Gegenwart
Ich habe vorhin gesagt, der einfache Mann mit seinem robusten Wirklichkeitsglauben werde namentlich den verschiedenen Zeitformen, die doch zu den wichtigsten Kategorien der Sprache gehören, einen besonders bestimmten Sinn zugestehen. Nichts scheint deutlicher zu sein als die Stellung des Menschen in der Zeit. So zuverlässig wie die Begriffe von rechts und links scheinen die von Vergangenheit und Zukunft; und der Standpunkt des Menschen zwischen rechts und links ist dann der Zeitpunkt der Gegenwart. Ich will keinen Wert darauf legen, dass der Begriff "Gegenwart" ein recht dehnbarer Begriff ist. Wenn ich sage: "Die Urmenschen kannten kein Feuer, jetzt ist der Gebrauch des Eeuers über die ganze Erde verbreitet", so umfaßt dieses "jetzt", diese Gegenwart, ungezählte Jahrtausende. Wenn ich sage: "Jetzt regiert Wilhelm II.", so liegt der Anfang dieser Gegenwart einige Jahre zurück, während ihr Ende unbestimmt ist, aber nur innerhalb einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Jahren. Wenn ich sage: "Jetzt schlägt er zu", so umfaßt die Gegenwart einen sogenannten Augenblick, in Wirklichkeit je nach Umständen einen nach vielen Sekunden meßbaren Zeitraum. Der Psychologe, der die Schnelligkeit von Sinneseindrücken und Reflexbewegungen studiert, arbeitet mit Apparaten, deren Jetzt sich auf Hundertstel einer Sekunde beschränkt. Aber immerhin können solche Differenzen als bloße Gradunterschiede aufgefaßt werden. Es liegt dann die Unbestimmtheit des Ausdrucks in den Begriffen und nicht in der grammatischen Kategorie Gegenwart.