III. [Der Übergang zum Funktionscharakter an seinen Einzeldiensten entwickelt: Verkehrserleichterung, Beständigkeit des Wertmaßes, Mobilisierung und Kondensierung der Werte]
Das gesteigerte Bewußtsein und die gesteigerte Tatsächlichkeit der Funktionsbedeutung des Geldes ermöglichte auch den Einwand gegen die Silberwährung: was man vom Geld fordere, sei zuerst und unbedingt Bequemlichkeit und Handlichkeit. Man könne zwar ein Nahrungsmittel beibehalten, wenn sein Gebrauch auch viele Unbequemlichkeiten mit sich bringt, sobald es nur nahrhaft und wohl schmeckend sei, auch ein unbequemes Kleidungsstück, weil es schön oder warm ist. Aber ein unbequemes Geld sei wie ein ungenießbares Nahrungsmittel oder ein untragbares Kleidungsstück. Denn der oberste Zweck des Geldes sei die Bequemlichkeit des Güteraustausches. Der Unterschied gegen die hier verglichenen Güter beruht eben darauf, daß das Geld weniger Nebenqualitäten neben seiner Hauptqualität hat und haben darf, als andere Güter. Da es das absolute Abstraktum über allen konkreten Gütern ist, so wird es von jeder Qualität, die außerhalb seiner reinen Bestimmung liegt, ungebührlich belastet und abgelenkt.
Daß die Steigerung oder Herabsetzung einer Funktion des Geldes seinen Wert unabhängig von seinem Substanzwert erhöhen oder erniedrigen könne - gilt selbst für denjenigen Schätzungsgrund seiner, der besonders eng mit seinem Substanzwert verbunden scheint: für seine Wertbeständigkeit. Die römischen Kaiser besaßen, wie schon erwähnt, das ausschließliche Recht der Gold- und Silberprägung, während die Kupfermünzen, d.h. das Kreditgeld, vom Senat und im Orient von den Städten geschlagen wurden. Das bildete von vornherein eine gewisse Garantie dagegen, daß der Kaiser das Land mit substanzwertloser Scheidemünze überschwemmte. Der Erfolg war schließlich nur der, daß die Kaiser sich an die ihnen freistehende Verschlechterung des Silbers hielten, von der dann auch der bodenlose Verfall des römischen Münzwesens ausging. Daraus entstand nun eine merkwürdige Umkehrung der Wertverhältnisse: das Silber sank durch seine Verschlechterung zur Kreditmünze herab, während das Kupfer dadurch, daß es sich ziemlich unverändert behauptet hatte, wieder in höherem Maße den Charakter der Wertmünze erhielt. Die Eigenschaft der Wertbeständigkeit also ist hier imstande, durch ihre relative Höhe oder Erniedrigung die bisherigen Charaktere der Metallsubstanzen als Geldwertträger völlig umzukehren. In diesem Sinne des Hinausragens des Stabilitätswertes über den Substanzwert hat man jetzt hervorgehoben, daß der Übergang eines Notenlandes zur Goldwährung keineswegs die Wiederaufnahme der Barzahlungen mit sich bringen müßte. In einem Lande wie Österreich etwa, dessen Noten kein Disagio gegen Silber mehr machen, wäre schon durch den Übergang zur bloßen Goldrechnung der entscheidende Vorteil der Goldwährung, nämlich die Stabilisierung des Geldwertes, gewonnen: die Funktion der Substanz, auf die es ankommt, wäre so ganz ohne die Substanz selbst erreichbar. Und neuerdings hat das Interesse an der Beständigkeit des Geldwertes sogar zu der Forderung geführt, die metallische Deckung der Noten überhaupt abzuschaffen. Denn sobald diese bestände, wäre für die verschiedenen Länder eine Gemeinsamkeit des Systems geschaffen, die den inneren Verkehr eines jeden all den Schwankungen in den politischen und wirtschaftlichen Schicksalen der anderen unterwirft! Ein ungedecktes Papiergeld biete durch seine Exportunfähigkeit nicht nur den Vorteil, überhaupt im Lande zu bleiben und für alle Unternehmungen daselbst bereit zu sein, sondern vor allem eine vollständige Wertbeständigkeit. So angreifbar diese Theorie ist, so zeigt ihre bloße Möglichkeit doch jene psychologische Lösung des Geldbegriffes von dem Substanzbegriff und seine wachsende Erfüllung durch die Vorstellung seiner funktionellen Dienste. Übrigens unterliegen alle derartigen Funktionen des Geldes ersichtlich den Bedingungen, unter denen seine allgemeine Auflösung in Funktionen steht: daß sie in jedem gegebenen Augenblick nur unvollkommen gelten und ihre Begriffe ein im Unendlichen liegendes Entwicklungsziel bezeichnen. Schon dadurch, daß die Werte, die es messen und deren gegenseitiges Verhältnis es ausdrücken soll, etwas bloß Psychologisches sind, wird ihm die Beständigkeit der Raum- oder Gewichtsmaße versagt.
