Teilbarkeit der Seele
Wir empfinden auch stets, daß überall unsere Körper
Lebensgefühle durchströmen, und sehen, wie ganz er belebt ist.
Spaltete nun in der Mitte urplötzlich ein rascher Gewaltstreich
Unseren Körper so, daß jede der Hälften getrennt liegt,
Würde wohl sicherlich auch die seelische Kraft sich verteilen
Und mit dem Körper zugleich auseinander gerissen zerstieben.
Doch was sich spaltbar zeigt und in Teile beliebig zerlegbar,
Muß natürlich verzichten, als ewiges Wesen zu gelten.
Sichelwagen, so heißt es, bespritzt von rauchendem Mordblut
Schneiden bisweilen so überaus rasch die Glieder vom Rumpf ab,
Daß man das aus den Gelenken geschnittene Stück auf den Boden
Fallend und dort noch zappelnd erblickt, obgleich doch des Menschen
Geistige Kraft von dem Schmerz nichts spürt, da so plötzlich das Unheil
Kommt und der Geist sich zugleich in die Kampfwut gänzlich verrannt hat.
Noch mit dem Körperstumpfe begehrt er den Kampf und das Blutbad
Und er bemerkt oft nicht, daß die Räder und reißenden Sicheln
Seine Linke zugleich mit dem Schild vor die Rosse geschleudert.
Einer, der Mauern erklimmt, fühlt seiner Rechten Verlust nicht:
Aufstehn möchte ein andrer trotz abgehauenem Beine,
Während daneben sein Fuß noch sterbend zuckt mit den Zehen:
Auch wenn das Haupt von dem warmen und lebenden Rumpfe
getrennt ist,
Zeigt es im Sand noch lebendigen Blick und geöffnete Augen,
Bis es die Reste der Seele hat allesamt von sich gegeben.
Ja, wenn du Lust hast, der Schlange, die naht mit züngelnder Zunge,
Drohend erhobenem Schwanz und sich langhin rollendem Leibe,
Beides, den Leib wie die Seele, durch Schwertstreich vielfach zu trennen,
Siehst du, wie alle die Stücke zerschnitten mit frischer Verwundung
Einzeln sich winden und eitriges Blut auf dem Boden zerstreuen,
Wie sie sich selbst abmüht, mit dem Maul ihr Ende zu fassen,
Um durch den Biß sich den brennenden Schmerz der Zerfleischung
zu lindern.
Sollen wir demnach sagen, ein jedes der Stücke besitze
Seine Seele für sich? Dann würde sich hieraus ergeben,
Daß ein einzig Geschöpf viel Seelen im Leibe behauste.
Folglich ward nur die eine, die vordem da war, zerteilet
Mit dem Körper zugleich; drum muß man doch beide für sterblich
Halten, da Seele wie Leib gleichmäßig sich vielfach zerteilen.