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I. [Ursprüngliche Erfordertheit wertvollen Geldes]

 

Im ganzen wird, je primitiver die wirtschaftlichen Vorstellungen sind, um so mehr auch das Messen ein sinnlich-unmittelbares Verhältnis zwischen den. verglichenen Werten voraussetzen. Die eben geschilderte Auffassung: daß die Wertgleichung zwischen einer Ware und einer Geldsumme die Gleichheit des Bruches bedeute, welcher zwischen diesen beiden als Zählern und den ökonomisch in Betracht kommenden Gesamtquanten aller Waren und alles Geldes als Nennern bestehe - ist offenbar der Tatsache nach überall wirksam, weil sie erst die eine Objektart wirklich zum Gelde macht; allein da das Geld als solches eben nur allmählich entsteht, wird auch dieser Modus sich aus dem primitiveren einer unmittelbaren Vergleichung der auszutauschenden Objekte entwickeln. Die niedrigste Stufe bezeichne vielleicht ein Fall, der von den neubritannischen Inseln gemeldet wird. Die Eingeborenen benutzen dort als Geld schnurweise aufgereihte Kaurimuscheln, welche sie Dewarra nennen. Dies Geld wird nach Längenmaßen: Armlängen usw. zum Einkauf verwandt: für Fische wird in der Regel so viel in Dewarra gegeben, wie sie selbst lang sind. Auch sonst wird aus dem Gebiet des Kaurigeldes gelegentlich gemeldet, der Typus des Kaufes sei, daß das gleiche Maß zweier Waren als wertgleich gelte: ein Maß Getreide z.B. gilt das gleiche. Maß Kaurimuscheln. Hier hat offenbar die Unmittelbarkeit in der Äquivalenz von Ware und Preis ihren vollständigsten und einfachsten Ausdruck erlangt, der gegenüber eine Wertvergleichung, die nicht auf quantitative Kongruenz hinausläuft, schon einen höheren geistigen Prozeß darstellt. Ein Rudiment jener naiven Gleichwertung gleicher Quanten liegt in der Erscheinung, die Mungo Park im 18. Jahrhundert von einigen westafrikanischen Stämmen berichtet. Dort habe Eisengeld in Stangenform als Geld kursiert und zur Bezeichnung der Warenquanten gedient, so daß man ein bestimmtes Maß Tabak oder Rum je eine Stange Tabak, eine Stange Rum genannt habe. Hier hat sich das Bedürfnis, Wertgleichheit als Quantitätsgleichheit anzusehen - offenbar ein starker, sinnlich eindrucksvoller Anhalt primitiver Wertbildung - in den sprachlichen Ausdruck geflüchtet. Bei sehr verschiedenem Aussehen gehören doch der gleichen prinzipiellen Empfindung einige andere Erscheinungen an. Von der Stadt Olbia am Dnjepr, einer milesischen Kolonie, sind uns alte Bronzemünzen erhalten, welche die Gestalt von Fischen haben, mit Aufschriften, welche wahrscheinlich Thunfisch und Fischkorb bedeuten. Nun wird angenommen, daß jenes Fischervolk ursprünglich den Thunfisch als Tauscheinheit benutzte und es - vielleicht wegen des Verkehrs mit tieferstehenden Nachbarstämmen -bei Einführung der Münze nötig fand, den Wert je eines Thunfisches in einer Münze darzustellen, die durch die Gleichheit ihrer Form diese Gleichwertigkeit und Ersetzbarkeit unmittelbar versinnlichte während man an anderen Stellen, weniger nachdrücklich und doch auf das äußerliche Sichentsprechen nicht verzichtend, auf die Münze nur das Bild des Gegenstandes (Ochse, Fisch, Axt) prägte, der in der Tauschepoche die Grundeinheit bildete und dessen Wert eben die Münze darstellte. Dasselbe Grundgefühl herrscht, wenn der Zend-Avesta vorschreibt, der Arzt solle als Honorar für die Heilung eines Hausbesitzers den Wert eines schlechten Ochsen fordern, für die eines Dorfvorstandes den Wert eines mittelguten, für die eines Stadtherrn den Wert eines hochwertigen, für die eines Provinzstatthalters den Wert eines Viergespanns; dagegen käme ihm für die Heilung der Frau eines Hausbesitzers eine Eselin an Wert zu, für die Frau eines Dorfvorstandes eine Kuh, für die Frau eines Stadtherrn eine Stute, für die Frau eines