Die Herren Installateure
Erst kommen sie gar nicht. Dann kommen sie. Dann gehen sie gleich wieder weg: sie haben nämlich ein Handwerkszeug vergessen. Kein Wunder; wenn man ihren Handwerkskasten sieht, so liegen da in schwärzlichem Durcheinander alte Hämmer, Zangen, abgebrochene Stiele, krumm geschlagene Nägel, eine Feile und etwas schmutziger Bindfaden.
Dann kommen sie wieder. Dann gehen sie frühstücken. Dann kommen sie und sagen: »Ja, das funkt nicht … « Und dann gehen sie wieder weg. Und dann kommen sie wieder und arbeiten furchtbar, drecken die ganze Wohnung ein, hämmern und klopfen … dann gehen sie wieder weg. Dann probierst du, was sie gemacht haben. Das funktioniert nicht. Und dann fängt alles wieder von vorne an.
Der Installateur kommt gewöhnlich nicht selber – er schickt einen ›Mann‹. Der Mann ist in der Regel mürrisch; man möchte ihm immer zurufen: »Warum sind Sie nicht Landpastor geworden – das ist eine stille ruhige Sache … ohne Aufregungen … « Der Mann versteht sein Handwerk nicht und liebt es auch nicht. Er hat weniger Gefühl für die Technik als du; du hast bloß keine Routine. Der Mann hört mit trotzig vorgeschobener Unterlippe zu, was du ihm erklärst – er ist Fachmann, du bist Laie, und eine Wasserleitung ist eine Wasserleitung – die muß lecken. Laie. »Was die Leute bloß immer wollen … Da könnte ja jeder kommen … « Der Installateur haßt die Sachen, mit denen er sich beschäftigt – und die vergelten es ihm. Nein, nicht ihm: uns. Kein Waschbecken, das ganz und gar, liebevoll bis in die letzten Einzelheiten, zweckmäßig eingerichtet wäre – auch sind die Installationsmänner durch nichts zu bewegen, durch Trinkgelder nicht und nicht durch gutes Zureden, so eine Sache vernünftig zu montieren. Die Muster, die sie mitbringen, sind von gleichbleibender Scheußlichkeit, die Ornamente sind von magenkranken Werkzeichnern entworfen – »andre jibt et nich«. Und immer beese. Die Pausen zwischen den Handwerkshole- und den Frühstücksstunden werden durch eine jammervolle Arbeit ausgefüllt.
Wer sollte sich auch um die Gesellen und Lehrlinge kümmern? Während du vor deinen entzweiigen Lichtschaltern trauerst, halten die Herren Ober-Installateure Gläubigerversammlung. Da sitzen die Kleinbürger mit dicken Köpfen und lassen zwanzig, dreißig, vierzig Prozent an ihren Forderungen nach; zum Schluß sind sie froh, wenn sie von dem großen Tanzpalast-Unternehmer überhaupt etwas bekommen, und wenn sie aufstehen, fahnden sie eifrig nach neuen großen Aufträgen. Der Einzelbesteller kann derweil sehen, wo er bleibt.
Wenn es einen Gott gibt, was, wie Reimann sagt, Gott geben möge, dann habe ich nur noch einen Wunsch. Ich möchte als Engel durch die Hölle spazieren, in jedem Kessel siedet ein Installationsmann, und er schreit: »Die Feuerung ist viel zu heiß! Der Kessel leckt!« Und dann gehe ich herum, schiebe mürrisch die Unterlippe vor und bossele an den Hähnen. Und dann gehe ich weg. Und am andern Tage komme ich wieder und bringe ein Musterbuch mit gefrorenem Makkaroni an und klopfe an den Hähnen. Und sage: »Andre jibt et nicht.« Das walte Gott.
Aber nun ernsthaft: Was ist es –? Warum ist es so, wie es ist –? Denn so ist es in ganz Mitteleuropa.
Die Ausbildung der Installateure ist schlecht: die praktische ungenügend, eine theoretische so gut wie nicht vorhanden. Die Gesellen eines Unternehmens sind am Geschäft desinteressiert; sie erhalten, wenn sie organisiert sind, ihren tariflichen Lohn und sind besonders in Zeiten großer Arbeitslosigkeit froh, überhaupt Arbeit zu haben. Die vorhandenen Anlagen von Wasser, Gas und Elektrizität sind gar nicht oder nicht genügend genormt. Man ziehe von einer Stadt in die andre, und man wird etwas erleben.
