Die Konstantin
Eine kräftig gerundete Frau tritt hinter die Theke und schenkt aus. »Was darf ich Ihnen alles anbieten? Ich habe da ein picksüßes Kinderlächeln, erstaunte Füßchen, eine sprudelnde Redegabe mit unterschlagenem Atem – oh! ich habe alles – was befehlen der Herr? Zorn? Haß? Liebe? Eifersucht? Das alles gemischt? Bitte sehr, bitte gleich!« Und mischt und sprudelt und schnattert und gluckst und kichert und piepst und weint und lacht und tut so, als wenn sie nur täte … Aber ich kaufe nichts und gehe einen Laden weiter.
Der schrecklichste der Schrecken ist wohl der Star, der gar keiner ist. Ich kann mir allenfalls denken, dass ganz Burg (bei Magdeburg) dieser Frau zu Füßen liegt, da gehört Burg hin. Aber dass ein berliner Parkett sich dieses Stück Unnatur gefallen läßt, dass es Versager belächelt und Töne beklatscht, die es nicht gibt – ich habe sie gehört, aber ich glaube nicht daran –: das scheint unbegreiflich. Man ziehe von der Bernhardt die Persönlichkeit und die Technik ab – dann bleibt die Konstantin.
Der armselige Schreiber, den das Zeitungsgewerbe ins Theater schickt, haspelt sich Komplimente von »Virtuosität« ab. Wenns die noch wäre! Aber es ist Kälte und Mangel, und das ist ein bißchen viel auf einmal. Eine einzige Kraft hat diese Frau: einem die Schreibmaschine zu lähmen. Sie entwaffnet völlig. Man kann ihr nicht böse sein. Nach dem zweiten Akt der »Cyprienne« sind wir still aus dem Deutschen Künstler-Theater gegangen, und die ersten Worte, die die Garderobenfrau zu uns sprach, waren ein Labsal, ein Quickborn, eine Freude.
»Was haben Sie gegen die Frau?« Fontane: »Man soll artig, verbindlich, galant sein, keiner schönen Dame den Erfolg, die Gage, das Engagement oder den ›Ruhm‹ verderben, aber was unsereinem alles verdorben wird, darum kümmert sich niemand; und wenn man auch halbtot geödet würde, dazu ist man da.«
Peter Panter
Die Weltbühne, 06.11.1919, Nr. 46, S. 583.