DRITTER ABSCHNITT:
Die romantischen Künste


Den allgemeinen Übergang aus der Skulptur zu den übrigen Künsten hin bringt, wie wir sahen, das in den Inhalt und die künstlerische Darstellungsweise hineinbrechende Prinzip der Subjektivität hervor. Die Subjektivität ist der Begriff des ideell für sich selbst seienden, aus der Äußerlichkeit sich in das innere Dasein zurückziehenden Geistes, der daher mit seiner Leiblichkeit nicht mehr zu einer trennungslosen Einheit zusammengeht.

Aus diesem Übergang folgt deshalb sogleich die Auflösung, das Auseinandertreten dessen, was in der substantiellen, objektiven Einheit der Skulptur in dem Brennpunkte ihrer Ruhe, Stille und abschließenden Abrundung enthalten und ineinandergefaßt ist. Wir können diese Scheidung nach zwei Seiten betrachten. Denn einerseits schlang die Skulptur, in Rücksicht auf ihren Gehalt, das Substantielle des Geistes mit der noch nicht in sich als einzelnes Subjekt reflektierten Individualität unmittelbar zusammen und machte dadurch eine objektive Einheit in dem Sinne aus, in welchem Objektivität überhaupt das in sich Ewige, Unverrückbare, Wahre, der Willkür und Einzelheit nicht anheimfallende Substantielle bedeutet; andererseits blieb die Skulptur dabei stehen, diesen geistigen Gehalt ganz in die Leiblichkeit als das Belebende und Bedeutende derselben zu ergießen und somit eine neue objektive Einigung in der Bedeutung des Worts zu bilden, in welcher Objektivität - im Gegensatz des nur Innerlichen und Subjektiven - das äußere reale Dasein bezeichnet.

Trennen sich nun diese durch die Skulptur zum erstenmal einander gemäß gemachten Seiten, so steht jetzt die in sich zurückgetretene Geistigkeit nicht nur dem Äußeren überhaupt, der Natur, sowie der eigenen Leiblichkeit des Inneren gegenüber, sondern auch im Bereiche des Geistigen selbst ist das Substantielle und Objektive des Geistes, insofern es nicht mehr in einfacher substantieller Individualität gehalten bleibt, von der lebendigen subjektiven Einzelheit als solcher geschieden, und alle diese bisher in eins verschmolzenen Momente werden gegeneinander und für sich selber frei, so daß sie nun auch in dieser Freiheit selbst von der Kunst herauszuarbeiten sind.

1. Dem Inhalte nach erhalten wir dadurch auf der einen Seite die Substantialität des Geistigen, die Welt der Wahrheit und Ewigkeit, das Göttliche, das hier aber, dem Prinzip der Subjektivität gemäß, selber als Subjekt, Persönlichkeit, als sich in seiner unendlichen Geistigkeit wissendes Absolutes, als Gott im Geiste und in der Wahrheit von der Kunst gefaßt und verwirklicht wird. Ihm gegenüber tritt die weltliche und menschliche Subjektivität heraus, die, als mit dem Substantiellen des Geistes nicht mehr in unmittelbarer Einheit, sich nun ihrer ganzen menschlichen Partikularität nach entfalten kann und die gesamte Menschenbrust und ganze Fülle menschlicher Erscheinung der Kunst zugänglich werden läßt.

Worin nun aber beide Seiten den Punkt ihrer Wiedervereinigung finden, ist das Prinzip der Subjektivität, welches beiden gemeinsam ist. Das Absolute erscheint deshalb ebensosehr als lebendiges, wirkliches und somit auch menschliches Subjekt, wie die menschliche und endliche Subjektivität, als geistige, die absolute Substanz und Wahrheit, den göttlichen Geist in sich lebendig und wirklich macht. Die dadurch gewonnene neue Einheit aber trägt nicht mehr den Charakter jener ersten Unmittelbarkeit, wie die Skulptur sie darstellt, sondern einer Einigung und Versöhnung, welche sich wesentlich als Vermittlung unterschiedener Seiten zeigt und ihrem Begriff gemäß sich nur im Inneren und Ideellen vollständig kundzugeben vermag.

