XVIII.2. Reiche der Ostgoten und Langobarden
Nun aber starb der große König nach 34 Jahren einer klugen und tätigen Regierung; und sogleich brachen die übel aus, die in der Staatsverfassung aller deutschen Völker lagen. Die edle Vormünderin des jungen Adelrichs, Amalasvinde, wurde von den Großen des Reichs in der Erziehung desselben gehindert, und als sie nach seinem Tode den abscheulichen Theodat zum Reichsgehülfen annahm, der sie mit dem Tode belohnte, so war die Fahne des Aufruhrs unter den Goten gepflanzt. Mehrere Große wollten regieren; der habsüchtige Justinian mischt sich in ihre Streitigkeiten, und Belisar, sein Feldherr, setzt unter dem Verwände, Italien zu befreien, über das Meer. Die unter sich uneinigen Goten werden eingeengt und betrogen, die Residenz ihrer Könige, Ravenna, hinterlistig eingenommen, und Belisar zieht mit Theoderichs Schätzen und einem gefangenen Könige nach Hause. Bald beginnet der Krieg aufs neue; der tapfre König der Goten, Totilas, erobert Rom zweimal, schonet aber desselben und lässet es mit niedergerissenen Mauern offen liegen. Ein zweiter Theoderich war dieser Totilas, der während der eilt Jahre seiner Regierung den treulosen Griechen viel zu tun gab. Nachdem er im Treffen geblieben und sein Hut mit dem blutigen Kleide dem eitlen Justinian zu Füßen gelegt war, ging's mit dem Reich der Goten zu Ende, wiewohl sie sich bis auf die letzten 7000 Mann tapfer hielten. Empörend ist die Geschichte dieses Krieges, indem auf der einen Seite tapfre Gerechtigkeit, auf der andern griechischer Betrug, Geiz und jede Niederträchtigkeit der Italiener kämpfen, so daß es zuletzt einem Verschnittenen, dem Narses, gelang, das Reich auszurotten, das Theoderich zum Wohl Italiens gepflanzt hatte, und dagegen zu Italiens langem Weh das hinterlistige, schwache Exarchat, die Wurzel so vieler Unordnungen und Übel, einzuführen. Auch hier wie in Spanien war leider die Religion und die innere Verfassung des gotischen Staats der Grund zu seinem Verderben. Die Goten waren Arianer geblieben, die der Römische Stuhl, ihm so nahe, ja als seine Oberherren, unmöglich dulden konnte; durch alle Mittel und Wege, wenn auch von Konstantinopel her und mit eigner Gefahr, wurde also ihr Fall befördert. Zudem hatte sich der Charakter der Goten mit dem Charakter der Italiener noch nicht gemischt, sie wurden als Fremdlinge und Eroberer angesehen und ihnen die treulosen Griechen vorgezogen, von denen, auch schon in diesem Befreiungskriege, Italien unsäglich litt und noch mehr gelitten hätte, wenn ihm nicht, wider seinen Willen, die Longobarden zu Hülfe gekommen wären. Die Goten zerstreuten sich, und ihr letzter Rest ging über die Alpen.
Die Longobarden verdienen es, daß der obere Teil Italiens ihren Namen trägt, da er den bessern Namen der Goten nicht tragen konnte. Gegen diese rief Justinian sie aus ihrem Pannonien hervor, und sie setzten sich zuletzt selbst in den Besitz der Beute. Alboin, ein Fürst, dessen Namen mehrere deutsche Nationen priesen, kam über die Alpen und führte von mehreren Stämmen ein Heer von Weibern, Kindern, Vieh und Hausrat mit sich, um das der Goten beraubte Land nicht zu verwüsten, sondern zu bewohnen. Er besetzte die Lombardei und wurde in Mailand von seinen Longobarden, auf einem Kriegesschilde erhoben, zum Könige Italiens ausgerufen, endete aber bald sein Leben. Von seiner Gemahlin Rosemunde war sein Mörder bestellt; sie vermählt sich mit dem Mörder und muß entweichen. Der von den Longobarden erwählte König ist stolz, grausam; die Großen der Nation werden also einig, keinen König zu wählen und das Reich unter sich zu teilen; so entstehen sechsunddreißig Herzoge, und hiemit war die erste lombardisch- deutsche Verfassung in Italien gegründet. Denn als die Nation, vom Bedürfnis gezwungen, sich wieder Könige wählte, so tat dennoch jeder mächtige Lehnsträger meistens nur das, was er tun wollte; selbst die Wahl derselben wurde oft dem Könige entrissen, und es kam zuletzt auf das unsichere Ansehen seiner Person an, ob er seine Vasallen zu lenken und zu gebrauchen wußte. So entstanden die Herzoge von Friaul, Spoleto, Benevent, denen bald andere nachfolgten: denn das Land war voller Städte, in welchen hier ein Herzog, dort ein Graf sein Wesen treiben konnte. Dadurch wurde aber das Reich der Longobarden entkräftet und wäre leichter als das Reich der Goten wegzufegen gewesen, wenn Konstantinopel einen Justinian, Belisar und Narses gehabt hätte; indes sie jetzt auch in ihrem kraftlosen Zustande den Rest des Exarchats zerstören konnten. Allein mit diesem Schritte war auch ihr Fall bereitet. Der Bischof zu Rom, der in Italien keine als eine schwache, zerteilte Regierung wünschte, sähe die Longobarden sich zu nahe und mächtig; da er nun von Konstantinopel aus keinen Beistand hoffen konnte, zog Stephanus über das Gebirge, schmeichelte dem Usurpator des fränkischen Reichs, Pipin, mit der Ehre, ein Beschützer der Kirche werden zu können, salbte ihn zu einem rechtmäßigen Könige der Franken und ließ sich dafür noch vor dem erobernden Feldzuge selbst die fünf Städte und das den Longobarden zu entnehmende Exarchat schenken. Der Sohn Pipins, Karl der Große, vollendete seines Vaters Werk, erdrückte mit seiner überwiegenden Macht das longobardische Reich und wurde dafür vom Heiligen Vater zum Patricius von Rom, zum Schutzherrn der Kirche, ja endlich, wie durch eine Eingebung des Geistes, zum römischen Kaiser ausgerufen und gekrönet. Was dieser Ausruf für ganz Europa veranlaßt habe, wird die Folge zeigen; für Italien ging, durch diesen herrlichen Fischzug Petri jenseit der Alpen, das ihm nimmer ersetzte longobardische Reich unter. In den zwei Jahrhunderten seiner Dauer hatte es für die Bevölkerung des verwüsteten und erschöpften Landes gesorgt; es hatte durch deutsche Rechtlichkeit und Ordnung Sicherheit und Wohlstand verbreitet, wobei jedem freigestellt blieb, nach longobardischen oder eignen Gesetzen zu leben. Der Longobarden Rechtsgang war kurz, förmlich und bindend; lange noch galten ihre Gesetze, als schon ihr Reich gestürzt war. Auch Karl, der Unterdrücker desselben, ließ sie gelten und fügte die seinen nur an. In mehreren Strichen Italiens sind sie nebst dem römischen das gemeine Gesetz geblieben und haben Verehrer und Erklärer gefunden, auch da späterhin auf Befehl der Kaiser das Justinianische Recht emporkam.