Johann August Eberhard
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Synonymisches Handwörterbuch
der deutschen Sprache
(1910)
Einleitung
zur siebzehnten Auflage.
Als der eigentliche Begründer der deutschen Synonymik ist der Prediger Sam. Joh. Ernst Stosch zu bezeichnen, der in seinem Versuch in richtiger Bestimmung einiger gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache (Frankfurt a. d. O. 1770-75, 4 Teile; 2. Aufl. Berlin 1780) zuerst nicht ein bloßes Verzeichnis von Synonymen, wie deren schon im 16. Jahrhundert vorhanden waren,1 sondern wirkliche Erklärungen und Unterscheidungen der sinnverwandten Wörter gab. Freilich schloß er sich hierbei eng an ein französisches Vorbild an, nämlich an des Abbé Gabriel Girard Synonymes français oder: la Justesse de la langue française, wie der ursprüngliche Titel des Werkes lautete, das im Jahre 1718 in Paris erschienen war. Auch hier also hatte, wie auf vielen andern Gebieten, der Deutsche anfangs nicht den Mut, seine eigenen Wege einzuschlagen; die Zeit „charakterloser Minderjährigkeit“ war noch nicht vorüber, trotzdem deutsche Dichter und Denker schon seit Jahren an der Befreiung des deutschen Geistes gearbeitet hatten und in eben jener Zeit eine Schar junger Feuergeister unter Goethes und Herders Führung stürmisch den Weg suchten, der deutsche Kunst und Wissenschaft von falschem Regelzwange zur Wahrheit und Natur zurückführen sollte.
Stoschs fleißige, aber zu breite Arbeit wird von einem Grundirrtume beherrscht, der vielerlei Unrichtigkeiten und Widersprüche im Gefolge hat. Er betrachtet nämlich die Synonymen als gleichbedeutende Wörter, ähnlich wie vor ihm Gottsched sie als gleichgültige (d. i. gleichgeltende) Wörter bezeichnet hatte. Diese unrichtige Begriffserklärung verdankt Stosch seinem französischen Vorbilde Girard. Noch heute heißt bei den französischen Synonymikern im allgemeinen synonyme so viel wie absolument identique. So sagt z. B. das Wörterbuch der Akademie: Synonyme se dit d’un mot qui a la même signification qu’un autre mot. Dem an sich richtigen Gedanken, daß in keiner Sprache zwei völlig gleichbedeutende Wörter zu finden seien, gibt dasselbe Wörterbuch durch den Satz Ausdruck: Dans aucune langue il n’y a de synonymes parfaits. — Zwei Auszüge aus Stosch, der eine (Münster 1780) von Telesphorus Bender, der andere (Basel 1783) von dem Professor Felner abgefaßt, leiden an demselben Irrtume; obwohl Feiner die unrichtige Begriffserklärung Stoschs erkennt und deshalb die Synonymen als ähnlich bedeutende Wörter bezeichnet, so gibt er doch sonst in seinem kurzen und gedrängten Auszuge nur unwesentliche Berichtigungen des Werkes von Stosch. Auch eine Sammlung einiger gleichbedeutenden Wörter der deutschen Sprache (Quedlinburg 1793, vermutlich von Götz) schließt sich ganz eng an Stosch an.
Erst die Bearbeitung, welche die deutsche Gesellschaft zu Mannheim den Synonymen zuteil werden ließ, brach völlig mit der irrigen Anschauung, daß die Synonymen gleichbedeutende Wörter seien. In ihrer Sammlung: Deutsche Synonymen oder sinnverwandte Wörter (2 Bde. Prankfurt und Leipzig 1794, im 9. und 10. Band ihrer Schriften), die als eine durchaus selbständige und scharfsinnige Arbeit zu bezeichnen ist, tritt zum ersten Male die treffende Übersetzung: sinnverwandte Wörter auf, die als die beste und gelungenste Bezeichnung im Laufe der Zeit alle übrigen verdrängt hat und hoffentlich auch noch die Fremdwörter synonym und Synonyma ganz aus der deutschen Sprache verschwinden lassen wird. Der erste Band dieser Sammlung ist von Wilhelm Petersen und Karl Gottlieb Fischer, der zweite von Lävinus Sander und Friedrich Schlüter bearbeitet. — Eine reiche Sammlung sinnverwandter Wörter, der aber vielfach Klarheit und Genauigkeit in der Bestimmung der Begriffe fehlt, bot Professor Joh. Friedr. Heynatz in seinem Versuch eines möglichst vollständigen synonymischen Wörterbuchs der Deutschen Sprache (1. Bd. Berlin 1795). Vom zweiten Bande dieses Werkes erschien jedoch nur die erste Abteilung, die mit dem Worte Einhalten abschließt.