Ich habe dies bereits bei Gelegenheit der allgemeinen Einteilung unserer gesamten Wissenschaft (Bd. l, S. 118) so ausgedrückt, daß, wenn das Skulpturideal die in sich gediegene Individualität des Gottes in seiner ihm schlechthin angemessenen Leiblichkeit sinnlich und gegenwärtig hinstelle, diesem Objekt jetzt die Gemeinde als die geistige Reflexion in sich gegenübertrete. Der in sich zurückgenommene Geist aber kann sich die Substanz des Geistigen selbst nur als Geist und somit als Subjekt vorstellen und erhält daran zugleich das Prinzip der geistigen Versöhnung der einzelnen Subjektivität mit Gott. Als einzelnes Subjekt jedoch hat der Mensch auch sein zufälliges Naturdasein und einen weiteren oder beschränkteren Kreis endlicher Interessen, Bedürfnisse, Zwecke und Leidenschaften, in welchem er sich ebensosehr verselbständigen und genügen als denselben in jene Vorstellungen von Gott und die Versöhnung mit Gott versenken kann.

2. Was nun zweitens für die Darstellung die Seite des Äußeren angeht, so wird sie gleichfalls in ihrer Partikularität selbständig und erhält ein Recht, in dieser Selbständigkeit aufzutreten, indem das Prinzip der Subjektivität jenes unmittelbare Entsprechen und sich nach allen Teilen und Beziehungen hin vollendete Durchdringen des Inneren und Äußeren verbietet. Denn Subjektivität ist hier gerade das für sich seiende, aus seinem realen Dasein in das Ideelle, in Empfindung, Herz, Gemüt, Betrachtung zurückgekehrte Innere. Dies Ideelle bringt sich zwar an seiner Außengestalt zur Erscheinung, jedoch in einer Weise, in welcher die Außengestalt selber dartut, sie sei nur das Äußere eines innerlich für sich seienden Subjekts. Der in der klassischen Skulptur feste Zusammenhang des Leiblichen und Geistigen ist deshalb nicht zu einer totalen Zusammenhangslosigkeit aufgelöst, doch so gelockert und lose gemacht, daß beide Seiten, obschon keine ohne die andere ist, in diesem Zusammenhange ihre partikulare Selbständigkeit gegeneinander bewahren oder doch, wenn eine tiefere Einigung wirklich gelingt, die Geistigkeit als das über seine Verschmelzung mit dem Objektiven und Äußeren hinausgehende Innere zum wesentlich herausleuchtenden Mittelpunkte wird. Es kommt deshalb, um dieser relativ vermehrten Selbständigkeit des Objektiven und Realen willen, hier zwar am meisten auch zur Darstellung der äußeren Natur und ihrer selbst vereinzelten, partikularsten Gegenstände, doch, aller Treue der Auffassung unerachtet, müssen dieselben in diesem Falle dennoch einen Widerschein des Geistigen an ihnen offenbar werden lassen, indem sie in der Art ihrer künstlerischen Realisation die Teilnahme des Geistes, die Lebendigkeit der Auffassung, das Sicheinleben des Gemüts selbst in dieses letzte Extrem der Äußerlichkeit und somit ein Inneres und Ideelles sichtbar machen.

Im ganzen führt deshalb das Prinzip der Subjektivität die Notwendigkeit mit sich, einerseits die unbefangene Einigkeit des Geistes mit seiner Leiblichkeit aufzugeben und das Leibliche mehr oder weniger negativ zu setzen, um die Innerlichkeit aus dem Äußeren, andererseits dem Partikularen der Mannigfaltigkeit, Spaltung und Bewegung des Geistigen wie des Sinnlichen einen freien Spielraum zu verschaffen.

3. Dies neue Prinzip hat sich drittens nun auch an dem sinnlichen Material geltend zu machen, dessen die Kunst sich zu ihren neuen Darstellungen bedient.

