Einteilung
Was nun die Einteilung der klassischen Kunst angeht, so pflegt man gewöhnlich in allgemeinerem Sinne jedes vollendete Kunstwerk klassisch zu nennen, welchen Charakter es sonst auch an sich trage, symbolischen oder romantischen. Im Sinne der Kunstvollendung haben allerdings auch wir das Wort gebraucht, jedoch mit dem Unterschiede, daß diese Vollendung in der vollständigen Durchdringung der inneren freien Individualität und des äußeren Daseins, in welchem und als welches dieselbe erscheint, begründet sein sollte, so daß wir also die klassische Kunstform und deren Vollendung ausdrücklich von der symbolischen und romantischen, deren Schönheit in Inhalt und Form durchweg anderer Art ist, unterscheiden. Ebensowenig wie mit dem Klassischen, seiner gewöhnlichen unbestimmteren Bedeutung nach, haben wir es hier schon mit den besonderen Kunstarten zu tun, in welchen das klassische Ideal sich darstellt, als z. B. die Skulptur, das Epos, bestimmte Arten der lyrischen Poesie und spezifische Formen der Tragödie und Komödie. Diese besonderen Kunstarten, obschon sich die klassische Kunst in ihnen ausprägt, können erst in dem dritten Teile bei Entwicklung der einzelnen Künste und deren Gattungen zur Sprache kommen. Was wir daher zur näheren Betrachtung hier vor uns haben, ist das Klassische in dem von uns festgestellten Sinne des Worts, und als Gründe der Einteilung können wir daher nur die Entwicklungsstufen aufsuchen, welche aus diesem Begriffe des klassischen Ideals selber hervorgehen. Die wesentlichen Momente für diese Entwicklung sind folgende.
Der erste Punkt, auf welchen wir unsere Aufmerksamkeit richten müssen, ist der, daß die klassische Kunstform nicht wie die symbolische als unmittelbar Erstes, als Anfang der Kunst, sondern im Gegenteil als Resultat zu fassen ist. Wir haben sie deshalb zunächst aus dem Verlauf der symbolischen Darstellungsweisen, welche ihre Voraussetzung ausmachen, entwickelt. Der Hauptpunkt, um den der Fortgang sich drehte, war die Konkretion des Inhalts zur Klarheit der in sich selbstbewußten Individualität, welche zu ihrem Ausdruck weder die bloße Naturgestalt, sei sie elementarisch oder animalisch, noch die damit nur schlecht vermischte Personifikation und menschliche Gestalt gebrauchen kann, sondern sich in der Lebendigkeit des vom Geist vollständig durchatmeten menschlichen Leibes zur Äußerung bringt. Da nun das Wesen der Freiheit darin besteht, was sie ist, durch sich selber zu sein, so wird das, was zunächst als bloße Voraussetzungen und Bedingungen des Entstehens außerhalb des klassischen Gebiets erschien, in den eigenen Kreis desselben hineinfallen müssen, um den wahren Inhalt und die echte Gestalt durch Überwindung des für das Ideal Ungehörigen und Negativen wirklich hervorgehen zu lassen. Dieser Gestaltungsprozeß, durch welchen sich der Form wie dem Inhalt nach die eigentlich klassische Schönheit aus sich selber erzeugt, ist daher der Punkt, von welchem wir auszugehen und den wir in einem ersten Kapitel abzuhandeln haben.
Im zweiten Kapitel dagegen sind wir durch diesen Verlauf bei dem wahren Ideal der klassischen Kunstform angelangt. Hier bildet den Mittelpunkt die schöne neue Kunstgötterwelt der Griechen, welche wir sowohl nach selten der geistigen Individualität als nach selten der unmittelbar damit verbundenen leiblichen Form entwickeln und in sich abschließen müssen.
Drittens aber liegt im Begriffe der klassischen Kunst außer dem Werden ihrer Schönheit durch sich selber umgekehrt auch deren Auflösung, welche uns in ein weiteres Gebiet, in die romantische Kunstform, hinüberleiten wird. Die Götter und menschlichen Individuen der klassischen Schönheit, wie sie entstehen, vergehen auch wieder für das Kunstbewußtsein, das sich teils gegen die zurückgebliebene Naturseite, innerhalb welcher sich die griechische Kunst gerade zur vollendeten Schönheit heraufgebildet hatte, kehrt, teils auf eine entgötterte, schlechte, gemeine Wirklichkeit hinauswendet, um das Falsche und Negative derselben ins Licht zu stellen. In dieser Auflösung, deren Kunsttätigkeit wir zum Gegenstand des dritten Kapitels nehmen müssen, trennen sich die Momente, welche in ihrer zur Unmittelbarkeit des Schönen verschmolzenen Harmonie das wahrhaft Klassische ausmachten. Das Innere steht für sich auf der einen, das davon abgeschiedene äußere Dasein auf der anderen Seite, und die in sich zurückgezogene Subjektivität, da sie in den bisherigen Gestalten ihre angemessene Wirklichkeit nicht mehr zu finden weiß, hat sich mit dem Inhalt einer neuen geistigen Welt absoluter Freiheit und Unendlichkeit zu erfüllen und nach neuen Ausdrucksformen für diesen vertiefteren Gehalt umzusehen.