Der Satz
Ist das nun richtig, so wird die Zerhackung des Wortes in Wurzeln und Bildungssilben zu einer bloß berufstechnischen Beschäftigung der Grammatiker. Die Bildungssilben, durch welche doch erst die Wurzeln zu einem harmonischen Satze vereinigt werden sollen, erscheinen als reine Gewohnheiten der jüngeren Analogie, wenn schon der älteste Sprachschrei den Wert eines Satzes oder eines Urteils besaß. Um mich nicht selbst in graue Theorie zu verlieren, will ich das durch einige Bemerkungen erläutern und als Motto die bekannten Verse vorausschicken, mit denen Goethe freilich wohl keine sprachphilosophische Abhandlung beabsichtigt hat. Faust will die Bibel übersetzen und stockt schon bei der ersten Zeile: "Im Anfang war das "Wort."
"Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muß es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn."
Unzufrieden versucht er es noch anders. "Im Anfang war die Kraft", dann hilft ihm der Geist, und er bleibt schließlich stehen bei "im Anfang war die Tat".
Hätte der Teufel ihn nicht durch sein Heulen und Bellen gestört, Faust wäre vielleicht von der Bibelübersetzung zur Bibelkritik übergegangen und hätte den Anfang des Evangeliums Johannis einfach für falsch erklärt. Im Anfang war gar nicht das Wort, mag man es nun als Adjektiv oder als Substantiv oder als Verbum (Tat) auffassen; im Anfang war der Satz. Goethes Faust hat sich schon so viel gefallen lassen müssen, dass ich ihn wohl auch einmal im Scherze so benützen darf.