm die andere an der aufgehenden Morgenröte desto mehr Anteil.

Universitäten waren Festungen und Bollwerke der Wissenschaft gegen die streitende Barbarei des Kirchendespotismus; einen halb unerkannten Schatz bewahrten sie wenigstens für bessere Zeiten. Nach Theoderich, Karl dem Großen und Alfred wollen wir also vorzüglich die Asche Kaiser Friedrichs des Zweiten ehren, der, bei zehn andern Verdiensten, auch Universitäten in jenen Gang brachte, in welchem sie sich zeither, lange nach dem Muster der parisischen Schule, fortgebildet haben. Auch in diesen Anstalten ist Deutschland gleichsam der Mittelpunkt von Europa geworden; in ihm gewannen die Rüstkammern und Vorratshäuser der Wissenschaften nicht nur die festeste Gestalt, sondern auch den größesten innern Reichtum.

4. Endlich nennen wir nur einige Entdeckungen, die, in Ausübung gebracht, die mächtigsten Anstalten für die Zukunft wurden. Die Magnetnadel, eine Leiterin der Schiffahrt, kam wahrscheinlich durch die Araber nach Europa und durch die Amalfitaner bei ihrem frühen Handelsverkehr mit jenen zuerst in Gebrauch; mit ihr war den Europäern gleichsam die Welt gegeben. Frühe schon wagten sich die Genuesen das Atlantische Meer hinunter; nachher besaßen die Portugiesen nicht vergeblich die westlichsten Küsten der Alten Welt. Sie suchten und fanden den Weg um Afrika und veränderten damit den ganzen indischen Handel, bis ein anderer Genuese die zweite Halbkugel entdeckte und damit alle Verhältnisse unseres Weltteils umformte. Das kleine Werkzeug dieser Entdeckungen kam mit dem Anbruch der Wissenschaften nach Europa.

Das Glas, eine frühe Ware der Asiaten, die man einst mit Gold aufwog, ist in den Händen der Europäer mehr als Gold worden. War es Salvino oder ein anderer, der die erste Brille schliff, er begann damit ein Werkzeug, das einst Millionen himmlischer Welten entdecken, die Zeit und Schiffahrt ordnen, ja überhaupt die größeste Wissenschaft befördern sollte, deren sich der menschliche Geist rühmt, über die Eigenschaften des Lichts und beinahe jedes Naturreiches sann schon Roger Baco, der Franziskanermönch, in seiner Zelle wunderbare Dinge aus, die ihm in seinem Orden mit Haß und Gefängnis belohnt, in hellem Zelten aber von andern glücklicher verfolgt wurden. Der erste Morgenstrahl des Lichts in der Seele dieses bewundernswürdigen Mannes zeigte ihm eine neue Welt am Himmel und auf Erden.

Das Schießpulver, ein mörderisches und dennoch im ganzen wohltätiges Werkzeug, kam auch durch die Araber, entweder schon im Gebrauch oder wenigstens in Schriften, nach Europa. Hie und da scheint es aus diesen von mehreren erfunden zu sein und wurde nur langsam angewandt; denn es änderte die ganze Art des Krieges. Unglaublich viel hängt im neuen Zustande von Europa von dieser Erfindung ab, die den Rittergeist mehr als alle Konzilien besiegt, die Gewalt der Regenten mehr als alle Volksversammlungen befördert, dem blinden Metzeln persönlich erbitterter Heere gesteuert und der Kriegesart, die sie hervorbrachte, auch selbst Schranken gesetzt hat. Sie und andere chemische Erfindungen, vor allen des mörderischen Branntweins, der durch die Araber als Arznei nach Europa kam und sich als Gift nachher auf die weite Erde verbreitet hat, machen in der Geschichte unseres Geschlechts Epochen.

Ebenso das Papier, aus Lumpen bereitet, und die Vorspiele der Buchdruckerei in Spielkarten und andern Abdrücken unbeweglicher Charaktere. Zu jenem gaben wahrscheinlich die Araber mit dem Baumwollen- und Seidenpapier, das sie aus Asien brachten, Anlaß; die letztgenannte Kunst ging in langsamen Schritten von einem Versuche zum andern fort, bis aus Holzschnitten die Kupferstecher- und Buchdruckerkunst mit der größesten Wirkung für unsern ganzen Weltteil wurden. Die Rechnungsziffern der Araber, die musikalischen Noten, die Guido von Arezzo erfand, die Uhren, die gleichfalls aus Asien kamen, die Ölmalerei, eine alte deutsche Erfindung, und was sonst hie und da an nützlichen Werkzeugen noch vor dem Anbruch der Wissenschaften ausgedacht oder angenommen und nachgeahmt worden, wurde im großen Treibhause des europäischen Kunstfleißes fast immer ein Samenkorn neuer Dinge und Begebenheiten für die Zukunft.

 


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