Amüsiervergnügen
Ich gehöre ja im allgemeinen zu den lachenden Tieren (Felix pardus ridens) – aber wenn ich euch über eine so ernste Sache, wie es die Berliner Lustbarkeiten sind, erzähle, dann darf ich doch auch wohl einmal den Katerschnurrbart sträuben und ernst mit dem Stert wackeln, nicht wahr?
Es ist zu traurig. Da laufe ich nun für dieses rote Heft seit Wochen herum, um mich einmal ordentlich auszulachen und auch andere lachen zu machen – aber es glückt mir immer vorbei. Ich war … laßt mich nicht aufzählen, wo ich alles war – ihr würdet mich verspotten. Aber woher soll ich auch wissen, wo es lustig zugeht? Die Presse?
Die Welt fällt darob nicht ein; aber laßt mich einmal sagen, dass die Zeitungskritik über die leichtern Dinge des Theaters, über das Varieté, über den Kino von jener Unzuverlässigkeit ist, die auch von der ernsten Kritik nicht übertroffen werden kann – und das will etwas heißen. Soll ich konkret werden?
Soll ich sagen, dass die Neueinstudierung der »Bummelstudenten« im Berliner Theater hölzern und ledern ist? Daß Hilde Woerner weniger als nichts kann? Daß die Kinos von Tag zu Tag weniger Geist und mehr Spektakel machen? Daß die vielgerühmte »Dubarry« – wenn man einem Berliner von der Kino-»Dubarry« spricht, zieht er die Augenbrauen hoch, runzelt die Stirn und sagt: Fa-a-belhaft! – dass die »Dubarry« eine mächtig inszenierte Belanglosigkeit ist und ein Schmarrn dazu? Daß die Varietéprogramms matt und schwunglos sind?
Der Einfluß der Presse auf diese Dinge ist merkwürdig genug. Ich glaube nicht an ihre Wirkung auf das große Publikum. Meiner Meinung nach laufen die Leute in den Wegener-Film, auch wenn ihn die gesamte »Fachkritik« (Sie müßten die Jungens mal sehen!) ablehnt. Eigentümlicherweise aber richtet sich der Markt danach und die Direktoren. Die schlechte Kritik schadet dem Künstler in erster Reihe im Theaterbureau, nicht beim Publikum. Warum, keine Ahnung, wie … ?
Wer nun weiß, auf welche Weise diese Kritiken zustande kommen, wer weiß, welches Unmaß von Beziehungen, Überredungen, Drehungen und Schiebungen notwendig ist, um eine halbwegs interessierte Kritik herauszukitzeln, der wundert sich nicht, wenn er ihre Unzuverlässigkeit bestätigt findet. Sie stimmt nicht. Es ist ja nichts richtig: ich bin seit zwei Wochen auf alte Empfehlungen der Tagespresse hereingefallen, und es war stocköde.
Liegt es an den Schreibern, die in die Stücke geschickt werden? Nun, es sind nicht die besten (so viel beste gäbe es auch gar nicht). Es sind auch nicht einmal die mittelguten (die gäbe es aber). Es ist Ausschuß, aus Indolenz, aus Verachtung der leicht geschürzten Muse (na, Muse … ), aus Faulheit, und weils nichts kosten soll. Liegt es – Felix pardus tristis – liegt es vielleicht gar an uns?
Es ist wahr: wir sind nicht jünger geworden. Aber noch nicht so alt, um alle Schuld auf uns zu nehmen. Die Stadt trägt ihr gerüttelt Maß. Und ich kann alle die so begreifen, die da sagen: Ich habe es bis dahinaus, mich interessierts nimmer, wie Fräulein Woerner ihrs hinlegt, und ob Frau Durieux und ob sie nicht, und wie Pola Negri … Und die das Hütchen ergreifen, es sorgsam und liebevoll aufstülpen und sich still und schweigsam zurückziehen: in die böhmischen Wälder.
Peter Panter
Die Weltbühne, 13.11.1919, Nr. 47, S. 614.