337. Charakter¹⁾. Herz²⁾.
Herz bezeichnet die Wärme des Gefühls und die aus dieser hervorgehende Teilnahme an dem Wohl und Wehe anderer. Charakter (ein griechisches Wort, charaktêr, von charassein, einschneiden, einkratzen, einprägen; eig. das, was eingegraben, eingeprägt ist) aber ist die Eigenart einer Person oder Sache, wodurch sie sich von andern unterscheidet; so spricht man von dem wissenschaftlichen, volkstümlichen usw. Charakter einer Schrift, von dem Charakter einer Steppe, Wüste, Landschaft u. dgl. Im besonderen versteht man unter Charakter aber das eigenartige Gepräge des menschlichen Gemüts; man spricht dann von einem guten, schlechten, festen, starken, leichtsinnigen usw. Charakter. Man benennt den Charakter bald nach dem herrschenden Begehren und den sittlichen Fertigkeiten, die in seinem ganzen Begehren hervortreten (z. B. ein stolzer, reiner, edler Charakter), bald nach den Handlungen, zu denen sein Begehren ihn treibt (z. B. ein grausamer, blutdürstiger, harter Charakter), bald nach den Wirkungen, die diese Handlungen auf das Gefühl anderer Menschen haben (z. B. ein häßlicher, abstoßender, anziehender Charakter). Denjenigen, dessen Gemütsart kein festes Gepräge zeigt, den also jeder kleine Umstand anders stimmen kann, nennt man einen Menschen ohne Charakter. Ein Mensch ohne Herz würde derjenige sein, der nichts für andere fühlt. Oft versteht man unter Charakter geradezu die Festigkeit des Willens und nennt einen willensstarken Menschen einen Mann von Charakter, einen willensschwachen dagegen einen charakterlosen Menschen. Goethe spricht eingehend über den Begriff Charakter in der Geschichte der Farbenlehre, in dem Abschnitt Newtons Persönlichkeit. „Das Hauptfundament des Charakters,“ sagt er dort unter anderm, „ist das entschiedene Wollen, ohne Rücksicht auf Recht und Unrecht, auf Gut und Böse, auf Wahrheit und Irrtum.“ „0 Gott, aus diesen Zügen spricht kein Herz.“ Schiller, Maria Stuart III, 4. „Es bildet ein Talent sich in der Stille, | sich ein Charakter in dem Strom der Welt.“ Goethe, Tasso I, 2. — Campe verdeutschte das Wort Charakter in seiner moralischen Bedeutung mit Sittengepräge; dieses Wort hat sich aber nicht eingeführt. Mit Unrecht hat es Weigand in sein synonymisches Wörterbuch aufgenommen.