Statthalters ein weibliches Kamel. Die Gleichheit des Geschlechtes am Leistungsobjekt und am Leistungsentgelt bezeugt auch hier die Neigung, die Äquivalenz von Wert und Gegenwert auf eine unmittelbar äußerliche Gleichheit zu gründen. Ebenso verhält es sich mit der Tatsache, daß das Geld am Anfang seiner Entwicklung aus Stücken von großer und schwerer Quantität zu bestehen pflegte: Felle, Vieh, Kupfer, Bronze; oder aus sehr massenhaften, wie das Kaurigeld; dahin gehört die Tatsache, daß die erste Banknote, von der wir wissen und die uns aufbewahrt ist, aus China vom Ende des 14. Jahrhunderts, 18 englische Zoll lang und 9 Zoll breit ist. Es wirkt hier noch die Tendenz der Bauernregel: viel hilft viel - für die ein natürliches und erst durch eine feinere und reflektierende Empirie widerlegbares Gefühl spricht. Auch von Edelmetallgeld finden wir die größten Münzen fast ausschließlich bei Völkern von unausgebildeter oder naturalwirtschaftlicher Kultur: als die größten Goldstücke gelten der Lool der Anamiten, der 880 Mk. wert ist, der japanische Obang (220 Mk.), der Benta der Aschantis; auch hat Anam eine Silbermünze im Werte von 60 Mk. Aus demselben Gefühl von der Bedeutung des Quantums heraus bleibt das Prägerecht der größten Münzen oft den obersten Machthabern vorbehalten, während die kleineren (auch von dem gleichen Metall!) von niederen Instanzen geschlagen werden: so prägte der Großkönig von Persien das Großgeld, die Satrapen aber die goldene Kleinmünze, vom Viertel abwärts. Der Charakter erheblicher Quantität ist sogar nicht nur primitiven Metallgeldformen, sondern auch den Geldarten, die diesen vorangehen, manchmal eigen: die Slawen, welche in dem. 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zwischen Saale und Elbe saßen und ein außerordentlich rohes Naturvolk waren, bedienten sich als Geldes leinener Tücher; die Kaufkraft eines solchen betrug 100 Hühner, oder Weizen für 10 Mann auf einen Monat! Und selbst innerhalb des ausgebildeteren Geldwesens ist bemerkbar, wie die Geldbegriffe von immer geringeren Metallwerten erfüllt werden. Der mittelalterliche Gulden war eine Goldmünze im Wert eines Dukaten - der heutige zählt 100 Kupferkreuzer; der ehemalige Groschen war eine dicke (grossus) Silbermünze; die ehemalige Mark betrug ein Pfund Silber, das Pfund Sterling war 70 Mk. wert. In primitiven, naturalwirtschaftlichen Verhältnissen wird der Geldverkehr überhaupt nicht die kleinen Bedürfnisse des Tages, sondern nur relativ größere und wertvollere Objekte betroffen haben, und ihnen gegenüber wird die Neigung zur Symmetrie, die allen unausgebildeten Kulturen eigen ist, auch den Geldtausch beherrscht und für äußerlich Großes auch ein äußerlich großes Wertzeichen gefordert haben: daß die äußerste quantitative Ungleichheit der Erscheinungen dennoch eine Gleichheit der Kraft, der Bedeutung, des Wertes gestattet, pflegt erst von höheren Bildungsstufen eingesehen zu werden. Wo eine Praxis auf das Vollziehen von Gleichungen gestellt ist, da wird zuerst eine möglichst anschauliche Unmittelbarkeit des Gleichseins verlangt, wie die quantitative Mächtigkeit des primitiven Geldes es im Verhältnis zu ihren Gegenwerten zeigt. Die Abstraktion, die später ein kleines Metallstückchen als Äquivalent irgendeines umfänglichsten Objektes anerkennt, steigert sich, in der gleichen Richtung, auf das Ziel hin, daß die eine Seite der Wertgleichung gar nicht mehr als Wert an und für sich, sondern nur noch als abstrakter Ausdruck für den Wert der ändern funktioniere. Daher ist denn auch die Meßfunktion des Geldes, die von vornherein am wenigsten an die Materialität seines Substrates geknüpft ist, durch die Veränderungen der modernen Wirtschaft am wenigsten alteriert worden.

 


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