Alle die genannten Arbeiten aber stehen weit zurück hinter Joh. Aug. Eberhards synonymischen Wörterbüchern. In seinem Versuch einer allgemeinen deutschen Synonymik (Halle 1795—1802, 6 Bde.) bot er ein Werk, das sich durch Reichtum und geistvolle Behandlung auszeichnete und selbst noch von den neuesten französischen und englischen Synonymikern bei ihren Arbeiten vergleichend herangezogen wurde. Eine zweite Ausgabe dieses Werkes (Halle 1818—20) besorgte Professor Ehrenreich Maaß in Halle, der außerdem noch eine eigene Sammlung: Sinnverwandte Wörter zur Ergänzung der Eberhardschen Synonymik (Halle und Leipzig 1818—21, 6 Bde.) erscheinen ließ. Joh. Gottfried Gruber, der bekannte Mitherausgeber der allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste, vereinigte diese Ergänzungsarbeit mit der Eberhardschen Synonymik und gab die so verschmolzenen Arbeiten mit vielen eigenen Zusätzen und Berichtigungen als 3. Auflage von Eberhards Werk heraus (Halle 1826—30, 6 Bde.). Eine vierte Auflage in zwei Bänden unter dem Titel Eberhard, Maaß und Grubers Deutsche Synonymik, durchgesehen, ergänzt und vollendet von Dr. Karl Hermann Meyer, erschien im Jahre 1853 in Leipzig bei Barth. — In seinem synonymischen Handwörterbuch der deutschen Sprache (Halle 1802) gab Eberhard einen Auszug aus seinem großen Wörterbuche, der mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurde und bis zum Jahre 1863 zwölf Auflagen erlebte. Auch Maaß bearbeitete nach Eberhard ein Handbuch der allgemeinen deutschen Synonymik (Halle 1802), das er später, im Jahre 1823, zu einem drei- bändigen Werke erweitert als Handbuch zur Vergleichung und richtigen Anwendung der sinnverwandten Wörter der deutschen Sprache neu herausgab.
Neben den bedeutenden Werken von Eberhard und Maaß sind noch folgende kleinere Arbeiten zu nennen: Friedrich Delbrück, Deutsche sinnverwandte Wörter verglichen in Hinsicht auf Sprache, Seelenlehre und Moral, Leipzig 1796; Joel Löwe, Nachlese zur deutschen Synonymik, drei Programme, Breslau 1798—1800; G. Voigtel, Handwörterbuch der deutschen Sprache, mit besonderer Rücksicht auf die Synonymen, Halle 1804; Ch. Jahn, Bereicherung des Hochdeutschen Sprachschatzes versucht im Gebiete der Sinnverwandtschaft, Leipz. 1806.
Ein Wörterbuch aber, das auf der Höhe historischer Forschung gestanden und die reichen Ergebnisse der deutschen Philologie in umfassender Weise auf dem Gebiete der Sinnverwandtschaft verwertet hätte, war selbst in den Werken von Eberhard und Maaß noch nicht geliefert. Erst Karl Weigand in Gießen gab dem deutschen Volke ein solches in seinem Wörterbuche der deutschen Synonymen (1839; 2. Aufl. Mainz 1852, 3 Bde.). In trefflicher Weise werden nun auch die wichtigsten sinnverwandten Wörter in dem Deutschen Wörterbuche von Jacob und Wilh. Grimm (erscheint seit 1854 in Leipzig bei S. Hirzel) berücksichtigt, sowie in dem Deutschen Wörterbuche von Moritz Heyne, das bereits bei der Bearbeitung der 15. Auflage des vorliegenden Buches mit herangezogen werden konnte. Ebenso konnte das vorzügliche, in neuen Bahnen wandelnde und namentlich die Bedeutungsentwicklung berücksichtigende Deutsche Wörterbuch von Hermann Paul (Halle, Niemeyer, 2. Aufl. 1908) bei der sechzehnten und der vorliegenden siebzehnten Auflage mit Berücksichtigung finden. Auch Sanders läßt in seinem Wörterbuche der deutschen Sprache (Leipzig 1860—65) die Synonymen nicht unbeachtet; er hat außerdem noch ein Wörterbuch deutscher Synonymen (2. Aufl. Hamburg 1882) und Neue Beiträge zur deutschen Synonymik (Berlin 