Vom Schah von Persien
Günstling. Eine Wiener Theaternotiz: »An den jüngst verstorbenen Schah von Persien, Muzaffer Eddin, bewahrt auch die bekannte Soubrette Fräulein Gerda Walde eine kostbare Erinnerung. Zur Zeit ihres Gastspieles in Marienbad gehörte der damals dort anwesende Schah zu ihren glühendsten Verehrern. Er fehlte in keiner Vorstellung, in der sie auftrat, und ließ sie eines Tages zu sich bitten, um ihr als Zeichen seiner besonderen Gunst einen riesengroßen Brillantring zu überreichen.« Welche Ehre! Wenn jetzt der Brillantring auch noch echt war, dann ist’s wirklich ein historisches Faktum gewesen, wert der Überlieferung. Denn mit dem Schah von Persien ist eine der markantesten Erscheinungen unter jenen Leuten, die sich nicht waschen, hingegangen, und er war gewiß die bekannteste unter jenen Persönlichkeiten, die den Reis mit den Fingern essen. Daneben war er auch kunstverständig, wie wir aus der denkwürdigen Marienbader Begegnung mit der peinlichsten Soubrette der Weltgeschichte ersehen. Aber kaum hat die ›Mittagszeitung‹ die wertvolle Nachricht gebracht, so beeilt sich auch schon das ›Extrablatt‹, seinen Lesern ein Bild davon zu geben, wie Frau Kopacsi-Karczag — gleichfalls in Marienbad — dem Schah etwas ins Grammophon singt, »damit er ihre Stimme auch noch in seiner Heimat hören könne«. Der Schah ist tot und Frau Kopacsi, die Unvergessene, singt nicht mehr. Aber ihn hat sie »entzückt«, wie das ›Extrablatt‹ versichert. Mit ihrem bezauberndsten Kalodontlächeln steht sie vor dem Grammophon, und der Schah lauscht, den Papierfächer um 30 Sous in der Hand, mit dem verklärten Gesicht des Wilden, dem eine Spieldose zum erstenmal einen Walzer von Charles Weinberger vermittelt. »Aus Dankbarkeit verehrte der Schah der Künstlerin einen Schmuck von Türkisen«. Wenn jetzt die Türkise auch noch echt waren, dann ist auch dieses ein historisches Faktum, wert der Überlieferung.
Nr. 217, VIII. Jahr
23. Jänner 1907.