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Ordnung

Erstens, dass die Wirklichkeit irgend etwas in sich aufzuweisen habe, was der mechanischen, logischen oder lebendigen Ordnung entspricht, die wir in ihr suchen; wobei zu bemerken ist, dass der Begriff der Ordnung vielleicht etwas so sehr dem menschlichen Verstände Eigentümliches ist, dass die Natur außerhalb des Verstandes eine "Ordnung" gar nicht kennt. Was mag die Natur von der Symmetrie wissen, die wir doch so oft an ihr bewundern?

Darum kann auch eine Weltanschauung, die weder die Natur noch sich selbst prostituieren will, nicht systematisch, nicht ordentlich sein. Ich müßte mich ordentlich schämen, Sprachkritik systematisch vorzutragen: ordnungsgemäß. Ordnung ist eigentlich, fast wie Gesetz, ein staatlicher Begriff. Je gegenständlicher ein Kopf denkt, desto weniger systematisch wird er denken. Pascal sagt (VIII, 1): "Ich werde hier meine Gedanken ohne Ordnung schreiben, doch nicht etwa in zweckloser Verwirrung; das ist die wahre Ordnung, und sie wird eben gerade durch die Unordnung stets meinen Gegenstand kennzeichnen." (J'écrirai ici mes pensées sans ordre, et non pas peut-être dans une confusion sans dessein; c'est le véritable ordre, et qui marquera toujours mon objet par le désordre même.) Wie wenig "Ordnung" zur Natur der Dinge gehöre, wie sehr sie aus der Denknotwendigkeit des Menschen (freilich der menschlichen Natur) allein hervorgehe, habe ich in dem Artikel "Ordnung" (Wörterbuch der Philosophie, II, 220 ff.) zu zeigen versucht.

Zweitens aber wird vorausgesetzt, dass unsere Begriffe oder Worte, wie sie sich als Zeichen für Einzelvorstellungen mit Einzeldingen decken, jedesmal der Art, der Gattung, dem Stoff, der Abstraktion usw. entsprechen, die wir bezeichnen wollen; es wird also vorausgesetzt, dass unsere Menschensprache gewissermaßen ein Faksimile der Wirklichkeitswelt ist, woraus dann allerdings hervorginge, dass durch Anhören und genaues Vergleichen der Worte (durch Sprechen oder Denken) fortschreitende Erkenntnis möglich wäre. Wie wenig die Sprache zu einem mechanischen oder logischen Wissensgebäude, zu einem Weltkatalog, geeignet sei, das ist an anderer Stelle gezeigt. (Krit. d. Spr. II, 67.)

Aber nicht einmal zur Bezeichnung der einfachsten, alltäglichsten und bekanntesten Verhältnisse und Beziehungen zwischen den Dingen scheint mir unsere Sprache befähigt, trotzdem die gesamte Sprachlehre oder Grammatik, wenn sie überhaupt einen Sinn hat (für Menschen, welche die Grammatik als eine Anleitung zum Richtigsprechen hochhalten, möchte ich nicht schreiben), nur den Sinn haben kann, dass sie die Kategorien der Sprache und die Kategorien der Wirklichkeitswelt miteinander vergleicht. Ich will mich bemühen, einige Punkte aufzuklären; und ich glaube bestimmt, dass eine weitere Untersuchung zu dem tragikomischen Ergebnis führen wird: wie die zehn Kategorien des Seins, die seit Aristoteles für die höchsten Formen des Verstandes gelten, einfach und kindlich den Redeteilen der griechischen Sprache entnommen waren, wie die fortschreitende Erkenntnis der Kulturvölker — festgebunden an die Radspeichen "arischer" und ähnlich gebauter Sprachen — sich selbst im Kreise drehte und die Sprachformen immer tiefer in die Natur hineinphantasierte, so ist es schließlich eine Selbsttäuschung, wenn wir auch nur die offenbarsten Beziehungsformen der Sprache für Abbilder der wirklichen Beziehungsformen halten, wenn wir auch nur solche Kategorien wie "Ding" und "Eigenschaft", weil sie in der Sprache sind, in der Natur zu sehen glauben. Und ich glaube ferner, dass die Entdeckung Kants, mit der er die Formen der Erkenntnis dem Ding-an-sich absprach und dem Intellekt zuwies, auf die Ahnung dieser meiner Lehre hinausläuft, wie an gehöriger Stelle zu finden ist. Jawohl: die Kategorien oder Formen aller Erkenntnis sind nicht in der Wirklichkeit, sie sind im Denken, das heißt in der Sprache, dort allein.

Ich will das, so einleuchtend, ja so lachend klar mir auch die bloße Behauptung erscheint, vorläufig an den wichtigsten Kategorien oder Redeteilen aufzeigen: dem Ding oder Substantiv, der Qualität oder dem Adjektiv, der Wirkung oder dem Verbum.

Es liegt uns, das heißt unserer Sprache nahe, die Wortzeichen für die wirklichen Einzeldinge, also die konkreten Substantive wie "Sonne", "Hund", für die ursprünglichsten und wertvollsten zu halten; wir sind geneigt zu glauben, die Menschen könnten sich untereinander mit dem bloßen Stammeln von Substantiven zur Not verständigen, es wären also Adjektive und Verben später gebildet worden.