a. Mangel an innerer Subjektivität


Denn die geistige Individualität tritt zwar als Ideal in die menschliche Gestalt herein, aber in die unmittelbare, d. h. leibliche Gestalt, nicht in die Menschlichkeit an und für sich, welche in ihrer inneren Welt des subjektiven Bewußtseins sich wohl als von Gott unterschieden weiß, doch diesen Unterschied ebenso aufhebt und dadurch, als eins mit Gott, in sich unendliche absolute Subjektivität ist.

α) Daher fehlt dem plastischen Ideal die Seite, sich als unendlich wissende Innerlichkeit darzustellen. Die plastischschönen Gestalten sind nicht nur Stein, Erz, sondern es geht ihnen auch in ihrem Inhalt und Ausdruck das unendlich Subjektive ab. Da mag man sich nun für Schönheit und Kunst begeistern, soviel man will, diese Begeisterung ist und bleibt das Subjektive, das sich nicht auch in dem Objekt ihrer Anschauung, in den Göttern, befindet. Zur wahren Totalität aber wird auch diese Seite der subjektiven, sich wissenden Einheit und Unendlichkeit gefordert, da sie erst den lebendigen, wissenden Gott und Menschen ausmacht. Ist sie nicht auch wesentlich als zum Inhalt und zur Natur des Absoluten gehörig ausgeprägt, so erscheint dasselbe nicht wahrhaft als geistiges Subjekt, sondern steht nur in seiner Objektivität ohne bewußten Geist in sich für die Anschauung da. Nun hat freilich die Individualität der Götter den Inhalt des Subjektiven auch an ihr, aber als Zufälligkeit und in einer Entwicklung, die für sich außerhalb jener substantiellen Ruhe und Seligkeit der Götter sich bewegt.

β) Auf der anderen Seite ist die Subjektivität, welche den plastischen Göttern sich gegenüber findet, auch nicht die in sich unendliche und wahrhafte. Diese nämlich, wie wir in der dritten Kunstform, der romantischen, näher sehen werden, hat die ihr entsprechende Objektivität als den in sich unendlichen, sich wissenden Gott vor sich. Indem das Subjekt aber auf der gegenwärtigen Stufe in dem vollendet schönen Götterbilde sich nicht gegenwärtig [ist] und sich eben damit in seiner Anschauung nicht auch als gegenständlich und objektiv seiend zum Bewußtsein bringt, so ist es selber noch von seinem absoluten Gegenstande nur verschieden und getrennt und deshalb die bloß zufällige, endliche Subjektivität.

γ) Der Übergang in eine höhere Sphäre, möchte man nur glauben, hätte von der Phantasie und Kunst ebenso als ein neuer Götterkrieg aufgefaßt werden können wie der erste Übergang aus der Symbolik der Naturgötter zu den geistigen Idealen der klassischen Kunst. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Im Gegenteil ist dieser Übergang auf einem ganz anderen Felde als ein bewußter Kampf der Wirklichkeit und Gegenwart selber geführt worden. Dadurch erhält die Kunst in bezug auf den höheren Inhalt, den sie in neuen Formen zu ergreifen hat, eine ganz veränderte Stellung. Dieser neue Gehalt macht sich nicht als ein Offenbaren durch die Kunst geltend, sondern ist für sich ohne dieselbe offenbar und tritt auf dem prosaischen Boden der Widerlegung durch Gründe und dann im Gemüt und dessen religiösen Gefühlen vornehmlich durch Wunder, Martyrium usf. ins subjektive Wissen, - mit Bewußtsein des Gegensatzes aller Endlichkeiten gegen das Absolute, das sich in wirklicher Geschichte als Verlauf von Begebenheiten zu einer nicht nur vorgestellten, sondern faktischen Gegenwart herausstellt. Das Göttliche, Gott selber, ist Fleisch geworden, geboren, hat gelebt, gelitten, ist gestorben und auferstanden. Dies ist ein Inhalt, den nicht die Kunst erfunden, sondern der außerhalb ihrer vorhanden war und den sie daher nicht aus sich genommen hat, sondern zur Gestaltung vorfindet. Jener erste Übergang und Götterkampf dagegen hat in der Kunstanschauung und Phantasie selber seinen Ursprung gefunden, die ihre Lehren und Gestalten aus dem Innern schöpfte und dem erstaunten Menschen seine neuen Götter gab. Darum haben aber die klassischen Götter auch nur ihre Existenz durch die Vorstellung erhalten und sind nur in Stein und Erz oder in der Anschauung, nicht aber in Fleisch und Blut oder in wirklichem Geiste da. Dem Anthropomorphismus der griechischen Götter fehlt dadurch das wirkliche menschliche Dasein, das leibliche wie das geistige. Diese Wirklichkeit im Fleisch und Geist bringt erst das Christentum als Dasein, Leben und Wirken Gottes selber herein. Dadurch ist nun diese Leiblichkeit, das Fleisch, wie sehr auch das bloß Natürliche und Sinnliche als das Negative gewußt ist, zu Ehren gebracht und das Anthropomorphistische geheiligt worden; wie der Mensch ursprünglich Gottes Ebenbild war, ist Gott ein Ebenbild des Menschen, und wer den Sohn siehet, siehet den Vater, wer den Sohn liebt, liebt auch den Vater; in wirklichem Dasein ist der Gott zu erkennen. Dieser neue Inhalt nun also wird nicht durch die Konzeptionen der Kunst zum Bewußtsein gebracht, sondern ihr als ein wirkliches Geschehen, als Geschichte des fleischgewordenen Gottes von außen gegeben. Jener Übergang durfte insofern nicht von der Kunst her seinen Ausgangspunkt nehmen, der Gegensatz des Alten und Neuen wäre zu disparat gewesen. Der Gott der geoffenbarten Religion, dem Inhalt und der Form nach, ist der wahrhaft wirkliche Gott, dem eben damit seine Gegner bloße Wesen der Vorstellung sein würden, welche ihm nicht auf einerlei Terrain gegenüberstehen können. Die alten und neuen Götter der klassischen Kunst gehören dagegen beide für sich dem Boden der Vorstellung an, sie haben nur die Wirklichkeit, vom endlichen Geist als Mächte der Natur und des Geistes gefaßt und dargestellt zu sein, und mit ihrer Entgegensetzung und ihrem Kampf ist es Ernst. Sollte aber der Übergang von den griechischen Göttern zum Gott des Christentums von der Kunst aus gemacht werden, so wäre es mit der Darstellung eines Götterkampfes unmittelbar kein wahrer Ernst.


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