Bodenbeschaffenheit


Um die Bodenbeschaffenheit des heutigen Irlands zu verstehen, müssen wir weit zurückgreifen, nämlich bis auf die Epoche, wo die sogenannte Kohlenformation gebildet wurde.1)

Die Mitte von Irland, nördl. und südlich von der Linie Dublin - Galway, bildet eine weite Ebene von der Meereshöhe von durchschnittlich 100 bis 300 Fuß. Diese Ebene, sozusagen der Grundplan von ganz Irland, wird gebildet durch die massenhafte Kalksteinschicht, die die mittlere Lage der Kohlenformation bildet (Kohlenkalk, carboniferous limestone) und welcher die kohlenhaltigen Schichten (das eigentliche Kohlengebirge, coal measures) in England und anderswo unmittelbar aufliegen.

Im Süden wie im Norden wird diese Ebene umringt von einem Gebirgskranz, der sich meist der Küste anschließt und fast ausnahmslos aus älteren Gebirgsformationen besteht, die den Kalkstein durchbrochen haben: Granit, Glimmerschiefer, kambrische, kambrosilurische, obere silurische, devonische und der untersten Schicht der Kohlenformation angehörige Tonschiefer und Sandsteine, reich an Kupfer und Blei; außerdem etwas Gold, Silber, Zinn, Zink, Eisen, Kobalt, Spießglanz und Mangan enthaltend.

Nur an wenigen Stellen erhebt sich der Kalkstein selbst zu Bergen: mitten in der Ebene, in Queen's County, bis zu 600 Fuß und im Westen, an der Südküste der Bucht von Galway, bis zu etwas über 1.000 Fuß (Burren Hills).

An mehreren Stellen in der südlichen Hälfte der Kalksteinebene finden sich vereinzelte Gebirge von 700-1.000 Fuß [über der] Meereshöhe und beträchtlichem Umfang, die von den kohlenhaltigen Schichten gebildet werden. Sie liegen in Mulden der Kalksteinfläche, aus der sie sich als Plateau mit ziemlich steilen Rändern erheben.

"Die Abfälle dieser weit voneinander entfernten Striche Kohlengebirge sind sich so ähnlich und die Schichten, aus denen sie bestehen, so vollständig identisch, daß man absolut nicht umhin kann anzunehmen, daß sie früher in zusammenhängenden Lagen über das ganze Zwischenland verbreitet waren, obwohl sie jetzt 60-80 Meilen voneinander entfernt sind. Diese Ansicht wird noch besonders dadurch bestärkt, daß zwischen den noch übrigen Kohlenfeldern sich hier und da kleine, vereinzelte Hügel finden, deren Spitze ebenfalls aus Kohlengebirge besteht, und daß überall, wo die Kalksteinebene sich unter das Niveau der gegenwärtigen Oberfläche senkt, die Vertiefung ausgefüllt ist durch die niedrigsten Schichten des Kohlengebirgs." (Jukes, p. 286.)

Noch andre Umstände, die für uns hier zu sehr ins Detail gehn und die man bei Jukes, p. 286-289, nachlesen kann, machen zur Gewißheit, daß, wie Jukes sagt, die ganze irische Zentralebene durch Denudation entstanden ist; so daß, nachdem das Kohlengebirge und die oberen Kalksteinablagerungen - eine Durchschnittsdicke von mindestens 2.000-3.000, vielleicht 5.000-6.000 Fuß Gestein - weggespült, nun hauptsächlich die unteren Schichten des Kalks zutage treten. Selbst auf dem höchsten Grat der Burren Hills, Grafschaft Clare, die aus purem Kalkstein bestehen und 1.000 Fuß hoch sind, fand Jukes (p. 513) noch einen kleinen Aufwurf von Kohlengebirge.

Es bleiben demnach im Süden Irlands immer noch einige nicht unbedeutende Striche, welche dem Kohlengebirge angehören; darunter aber findet sich nur an einzelnen kleinen Stellen Kohle in hinreichender Dicke, um den Bergbau zu lohnen. Zudem ist die Kohle selbst anthrazitisch, d.h. sie enthält wenig Wasserstoff und ist ohne Zusatz nicht zu allen industriellen Zwecken verwendbar.

Im Norden Irlands kommen auch mehrere nicht sehr ausgedehnte Kohlenfelder vor, deren Kohle bituminös, d.h. wasserstoffreiche, gewöhnliche Steinkohle ist und deren Lagerung nicht ganz mit der der südlicheren Kohlenbezirke stimmt. Daß aber auch hier dieselbe Wegspülung des Kohlengebirgs stattgefunden, geht daraus hervor, daß große Stücke Kohle, begleitet von derselben Schichtenordnung angehörigem Sandstein und blauem Lehm, auf der Oberfläche des südöstlich eines solchen Kohlenfelds nach Belturbet und Mohill zu gelegenen Kalksteintale gefunden werden. Häufig ist man beim Brunnengraben im Drift in dieser Gegend auf große Blöcke Kohle gestoßen; und in einigen Fällen waren die Kohlenmassen so bedeutend, daß man glaubte, tieferes Ausschachten müsse auf ein Kohlenlager führen. (Kane, "Industrial Resources of Ireland", 2. Ausgabe, Dublin 1845, p. 265.)Man sieht, das Pech Irlands ist uralt; es hebt an unmittelbar nach Ablagerung des Kohlengebirgs. Ein Land, dessen Kohlenlager weggespült sind, dicht neben einem größeren kohlenreichen Land gelegen, war gleichsam schon durch Naturbeschluß diesem, dem künftigen Industrieland, gegenüber auf lange Zeit hinaus zur Rolle des Bauernlands verurteilt. Das Urteil, vor Millionen Jahren gefällt, wurde vollstreckt erst in diesem Jahrhundert. Wir werden übrigens später sehn, wie die Engländer der Natur unter die Arme griffen und fast jeden Keim irischer Industrie sofort gewaltsam zertreten haben.

Jüngere, sekundäre und tertiäre Ablagerungen kommen fast nur im Nordosten vor; uns interessieren dabei hauptsächlich die Keuperschichten in der Gegend von Belfast, die bis zu 200 Fuß Dicke mehr oder weniger reines Steinsalz enthalten (Jukes, p. 554), und die Kreide, die die ganze Grafschaft Antrim bedeckt, selbst aber wieder von einer Basaltlage überdeckt wird. Im ganzen und großen ist die geologische Entwicklungsgeschichte Irlands unterbrochen vom Ende der Kohlenformation an bis auf die Eiszeit.

 

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1) Wo nicht anders angegeben, sind die hier angeführten geologischen Daten genommen aus: J. Beete Jukes, "The Student's Manual of Geology". New Edition. Edinburgh 1862. Jukes war Lokalvorstand der geologischen Aufnahme Irlands und ist daher für dies Terrain, das er auch besonders ausführlich behandelt, erste Autorität.


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