Deutscher Whisky
Andre Nationen machen das so: Was sie besonders gut herstellen, das exportieren sie, und was ihnen fehlt, das importieren sie. Wenn den Deutschen etwas fehlt, dann machen sie es nach.
Sie haben deutsches Pilsener und deutschen Whisky und deutschen Schippendehl und Germanika-Rum und, neben einigen guten, deutsche französische Parfums, vor denen Ziegenböcke die Flucht ergreifen – sie haben überhaupt alles, weil eine Zollfestung ihr Ideal darin sieht, »vom Ausland unabhängig zu sein«. Der nationalistische Wahnsinn verdirbt die Warenqualität.
Denn zu der Albernheit, etwas imitieren zu wollen, was ungeeigneter Rohstoff, mangelnde Tradition und eben jenes gewisse Etwas nicht gestatten, das jedem Volk eigentümlich ist, wollen sie uns nun auch noch einreden, ihre Kopien seien besser als das Original. »Sie wissen doch, dass alle englischen Stoffe in Bunzlau hergestellt werden?« Mit manchen Orientwaren ist das sicherlich so, und so sehen sie ja auch aus – der exportierte Orient hat überhaupt etwas Sächsisches. Lesen Sie nur Edschmids neues Afrika-Buch. Um auf Qualitätswaren zurückzukommen:
Grade, wenn man Deutschland liebt, müßte man doch die innere Unsicherheit verwerfen, die im Schielen nach dem Fremden steckt. Wobei denn diese Hämmel von Fabrikanten das, was die Deutschen nun wirklich können, lange nicht genug herausstreichen – sie haben noch die kindische Überschätzung des Auslandes in den Knochen, nicht etwa seine gerechte Würdigung, und nun ahmen sie ihm nach. In der Frauenmode ist es ihnen nicht geglückt – da sind sie nach wie vor von Paris abhängig. Aber ein von monomanen Geisteskranken ausgeheckter Zolltarif hindert den deutschen Markt, die guten ausländischen Waren zu konsumieren; das geht bis in die Filmbranche herein. Vielleicht werden spätere Generationen lachen, dass der Friedensvertrag von Versailles den deutschen Produzenten den Gebrauch des Wortes »Cognac« untersagt hat – es ist aber mehr als ein nur wirtschaftlicher Vorgang. Wieviel Talmi ist in dieser Wir-Auch-Fabrikation!
Verlang einen Benediktiner. Du kriegst einen, du schmeckst … und gleich trittst du aus der Kirche aus, so ein Benediktiner ist das. Es ist eben keiner. Und wie man, um einen halbwegs guten Kaffee zu bekommen, in einem deutschen Lokal »Mokka-Doubel« bestellen muß, so muß man ein ganzes Gebet aufsagen, wenn man ein unverfälschtes ausländisches Erzeugnis haben will, für das die Herren Kopisten schon längst etwas gefunden haben, was als deutsches Wort der Kriegszeit in den französischen Sprachschatz übergegangen ist: »de l'ersatz«. Über das Kapitel Whisky wollen wir uns gar nicht unterhalten; der gehört schließlich nicht zu den Notwendigkeiten des Lebens, aber ärgern tuts einen doch. Sie haben ihn »in Deutschland auf Flaschen gefüllt und auf den amtlich zulässigen Trinkbranntweinprozentsatz gebracht … « mitunter ist es gar nicht leicht im menschlichen Leben.
Wir lächeln über die Paßkalamitäten eines Reisenden aus dem achtzehnten Jahrhundert, der von Nürnberg nach Lippe-Detmold fahren wollte. Das Zoll-Europa von heute machts genauso – im Vordergrund. Im Hintergrund ist der ganze Apparat längst vertrustet, kein Mussolini, kein Plakat: »Deutsche, fahrt mit deutschen Opel-Wagen!« können mehr darüber hinwegtäuschen, dass es eine wahrhaft internationale Macht gibt: die Großfinanz, die mit den Grenzen Geschäfte macht und im übrigen auf sie pfeift.
Die Konsumenten pfeifen ihre diesbezüglichen Nationalhymnen.
Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 25.02.1930, Nr. 9, S. 330.