Indes rechnet die Praxis mit dieser Wertbeständigkeit als mit einer Tatsache angesichts der Frage, wie man sich bei der Wiedererstattung eines Gelddarlehns zu verhalten habe, wenn inzwischen der Wert des Geldes sich geändert hat. Geschieht das etwa durch Sinken des Geldwertes überhaupt, so daß die gleiche Summe bei der Rückgabe weniger wert ist, so wird dies von den Gesetzen nicht in Betracht gezogen; die identische Geldsumme gilt ohne weiteres als der identische Wert. Wo die Münze sich selbst verschlechtert, sei es durch Legierung, sei es durch Änderung des Münzfußes, entscheiden die Gesetze bald so, daß die, nach dem neuen Münzfuß, entsprechende Summe, bald das gleiche Quantum Feingehalt, bald rein mechanisch der Nennwert der Schuld zu erstatten sei. Im ganzen also überwiegt die Vorstellung, daß das Geld seinen Wert unverändert behalte. Nun ist diese Stabilität zwar auch an Naturalgegenständen, bei deren Ausleihe sie niemand bezweifelt, eine Fiktion: ein Zentner Kartoffeln, den man sich im Frühling leiht, um ihn später in natura wiederzugeben, kann dann viel mehr oder viel weniger wert sein. Allein hier kann man sich auf die unmittelbare Bedeutung des Gegenstandes zurückziehen: während der Tauschwert der Kartoffeln schwanken mag, bleibt ihr Sättigungsund Nährwert genau der gleiche. Da nun aber das Geld keinen derartigen, sondern ausschließlich Tauschwert hat, so ist die Voraussetzung seiner Stabilität eine um so auffallendere. Die Entwicklung wird zweckmäßigerweise dahin streben, diese praktisch notwendige Fiktion mehr und mehr zu bewahrheiten. Schon vom Edelmetallgeld hat man hervorgehoben, daß seine Beziehung zum Schmuck seiner Wertstabilität diene: denn da das Schmuckbedürfnis sehr elastisch sei, so nehme es bei Vermehrung des Metallvorrates sogleich ein größeres Quantum desselben auf und verhindere dadurch einen zu starken Druck auf seinen Wert, während bei steigendem Bedürfnis nach Geld die Schmuckvorräte als Reservoir dienen, aus dem das erforderliche Quantum zu entnehmen und die Preiserhöhung zu begrenzen sei. In der Fortsetzung dieser Tendenz aber scheint das Ziel zu liegen, die Geldsubstanz überhaupt auszuschalten. Denn selbst eine so geeignete wie das Edelmetall kann nicht ganz den Schwankungen entzogen werden, die aus seinen eigenen Bedingungen des Bedarfs, der Produktion, der Verarbeitung usw. hervorgehen und die bis zu einem gewissen Grade mit seinem Dienste als Tauschmittel und Ausdruck der relativen Warenwerte nichts zu tun haben. Die vollständige Stabilität des Geldes wäre erst erreichbar, wenn es überhaupt nichts mehr für sich wäre, sondern nur der reine Ausdruck des Wertverhältnisses zwischen den konkreten Gütern. Damit wäre es in eine Ruhelage gekommen, die sich durch die Schwankungen der Güter so wenig verändert, wie der Meterstab durch die Verschiedenheit der realen Größen, die er mißt. Dann wäre auch der Wert, der ihm durch das Leisten, dieses Dienstes zukäme, auf ein Maximum von Stabilität gelangt, weil so das Verhältnis von Angebot und Nachfrage sich viel genauer regulieren ließe, als bei seiner Abhängigkeit von einer Substanz, deren Quantum unserem Willen nur unvollkommen unterliegt. Damit ist freilich nicht geleugnet, daß unter bestimmten historischen und psychologischen Umständen die Bindung an das Metall dem Gelde noch eine größere Stabilität garantieren könnte, als die Lösung von ihm - wie ich es oben selbst behauptet habe. So mag - um an die dort gegebenen Analogien anzuknüpfen - die tiefste und sublimste Liebe diejenige sein, die nur zwischen Seelen, unter völliger Ausschaltung jedes Erdenrestes, besteht - allein solange diese nicht erreichbar ist, wird sich ein Maximum von Liebesempfindung gerade da zeigen, wo die rein seelische Beziehung einen Zusatz und Vermittlung durch sinnliche Nähe und Anziehung erhält; so mag das Paradies das Wunderversprechen seiner Seligkeit darin erfüllen, daß das Bewußtsein derselben keines Sichabhebens von entgegengesetzten Empfindungen bedarf - so lange wir aber Menschen sind, können allein sonst vorhandene, leidvolle, indifferente oder herabgesetzte Gefühlszustände uns ein positives Glück, als Unterschiedsempfindung, eintragen. Wenn also auch in einer idealen Sozialverfassung ein ganz substanzloses Geld das absolut zweckmäßige Tauschmittel ist, so kann doch bis dahin seine relativ höchste Zweckmäßigkeit gerade von seiner Bindung an eine Substanz bedingt sein. Dieser letztere Umstand bedeutet also keine Ablenkung des unendlichen Weges, der zur Auflösung des Geldes in einen bloß symbolischen Träger seiner reinen Funktion führt.