a) Das bisherige Material war das Materielle als solches, die schwere Masse in der Totalität ihres räumlichen Daseins sowie in der einfachen Abstraktion der Gestalt als bloßer Gestalt. Tritt nun das subjektive und zugleich an sich selbst partikularisierte, erfüllte Innere in dieses Material herein, so wird es, um als Inneres herausscheinen zu können, an diesem Material einesteils zwar die räumliche Totalität tilgen und sie aus ihrem unmittelbaren Dasein in entgegengesetzter Weise zu einem vom Geiste hervorgebrachten Schein verwandeln, andererseits aber sowohl in betreff auf die Gestalt als deren äußere sinnliche Sichtbarkeit die ganze Partikularität des Erscheinens hinzubringen müssen, welche der neue Inhalt erfordert. Im Sinnlichen und Sichtbaren aber hat sich hier die Kunst zunächst noch zu bewegen, weil, dem bisherigen Gange zufolge, das Innere allerdings als Reflexion-in-sich zu fassen ist, zugleich aber als Zurückgehen seiner in sich aus der Äußerlichkeit und Leiblichkeit und somit als ein Zusichselberkommen zu erscheinen hat, das sich auf einem ersten Standpunkte nur wieder an dem objektiven Dasein der Natur und der leiblichen Existenz des Geistigen selber dartun kann.

Die erste unter den romantischen Künsten wird deshalb in der angegebenen Art ihren Inhalt noch in den Formen der äußeren menschlichen Gestalt und der gesamten Naturgebilde überhaupt sichtbar herausstellen, ohne jedoch bei der Sinnlichkeit und Abstraktion der Skulptur stehenzubleiben. Diese Aufgabe macht den Beruf der Malerei aus.

b) Insofern nun aber in der Malerei nicht wie in der Skulptur die schlechthin vollbrachte Ineinsbildung des Geistigen und Leiblichen den Grundtypus liefert, sondern umgekehrt das Hervorscheinen des in sich konzentrierten Inneren, so ergibt sich überhaupt die räumliche Außengestalt als ein der Subjektivität des Geistes nicht wahrhaft gemäßes Ausdrucksmittel. Die Kunst verläßt deshalb ihre bisherige Gestaltungsweise und ergreift statt der Figurationen des Räumlichen die Figuratio-nen des Tons in seinem zeitlichen Klingen und Verklingen; denn der Ton, indem er nur durch das Negativgesetztsein der räumlichen Materie sein ideelleres zeitliches Dasein gewinnt, entspricht dem Inneren, das sich selbst seiner subjektiven Innerlichkeit nach als Empfindung erfaßt und jeden Gehalt, wie er in der inneren Bewegung des Herzens und Gemütes sich geltend macht, in der Bewegung der Töne ausdrückt. Die zweite Kunst, welche diesem Prinzip der Darstellung folgt, ist die Musik.

c) Dadurch stellt sich jedoch die Musik wiederum nur auf die entgegengesetzte Seite und hält, den bildenden Künsten gegenüber, sowohl in Rücksicht auf ihren Inhalt als auch in betreff des sinnlichen Materials und der Ausdrucksweise an der Gestaltlosigkeit des Inneren fest. Die Kunst aber hat der Totalität ihres Begriffs gemäß nicht nur das Innere, sondern ebensosehr die Erscheinung und Wirklichkeit desselben in seiner äußeren Realität vor die Anschauung zu bringen. Wenn nun die Kunst aber das wirkliche Hineinbilden in die wirkliche und damit sichtbare Form der Objektivität verlassen und sich zum Elemente der Innerlichkeit herübergewendet hat, so kann die Objektivität, der sie sich von neuem zukehrt, nicht mehr die reale, sondern eine bloß vorgestellte und für die innere Anschauung, Vorstellung und Empfindung gestaltete Äußerlichkeit sein, deren Darstellung, als Mitteilung des in seinem eigenen Bereiche schaffenden Geistes an den Geist, das sinnliche Material seiner Kundgebung nur als bloßes Mitteilungsmittel gebrauchen und deshalb zu einem für sich bedeutungslosen Zeichen heruntersetzen muß. Die Poesie, die Kunst der Rede, welche sich auf diesen Standpunkt stellt und - wie der Geist sonst schon durch die Sprache, was er in sich trägt, dem Geiste verständlich macht - so nun auch ihre Kunstproduktionen der sich zu einem selbst künstlerischen Organe ausbildenden Sprache einverleibt, ist zugleich, weil sie die Totalität des Geistes in ihrem Elemente entfalten kann, die allgemeine Kunst, die allen Kunstformen gleichmäßig angehört und nur da ausbleibt, wo der sich in seinem höchsten Gehalte noch unklare Geist seiner eigenen Ahnungen sich nur in Form und Gestalt des ihm selbst Äußeren und Anderen bewußt zu werden vermag.


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