b. Die Satire
Mit dieser Form des Verhältnisses, im Unterschiede des Symbolischen, hat sich ferner auch der Inhalt der Seiten geändert, welche sich jetzt gegenüberstehen. In der symbolischen Kunstform nämlich sind es mehr oder weniger Abstraktionen, allgemeine Gedanken oder doch bestimmte Sätze in Form von Reflexions- Allgemeinheiten, welche durch die symbolische Kunstgestalt eine andeutende Versinnlichung erhalten; in der Form dagegen, die sich auf diesem Übergange zur romantischen Kunst geltend macht, ist der Inhalt zwar von der ähnlichen Abstraktion allgemeiner Gedanken, Gesinnungen und Verstandessätze; aber nicht diese Abstraktionen als solche, sondern ihr Dasein im subjektiven Bewußtsein und sich auf sich stützenden Selbstbewußtsein geben den Gehalt für die eine Seite des Gegensatzes ab. Denn die nächste Forderung dieser Mittelstufe besteht darin, daß das Geistige, welches das Ideal errungen hat, für sich selbständig heraustrete. Schon in der klassischen Kunst war die geistige Individualität die Hauptsache, obschon sie nach selten ihrer Realität mit ihrem unmittelbaren Dasein versöhnt blieb. Jetzt gilt es nun, eine Subjektivität darzustellen, welche die Herrschaft über die ihr nicht mehr angemessene Gestalt und äußere Realität überhaupt zu erringen sucht. Damit wird die geistige Welt für sich frei; sie hat sich dem Sinnlichen entnommen und erscheint deshalb durch diese Zurückgezogenheit in sich als selbstbewußtes, sich nur in seiner Innerlichkeit genügendes Subjekt. Dies Subjekt aber, das die Äußerlichkeit von sich stößt, ist seiner geistigen Seite nach noch nicht die wahre Totalität, welche zu ihrem Inhalte das Absolute in Form der selbstbewußten Geistigkeit hat, sondern ist, als von dem Gegensatz gegen das Wirkliche behaftet, eine bloß abstrakte, endliche, unbefriedigte Subjektivität. - Ihr gegenüber steht eine ebenso endliche Wirklichkeit, die nun auch ihrerseits frei wird, doch eben deshalb, da das wahrhaft Geistige aus ihr heraus in das Innere zurückgegangen ist und sich in ihr nicht mehr wiederfinden will und kann, als eine götterlose Wirklichkeit und ein verdorbenes Dasein erscheint. In dieser Weise bringt die Kunst jetzt einen denkenden Geist, ein auf sich als Subjekt beruhendes Subjekt in abstrakter Weisheit mit dem Wissen und Wollen des Guten und der Tugend in einen feindlichen Gegensatz gegen das Verderben seiner Gegenwart. Das Unaufgelöste dieses Gegensatzes, in welchem Inneres und Äußeres in fester Disharmonie bleiben, macht das Prosaische des Verhältnisses beider Seiten aus. Ein edler Geist, ein tugendhaftes Gemüt, dem die Realisation seines Bewußtseins in einer Welt des Lasters und der Torheit versagt bleibt, wendet sich mit leidenschaftlicher Indignation oder feinerem Witze und frostigerer Bitterkeit gegen das vor ihm liegende Dasein und zürnt oder spottet der Welt, welche seiner abstrakten Idee der Tugend und Wahrheit direkt widerspricht.
Die Kunstform, welche diese Gestalt des hervorbrechenden Gegensatzes der endlichen Subjektivität und der entarteten Äußerlichkeit annimmt, ist die Satire, mit welcher die gewöhnlichen Theorien niemals haben zurechtkommen können, indem sie stets in Verlegenheit blieben, wo sie dieselbe einschieben sollten. Denn von Epischem hat die Satire gar nichts, und zur Lyrik gehört sie eigentlich auch nicht, indem sich im Satirischen nicht die Empfindung des Gemüts ausspricht, sondern das Allgemeine des Guten und in sich Notwendigen, welches, zwar mit subjektiver Besonderheit vermischt, als besondere Tugendhaftigkeit dieses oder jenes Subjekts erscheint, doch nicht in freier, ungehinderter Schönheit der Vorstellung sich genießt und diesen Genuß ausströmt, sondern den Mißklang der eigenen Subjektivität und deren abstrakter Grundsätze, der empirischen Wirklichkeit gegenüber, mißmutig festhält und insofern weder wahrhafte Poesie noch wahrhafte Kunstwerke produziert. Deshalb ist der satirische Standpunkt nicht aus jenen Gattungen der Poesie zu begreifen, sondern muß allgemeiner als diese Übergangsform des klassischen Ideals gefaßt werden.