c. Die Zivilbaukunst des Mittelalters


Parallel mit dieser Entwicklung der religiösen Architektur geht nun auch die Zivilbaukunst, welche von ihrem Standpunkte aus den Charakter der Kirchenbauten wiederholt und modifiziert. In der bürgerlichen Architektur aber hat die Kunst noch weniger Spielraum, da hier beschränktere Zwecke mit einer Mannigfaltigkeit von Bedürfnissen eine strengere Befriedigung fordern und für die Schönheit nur den Raum einer bloßen Zierde übriglassen. Außer der allgemeinen Eurhythmie der Formen und Maße wird sich die Kunst hauptsächlich nur in Auszierung der Fassaden, Treppen, Treppenhallen, Fenster, Türen, Giebel, Türme usf. zeigen können, so jedoch, daß die Zweckmäßigkeit das eigentlich Bestimmende und Durchgreifende bleibt. Im Mittelalter ist es vornehmlich das Burgartige befestigter Wohnungen, was sich als Grundtypus sowohl auf einzelnen Bergabhängen und Spitzen als auch in den Städten hervortut, wo jeder Palast, jedes Familienhaus - in Italien z. B. - die Gestalt einer kleinen Festung oder Burg annahm. Mauern, Tore, Türme, Brücken und dergleichen sind hier durch das Bedürfnis herbeigeführt und werden durch die Kunst geschmückt und verschönert. Festigkeit, Sicherheit, bei grandioser Pracht und lebendiger Individualität der einzelnen Formen und ihres Zusammenhangs, machen die wesentliche Bestimmung aus, deren nähere Auseinandersetzung uns jedoch hier zu weit führen würde. Anhangsweise nun endlich können wir noch kurz der Gartenbaukunst Erwähnung tun, welche nicht nur für den Geist eine Umgebung, als eine zweite äußere Natur, von Hause aus ganz neu erschafft, sondern das Landschaftliche der Natur selbst in ihre Umgestaltung hineinzieht und als Umgebung der Bauten architektonisch behandelt. Als bekanntes Beispiel brauche ich hierfür nur die höchst großartige Terrasse von Sanssouci anzuführen.

In betreff der eigentlichen Gartenkunst haben wir das Malerische derselben vom Architektonischen sehr wohl zu unterscheiden. Das Parkartige nämlich ist nicht eigentlich architektonisch, kein Bauen mit freien Naturgegenständen, sondern ein Malen, das die Gegenstände in ihrer Natürlichkeit beläßt und die große freie Natur nachzubilden strebt, indem die wechselnde Andeutung an alles, was in einer Landschaft erfreut, an Felsen und deren große rohe Massen, an Täler, Waldungen, Wiesen, Gras, schlangelnde Bäche, an breite Ströme mit belebten Ufern, stille Seen, umkränzt mit Bäumen, an rauschende Wasserfälle, und was dergleichen mehr ist, zu einem Ganzen zusammengedrängt erscheint. In dieser Weise umfaßt schon die Gartenkunst der Chinesen ganze Landschaften mit Seen und Inseln, Flüssen, Aussichten, Felspartien usf.

In solch einem Park, besonders in neuerer Zeit, soll nun einerseits alles die Freiheit der Natur selber beibehalten, während es doch andererseits künstlich bearbeitet und gemacht und von einer vorhandenen Gegend bedingt ist, wodurch ein Zwiespalt hereinkommt, der keine vollständige Lösung findet. Es gibt in dieser Rücksicht zum größten Teil nichts Abgeschmackteres als solche überall sichtbare Absichtlichkeit des Absichtslosen, solchen Zwang des Ungezwungenen. Außerdem aber geht hier der eigentliche Charakter des Gartenmäßigen verloren, insofern ein Garten die Bestimmung hat, zum Lustwandeln, zur Unterhaltung in einem Lokale zu dienen, das nicht mehr die Natur als solche ist, sondern die vom Menschen für sein Bedürfnis einer selbstgemachten Umgebung umgestaltete Natur. Ein großer Park dagegen, besonders wenn er mit chinesischen Tempelchen, türkischen Moscheen, Schweizerhäusern, Brücken, Einsiedeleien und wer weiß mit was für anderen Fremdartigkeiten ausstaffiert ist, macht für sich selber schon einen Anspruch auf Betrachtung; er soll für sich selber etwas sein und bedeuten. Doch dieser Reiz, der sogleich befriedigt ist, verschwindet bald, und man kann dergleichen nicht zweimal ansehen; denn diese Zutat bietet dem Anblick nichts Unendliches, keine in sich seiende Seele dar und ist außerdem für die Unterhaltung, das Gespräch beim Umhergehen nur langweilig und lästig.

Ein Garten als solcher soll nur eine heitere Umgebung und bloße Umgebung sein, die nichts für sich gelten und den Menschen nicht vom Menschlichen und Inneren abziehen will. Hier hat die Architektur mit verständigen Linien, mit Ordnung, Regelmäßigkeit, Symmetrie ihren Platz und ordnet die Naturgegenstände selber architektonisch. Die Gartenkunst der Mongolen jenseits der Großen Mauer, in Tibet, die Paradiese der Perser folgen schon mehr diesem Typus. Es sind keine englischen Parks, sondern Säle mit Blumen, Brunnen, Springbrunnen, Höfe, Paläste zum Aufenthalt in der Natur, prächtig, grandios, verschwenderisch für menschliches Bedürfnis und menschliche Bequemlichkeit eingerichtet. Am meisten durchgeführt aber ist das architektonische Prinzip in der französischen Gartenkunst, die sich gewöhnlich auch an große Paläste anschließt, die Bäume in strenger Ordnung zu großen Alleen nebeneinanderpflanzt, sie beschneidet, gerade Wände aus geschnittenen Hecken bildet und so die Natur selbst zu einer weiten Wohnung unter freiem Himmel umwandelt.


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