1881) herausgegeben. Von kleineren Werken aus neuerer Zeit sei hier nur das von dem Gymnasiallehrer Christian Friedrich Meyer verfaßte Handwörterbuch deutscher sinnverwandter Ausdrücke (Leipzig 1849; 2. Aufl. 1853) erwähnt. Ferner wurden für die Bearbeitung der siebzehnten Auflage herangezogen: Hermann Pauls Grundriß der germanischen Philologie (2.Aufl.); Friedrich Kluges Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 7. Aufl.; das Deutsche Wörterbuch von Karl Weigand, 5. Aufl., neu bearbeitet von Karl von Bahder, Herman Hirt und Karl Kant, herausgegeben von Herman Hirt (bis Nüster); Otto Behaghel, Die deutsche Sprache, 4. Aufl., und Geschichte der deutschen Sprache (in Pauls Grundriß); Herman Hirt, Etymologie der deutschen Sprache (Handbuch des deutschen Unterrichts IV. Bd., 2. Teil); Friedrich Kluge, Unser Deutsch (2. Aufl.); L. Sütterlin, Die deutsche Sprache der Gegenwart, 2. Aufl.; O. Weise, Die deutschen Mundarten; Richard Meyer, Vierhundert Sehlagworte; Otto Ladendorf, Historisches Schlagwörterbuch; Kluges Zeitschrift für deutsche Wortforschung (1901 ff.); Brugmann und Streitberg, Indogermanische Forschungen nebst Anzeiger (1892 ff.), Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Heft 1—32, herausgegeben von Paul Pietsch u. a.
Früher wurde den Wörterbüchern der Synonymen gewöhnlich noch eine Darlegung des Wertes und der Bedeutung der Synonymik beigefügt. Heute ist das wohl nicht mehr notwendig; wenigstens scheint es in der Gegenwart allgemein anerkannt zu sein, daß eine mehr als oberflächliche Kenntnis der Synonymik die Fähigkeit, sich klar, gewandt und treffend in einer Sprache auszudrücken, in hohem Grade befördert.
Dr. Otto Lyon.
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Inhaltsverzeichnis - Synonymisches Handwörterbuch
- Die älteste deutsche Sammlung dieser Art ist von Jacob Schöpper: Synonyma. Das ist, Mancherley gattungen Deutscher worter, so im Grund einerley bedeutung haben. Allen Predigern, Schreibern und Rednern zu Dienste colligiert und zusamen getragen. Gedruckt zu Dörtmünd durch Mel. Soter 1550. Diese Schrift hat neuerdings Edward Schröder in einer Marburger Universitätsschrift behandelt: „Jacob Schöpper von Dortmund und seine deutsche Synonymik. Pfeilsche Buchdruckerei. Marburg 1889.“ Das Werkchen Schöppers gibt im ganzen auf seinen acht Bogen die Übersetzung von etwa 1400 lateinischen Wörtern und Wendungen und bringt dafür über 6000 deutsche Ausdrücke bei. Die Wörter sind der Bedeutung nach in 34 Gruppen geordnet. Dann weist Schröder nach, daß schon vor Schöpper Zusammenstellungen von Synonymen mehrfach versucht worden sind, von denen auch bereits 1522 eine selbständig in den Buchhandel kam (ein Abdruek einer auch der Synonymenliste des. Landshuter Schulmeisters Christoph Hueber zugrunde liegenden Vorlage), und daß Schöpper diese Zusammenstellungen gekannt und benutzt hat, die übrigens Schröder mit guten wissenschaftlichen Gründen alle auf eine alte Rhetorik von 1475 zurückführt, in der die genannte Vorlage enthalten war. Außerdem hat Schöpper noch das oberdeutsche Glossar des Adam Petri von Basel zu Luthers Neuem Testament reichlich ausgebeutet. Vgl. meine Besprechung von Ed. Schröders Schrift in der Zeitschrift f. d. deutsch. Unterr. V, 215 f. Neben diesem Werke Schöppers ist noch die Schrift von Leonhardus Schwartzenbach von Spalt zu nennen: Synonyma. Formular, Wie man ainerley rede und mainung, mit andern mehr Worten, auff mancherley ahrt und weyse, zierlich reden, schreiben und aufssprechen sol, Nüremberg, 1556.↩