Abzusehen ist hier von einem Besteller, der nicht weiß, was er will, sowie von jenem, der Unmögliches fordert. Wenn aber keiner mit der jetzigen Lage zufrieden ist: der Unternehmer nicht, weil ›es sich nicht lohnt‹, der Arbeiter nicht, weil seine Tarife mäßig sind; und der Besteller nicht, weil er miserabel bedient wird –: so liegt das daran, dass Kleinbetriebe überhaupt nicht in der Lage sind, den Erfordernissen gerecht zu werden, die die Technik an sie stellt.
Da sind nun diese kleinen Läden, die die Straßen verunzieren.
INSTALLATIONSGESCHÄFT
Ein kleiner Laden, mit unordentlichem Gerümpel angefüllt, ein schüchternes Schaufenster mit irgendwelchen hingehudelten Monstrositäten – ein Mittelding zwischen Verkaufsraum und Werkstatt. Nebenan Stube und Küche. Das Ganze hat meist etwas leicht Verkommenes und ist fast ohne Ausnahme unsachgemäß von vorn bis hinten. Was kann man bei den mäßigen Einkünften dieser Kleinunternehmer mehr verlangen?
Was sie in erster Linie haben müßten, haben sie nicht: Übersicht. Es ist, wie wenn diese Leute nicht einmal die nötige Denkkraft aufbrächten, sich vorzustellen, was der tägliche Bedarf von ihnen fordert. Nichts von saubrer Handarbeit – nichts von Dienst am Kunden: sie handeln mit Schwierigkeiten, sie sind der Feind des Kunden. Man stelle sich nur einen Arzt vor, der zu einem Kranken mit einem Besteck von einer Beschaffenheit kommt, wie es die meisten Installationsunternehmer ihren Leuten mitgeben!
Besserung: Nur der Großbetrieb kann es schaffen. (Eine ähnliche Erscheinung sehen wir bei den Garagenbetrieben.) Kleinbetriebe sind auf solchen Gebieten ein Unfug. Dieser ›schwer kämpfende Mittelstand‹ hat keine Existenzberechtigung; wären alle diese kleinen Unternehmer in einem Großbetrieb angestellt, so könnte es besser gehen. Es könnte.
Denn da besteht eine Gefahr, die wir bei den gemischtwirtschaftlichen Betrieben der Städte sehen, im Gaswerk, im Wasser–, im Elektrizitätswerk: die arbeiten oft rein bürokratisch und kümmern sich den Teufel um den Kunden. Die moderne kapitalistische Arbeit neigt immer mehr dazu, die Arbeit als einen Faktor des Innendienstes um des Reglements willen zu erledigen; sie wird Selbstzweck, ihr eigentlicher Sinn wird in den meisten Fällen vollständig vergessen, und der Kunde, dem sie nutzen soll, wird vernachlässigt. Man sehe sich in Deutschland, dem Lande der Arbeitslosigkeit, an, mit welch merkwürdiger, verbissener Zähigkeit diese Arbeit geleistet wird – immer mit dem Auge auf die Stempelkarte, mit dem andern auf eine etwaige Pension; dazu durchweg Ablehnung jeder Haftung nach außen. Das Desinteressement dieser Millionen von Angestellten und Arbeitern muß vollkommen sein: sie werden so schlecht bezahlt, so mäßig ausgebildet und so überdrillt, dass für Lust an der Arbeit, für Freude am Werk nichts übrig bleiben kann. Das ist mit fader Gewerkschaftspolitik und direktionsfrommen Betriebszeitungen nicht zu erreichen. Nicht ihnen gereicht der Zustand zum Vorwurf, sondern dem System des Kapitalismus. Der Kunde, das letzte Glied an der Kette des ›Dienstes‹, ist nur noch Anlaß und Ornament; es regieren die Kartotheken, die Akten, das Büro. In Deutschland arbeiten die Arbeiter, damit die Angestellten etwas zu schreiben haben.
