a. Phallussäulen usf.
Es ist schon früher bei Gelegenheit der symbolischen Kunstform erwähnt worden, daß im Orient vielfach die allgemeine Lebenskraft der Natur, nicht die Geistigkeit und Macht des Bewußtseins, sondern die produktive Gewalt der Zeugung herausgehoben und verehrt wurde. Besonders in Indien war dieser Dienst allgemein, auch nach Phrygien und Syrien zog er sich unter dem Bilde der großen Göttin, der Befruchtenden, hin - eine Vorstellung, welche selbst die Griechen aufnahmen. Näher nun wurde die Anschauung der allgemeinen produktiven Naturkraft in der Gestalt der animalischen Zeugungsglieder, Phallus und Lingam, dargestellt und heiliggehalten. Dieser Kultus fand hauptsächlich in Indien seine Ausbreitung, doch auch die Ägypter waren, wie Herodot erzählt (II, 48), demselben nicht fremd. Bei den Dionysosfesten wenigstens kommt Ähnliches vor; »anstatt der Phallen aber«,sagt Herodot, »haben sie andere Bilder von der Länge einer Elle erfunden, mit einem Faden zum Ziehen, welche die Weiber herumtragen, wobei sich das Schamglied immer hebt, das nicht viel kleiner ist als der übrige Leib«. Die Griechen nahmen den ähnlichen Dienst gleichfalls an, und Herodot berichtet ausdrücklich (c. 49), daß Melampos, mit dem ägyptischen Opferfest des Dionysos nicht unbekannt, den Phallus, der dem Gotte zu Ehren umgetragen wird, eingeführt habe. Hauptsächlich in Indien nun gingen von dieser Art der Verehrung der Zeugungskraft in der Form der Zeugungsglieder auch Bauwerke in dieser Gestalt und Bedeutung aus; ungeheure säulenartige Gebilde, aus Stein, wie Türme massiv aufgerichtet, unten breiter als oben. Sie waren ursprünglich für sich selber Zweck, Gegenstände der Verehrung, und erst später fing man an, Öffnungen und Aushöhlungen darin zu machen und Götterbilder hineinzustellen, was sich noch in den griechischen Hermen, portativen Tempelhäuschen, erhalten hat. Den Ausgangspunkt aber bilden in Indien die unausgehöhlten Phallussäulen, die sich später erst in Schale und Kern teilten und zu Pagoden wurden. Denn die echt indischen Pagoden, welche man wesentlich von späteren mohammedanischen und sonstigen Nachahmungen unterscheiden muß, gehen in ihrer Konstruktion nicht von der Form des Hauses aus, sondern sind schmal und hoch und haben ihre erste Grundform von jenen säulenmäßigen Bauten. Die gleiche Bedeutung und Form findet sich auch in der von der Phantasie erweiterten Anschauung des Berges Meru wieder, der als Quirl in dem Milchmeer vorgestellt ist, woraus die Welt erzeugt wird. Ähnlicher Säulen erwähnt auch Herodot; teils in Form des männlichen Gliedes, teils mit dem weiblichen Schamteile. Er schreibt die Errichtung derselben dem Sesostris zu (II, 162), der sie überall auf seinen Kriegszügen bei allen Völkern, welche er überwunden hatte, aufstellte. Doch zu Herodots Zeit standen die meisten dieser Säulen nicht mehr; nur in Syrien hat Herodot (c. 106) deren selber gesehen. Daß er sie jedoch sämtlich dem Sesostris zuteilt, hat wohl seinen Grund nur in der Tradition, der er folgt; außerdem erklärt er sie ganz in griechischem Sinne, indem er die natürliche Bedeutung in eine das Sittliche betreffende umwandelt und deshalb erzählt: »Wo Sesostris während seines Kriegszuges auf Völker stieß, welche tapfer waren im Kampf, da setzte er in ihrem Lande Säulen mit Inschriften, die seinen Namen und den seines Landes, und daß er diese Völker sich unterworfen habe, anzeigten. Wo er dagegen ohne Widerstand siegte, da zeichnete er außer dieser Inschrift auf die Säulen auch noch ein weibliches Schamglied hin, um kundzugeben, daß diese Völker feig im Kampfe gewesen seien.«