Trotz dieser Gefahren kann ein Großbetrieb seine Leute ganz anders ausbilden und ausrüsten als diese vermiekerten Kleinbetriebe, die nicht leben und nicht sterben können und die nur da florieren, wo weit und breit keine Konkurrenz zu finden ist. Es ist gewiß gleichgültig, ob auf dem großen Schloß des Stahlkönigs Frick ein Schwimmbassin mit den letzten Neuheiten ausgerüstet ist; es ist aber nicht gleichgültig, dass in einer mittleren Angestelltenwohnung, in einer Arbeiterwohnung fast alle technischen Anlagen liederlich, unzweckmäßig und unhandlich angebracht sind und außerdem den Wirtschaftsetat der Familien unverhältnismäßig hoch belasten. Es ist eben ›immer was kaputt‹, und der Hauswirt bezahlt das nicht. Man könnte das besser machen.
Dazu gehört natürlich vor allem eine vernünftige Normung. Wer hören und sehen kann, erkennt immer mehr, wie gleich unser aller Bedürfnisse sind (wodurch sie um nichts weniger wert sind – alter Aberglaube und falsche Vorstellung von Individualität). Die Techniker in der Hauswirtschaft sollen vorarbeiten, insbesondere den Frauen, die konservativ sind und gern das Gestern wollen.
Wird genormt?
Wir haben das groteske Bild, dass die ›Technik fortschreitet‹ und die Leute hinten bleiben. Es werden im zersplitternden Kleinbetrieb lächerlicher Konkurrenzen täglich neunzehn neue Systeme von Nachttischlampen, Badehähnen, Gasöfen auf den Markt geworfen – aber die vorhandenen sind nicht sehr gut, weil sie fast alle nicht zu Ende konstruiert sind; weil niemand von diesen Stumpfböcken begreift, mit wieviel Liebe und Freude an der Sache man einen Wasserablauf formen muß, damit er wirklich seinen Zweck erfüllt. Statt dessen treiben sie mit Nickelzeug Kundenfang. Und es hat gar keinen Sinn, sich teure Modelle auf diesem Gebiet zu kaufen; die Installateure, die das nachher in die Finger bekommen, drehen das Ding ratlos hin und her und versauen es in Bälde. Die Leute können, wenn sie das Wort ›Technik‹ in den Text ihrer Festreden aufnehmen, die Hemdbrust gar nicht genug anschwellen lassen; aber normalerweise gibt es keine Privatwohnung und kein Hotelzimmer, in dem nicht irgend eines dieser kleinen technischen Dinge des Alltags entzwei wäre. Nirgends rächt sich die Aufteilung in private Kleinbetriebe mehr als hier. Unrast ist kein Fleiß; Neurasthenie infantiler Geschäftsleute, die alle Nase lang etwas ›ganz anders‹ machen, ohne zu bedenken, wie das Nebeneinander von Modellen nachher in der Praxis aussieht, Konkurrenzangst, Faulheit, auch nur die Haltung einer Hand zu studieren, die einen Hahn öffnet …
Es ist sehr schwer, über diese Dinge öffentlich zu sprechen. Die Interessenverbände in ihrer maßlosen Kurzsichtigkeit sehen nur eine ›Schädigung‹ und überrennen den Zeitungsverleger, der ein Tänzchen wagte, mit heftigem Geschrei: Boykott! Das deutsche Handwerk! Die deutsche Arbeit! Die Bankette, Kongresse, Kundgebungen und Reichsverbandsversammlungen müssen sich wohl in aller ihrer leeren Geschäftigkeit und ihrer pompösen Lächerlichkeit erst totgelaufen haben, bis die Leute begreifen, dass Gruppenbildung allein noch gar nichts ist. Was das Installationsgewerbe angeht, so täten die Herren gut, sich einmal die Schluderarbeit anzusehn, die sie ausführen lassen – bestenfalls blinkt die Fassade von Nickel und Marmor, aber drin die Röhren sind entzwei. Es ist ein vergnügtes Gewerbe.
Wichtig ist, für den neuen Siedlungsbau andre Modalitäten zu finden als diese Karikaturen eines erstorbenen Handwerks. Es wird vermutlich zunächst Karteibetrieb einsetzen, bei dem der Hausbewohner nicht viel besser gestellt sein wird. Den muß man überwinden. Es sollte etwas Neues entstehen: eine Gesellschaftsform ohne Sklaven und Herrscher, mit Arbeitenden und Menschen, die die Materie beherrschen und Freude am Werk haben.
Peter Panter
Die Weltbühne, 24.06.1930, Nr. 26, S. 959.